Das Sternenprogramm
- Heyne
- Erschienen: Januar 2001
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Kommunist, Computerexperte und Ultrakiffer
Der dritte Weltkrieg hat den europäischen Kontinent in seiner politischen Stabilität vollkommen zerbrechen lassen. Viele unterschiedliche politische Gruppierungen bekämpfen sich gegenseitig. Ganz Europa steht vor dem endgültigen Kollaps. Hunger und Seuchen verelenden das Land. Die Vereinten Nationen versuchen mit Unterstützung der USA und deren orbitalen Kampfstationen den Status Quo aufrecht zu erhalten.
Söldnertruppen werden von den einzelnen Parteien angeworben. Vorrangig zum Objekt- und Personenschutz, aber auch um unliebsame Kontrahenten zu liquidieren. Die Söldner leben dabei nicht schlecht in diesen schweren Zeiten.
Einer der besten von ihnen ist Moh Kohn. Seines Zeichens Kommunist, Computerexperte und drogenbegeisterter Patriot. Trips, Aufputschmittel aller Art, Dope und sein Gewehr gehören zu seiner Standardausrüstung. Wobei letzteres sein wohl wichtigstes Utensil darstellt. Eine hochmoderne Waffe, ausgestattet mit einer speziellen Schnittstelle, die in ständiger Verbindung zu einem gigantischen Computernetzwerk steht. Der Clou aber ist, dass Moh auch ausgiebige Gespräche mit seinem abgefahrenen Ballermann führen kann. Das Gewehr ermittelt für ihn die Aufenthaltsorte verschiedener Personen, entwickelt Strategien und trifft hin und wieder auch gerne mal eine eigene Entscheidung. Ein perfektes Team, wie man meinen könnte.
Doch dann geschieht etwas merkwürdiges. Moh´s Gewehr startet selbstständig einen Download und lädt ein Programm aus dem Netz herunter, das sich als in dieser Form nie zuvor dagewesene, ";Künstliche Intelligenz"; erweist. Hinter all dem steckt ein genialer Programmierer, den man den Uhrmacher nennt. Vor vielen Jahren schon hat dieser eine KI geschaffen, die sich Schritt für Schritt im gesamten Netz ausbreitete. Dabei handelt es sich um das Sternenprogramm. Diese KI soll die Weichen für eine mögliche Rettung der Menschheit stellen. Moh Kohn wird, gemeinsam mit der Biologin Janis, plötzlich zur Hauptfigur einer Revolution, die weniger auf dem Schlachtfeld, als vielmehr im weltweiten Datennetz stattfindet. Dabei ist der Weg zu den Sternen eine mögliche Option zur Bewahrung der menschlichen Rasse.
Abgedreht...
Ken MacLeod schrieb fast 6 Jahre an seinem ersten Roman ";The Star Fraction";, der schließlich 1995 erschien und gleich mit dem Prometheus Award ausgezeichnet wurde.
";Wow! Was für eine abgedrehte Story."; Das war mein erster Gedanke, nachdem ich die letzten Seiten gelesen hatte. Science Fiction für eine neue Generation. Schnell, rasant und herausfordernd. Ein Vergleich mit Neil Stephenson (Snow Crash, Diamond Age), sei an dieser Stelle gestattet. Solche Bücher sind dazu prädestiniert Kultstatus zu erreichen. Die Dialoge finden auf hohen Niveau statt und die Figuren wirken glaubwürdig und besitzen Überzeugungskraft.
Schwerpunkt der Geschichte sind die politischen Auseinandersetzungen zwischen den vielen unterschiedlichen Parteien. Die USA als alles beherrschende Großmacht, die alle Ereignisse in Europa durch ihre orbitale Vormachtsstellung überwacht. Radikale Grüne, die aus dem Untergrund heraus operieren und einer terroristischen Gruppierung sehr nahe kommen, Kommunisten und Trotzkisten, die eine sozialistische Revolution anstreben sowie Splittergruppen von hirnamputierten Neofaschisten und ewig gestrigen Bekloppten. Kurz gesagt, eine Chaos-Welt, die dabei ist, sich den letzten Rest zu geben. Dabei läßt Ken MacLeod nichts aus. In seiner Welt gibt es sogar eine Grüne Khmer, die das ";Babylonische Bangkok"; besetzt.
... und erschreckend
Zu Anfang mag das alles sehr abwegig und fast albern erscheinen. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird daraus jedoch eine erschreckende Zukunftsvision eines instabilen Europäischen Kontinents und einer nach bedingungsloser Macht strebenden und zugleich sterbenden Zivilisation.
";Wir müssen den Leuten klarmachen, daß Toleranz keine Schwäche ist";. Eine Aussage, die mir besonders gut gefallen hat. In Anbetracht jüngster politischer Ereignisse sicher ein Gedanke, über den es sich nachzudenken lohnt.
Afghanistan-Krise, weltweiter Einsatz von biologischen und chemischen Waffen, Kritik an der Politik der USA. (Den meisten mag dies nach dem 11.September 2001 vielleicht zu makaber erscheinen!) Für mich ist es jedoch ein Zeichen dafür, dass ein Ken MacLeod sich über diese Dinge schon vor einigen Jahren Gedanken gemacht hat, was die meisten Politiker der westlichen Welt leider versäumt haben. Wie schnell aus Science Fiction Realität werden kann, zeigt MacLeods Roman auf eine beängstigenden Weise.
Moh Kohn, die Hauptfigur des Romans, wird dem Leser jedenfalls noch lange im Gedächtnis bleiben. Fazit: Für den anspruchsvollen S.F. - Leser ein Muss.
Ken MacLeod, Heyne
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