Die Stahlhöhlen (Roboter und Foundation - Der Zyklus 4)

  • Heyne
  • Erschienen: Mai 2016
  • 3
Die Stahlhöhlen (Roboter und Foundation - Der Zyklus 4)
Die Stahlhöhlen (Roboter und Foundation - Der Zyklus 4)
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Michael Drewniok
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2020

Mensch/Maschinen-Duo löst unmöglichen Mordfall

Im 30. Jahrhundert bevölkern acht Milliarden Menschen die Erde. Sie haben sich in hermetisch von der Außenwelt abgeschlossene Riesenstädte - die „Stahlhöhlen“ des Titels - zurückgezogen. Zwar wurde der Weltraum längst erobert, doch die Erde hatte das Nachsehen: Die einstigen Kolonien haben sich abgenabelt und den Mutterplaneten technisch hinter sich gelassen. Dennoch haben die „Spacer“ die Erde keineswegs vergessen. In New York City haben sie „Suntown“ gegründet, eine „Spacer“-Siedlung, die den Erdmenschen ein Dorn im Auge ist: Man fürchtet einen Staatsstreich, der die Erde unter die Kontrolle der „Spacer“ zwingt.

Jeder Zwischenfall könnte als Anlass für gewaltsame Unruhen dienen. Deshalb ist man alarmiert, als in „Suntown“ der prominente „Spacer“-Robotiker Dr. Sarton ermordet wird. Ein Erdmensch soll die Tat begangen haben, weshalb die lokale Polizei die Ermittlung übernimmt. Der Fall geht an Elijah Baley, einen redlichen, freilich auch entbehrlichen Beamten, der zudem eine dicke Kröte schlucken muss: Die „Spacer“ bestehen darauf, ihm einen ‚Partner‘ zur Seite zur stellen. R. Daneel Olivaw ist zumindest äußerlich ein erstaunlich menschenähnlicher Roboter, was Baley vor beträchtliche Probleme stellt. Roboter verdrängen mehr und mehr Menschen aus ihren Jobs, die sie besser und lohnfrei übernehmen. Das sorgt für Aufruhr, und womöglich ist es dieser Konflikt, der den aktuellen Mord verursachte.

Baley und Olivaw lernen einander kennen und schätzen, während sie sich an die Aufklärung des Verbrechens machen. Mensch und Roboter werden zu einem Team, was die tatsächlich im Hintergrund agierenden Verschwörer überrascht und sie veranlasst, die eifrigen, Fortschritte machenden, lästigen Schnüffler auszuschalten …

Mein Kumpel, der Roboter

Mancher Plot hat sich so tief in die Populär-Kultur eingegraben, dass die Nachgeborenen glauben, er habe schon immer existiert. Dazu gehört sicherlich die Idee, einen Mensch mit einem Roboter zusammenzuspannen und zu beobachten, was dann geschieht. Auslösendes Spannungsmoment ist einerseits die unterschiedliche ‚Weltsicht‘ von Mensch und Maschine. Hinzu kommt andererseits die Furcht des Menschen: Wie weit kann - oder darf - ihm die Maschine kommen? Zieht sie irgendwann an ihrem ‚Schöpfer‘ vorbei und verdrängt oder tilgt sie ihn gar aus, weil er aus ihrer emotionsfreien Sicht ineffizient und nutzlos ist?

Isaac Asimov (1920-1992) war nicht der Erste, der sich darüber Gedanken machte, als er den Roman „The Caves of Steel“ schrieb, der zunächst in drei Fortsetzungen im Magazin „Galaxy Science Fiction“ (Oktober bis Dezember 1953) erschien. Seine Geschichte erregte viel positives Aufsehen, was sich fortsetzte, als 1954 eine erste Buchveröffentlichung folgte. Seither wurde der Roman nicht nur in der angelsächsischen Welt stets neu aufgelegt (sowie 1957 mit „The Naked Sun/„Die nackte Sonne“ fortgesetzt). Zwar hat man ihn nur einmal und eher unauffällig verfilmt - 1964 von der britischen BBC im Rahmen der TV-Serie „Story Parade“, aber immerhin mit Peter Cushing (1913-1994) in der Rolle des Elijah Baley -, doch das Konzept hat sich rasanter vermehrt als jedes Karnickelpaar. Es stellt bis heute eine wesentliche Stütze für sämtliche unterhaltende Medien dar; es ist kein Problem, es mit Beispielen zu belegen, weshalb sich dieser Rezensent die Mühe spart.

Während der ‚späte‘ Isaac Asimov recht geschwätzig wurde, ist „Die Stahlhöhlen“ ein Musterbeispiel für erzählerische Ökonomie. Knapp 300 Seiten reichen dem Verfasser, um nicht nur eine spannende Geschichte zu erzählen, sondern diese in eine klug erdachte Zukunftswelt einzupassen. Der Mord an Dr. Sarton könnte in ‚unserer‘ Gegenwart nicht stattfinden. Asimov entwirft deshalb eine zukünftige Gesellschaftsordnung, die dies plausibel ändert.

Die Welt wieder einmal am Scheideweg

Der junge Asimov war nicht interessiert an den üblichen SF-Schauermärchen, in denen menschenfeindlich gestimmte Roboter ihre finstere Grundhaltung bereits durch Übergröße oder angeschraubte Stich- und Schneidewerkzeuge signalisierten sowie endlose Reden hielten, in denen sie haarklein beschrieben, wieso sie die Menschen verachteten und unterjochen/ausrotten würden. R. Daneel Olivaw ist so menschenähnlich, dass selbst Spezialisten ihn nicht als Maschine identifizieren können. Es entschärft den plumpen „Frankenstein“-Effekt und steigert doch das Konfliktpotenzial, denn Asimov beschreibt Asimov den modernen Roboter auch als ‚Geschöpf‘ hart an der Grenze zur künstlichen Intelligenz - scheinbar jedenfalls, denn er liefert den ‚Beweis‘, dass dieser Quantensprung sich nicht ereignen kann: Der Roboter wird dem Menschen aufgrund einprogrammierter Regeln - die Asimov 1942 selbst in der Story „Runaround“ (dt. „Herumtreiber“/„Runaround“) postulierte - niemals Schaden zufügen.

„Die Stahlhöhlen“ funktioniert als Geschichte auf mehreren Ebenen. So wird den Lesern - hier vertreten durch Elijah Baley - nach und nach klargemacht, dass der Roboter den Menschen nicht ersetzen soll, sondern ergänzen kann. Dass der Plan der „Spacer“, die Erdmenschen durch die Aushöhlung ihrer Gesellschaftsordnung zur Emigration auf ferne Planeten buchstäblich zu zwingen, eine Zwangsmaßnahme darstellt, wird von Asimov zwar angesprochen, aber als unerheblich im Zusammenhang einer dystopischen Entwicklung gewertet, die nicht nur für die Erdmenschen, sondern auch für die „Spacer“ in einer Sackgasse zu enden droht.

Hier findet sich auch jener Ansatz, der es Asimov Jahrzehnte später ermöglichte, seine frühen „Robotergeschichten“ und die beiden Romane um Elijah Baley und R. Daneel Olivaw mit der (allzu) vielbändigen „Foundation“-Saga zu verknüpfen, in der Jahrtausende später der ‚Neustart‘ geglückt ist und die Menschheit sich über die Galaxis ausgebreitet hat. Man muss Asimovs Argumentation weder folgen, noch sollte man sie überinterpretieren, zumal sie (aus heutiger Sicht) recht simpel formuliert ist und allzu reibungslos umgesetzt werden kann. „Die Stahlhöhlen“ ist zwar ein elementarer Klassiker der SF-Literatur, bleibt aber dennoch ein Garn, das der Unterhaltung dienen soll.

Vergangenheit als Ballast

Dies wird durch die offensichtlichen Schwächen des Romans unterstrichen. Asimov ist nicht für lebensnahe, dreidimensionale Figuren bekannt. Sicher ist es kein Zufall, dass ihm ausgerechnet R. Daneel Olivaw am besten gelang: Asimov war ein ausgebildeter und vielfach interessierter Naturwissenschaftler. Ansonsten saß er meist hinter der Schreibmaschine. Seine Figuren sind oft klischeelastig; sie sollen das Geschehen voranbringen. Asimov möchte Elijah Baley als potenziell ideenoffenen Mann schildern, der nicht nur in einem Mordfall ermittelt, sondern sich auch geistig fortentwickelt, indem er Vorurteile erkennt, überdenkt und überwindet.

Schon dies wirkt recht didaktisch, aber während der Dialog zwischen R. Daneel und Elijah Asimovs Botschaft trotzdem erfolgreich transportiert, bleibt Baley, der Privatmensch, als Vater und vor allem Ehemann blass. Der Sohn ist ein willensarmes Modell-Kid der 1950er US-Jahre, d. h. unterwürfig und jederzeit bereit, sich seinen Eltern widerspruchslos zu unterwerfen. Gattin Jessie ist sogar ein echtes Ärgernis, frei von Intelligenz oder Selbstbewusstsein, eingebildet,  schwatzhaft und dem immer wieder vorwurfsvoll in ihren engstirnigen Mikrokosmos zurückbeorderten „Lije“ ein Mühlstein um den Hals, den sie in der Krise dauergreinend nicht loslässt. Anders als Baley ist sie trotz ihrer Unzufriedenheit allzu fest in die verkrustete „Stahlhöhlen“-Gesellschaft integriert. Asimov beschreibt, wie Elijah einst um Jessie freite, doch was er an ihr findet, will sich den heutigen Lesern nicht erschließen. Jessies unkontrollierte Gefühlsausbrüche widersprechen außerdem dem betont sachlichen, geradezu lakonischen Tonfall der Gesamterzählung.

Wiederum punkten kann Asimov, wenn er Erdmensch und „Spacer“ gegenüberstellt. Die anfänglich klaren Grenzen beginnen sich zu verwischen, während wie vom Verfasser gewünscht die Erkenntnis aufkeimt, dass a) die „Spacer“ keine „Übermenschen“ sind, es b) zwischen ihnen und den Erdmenschen keine grundsätzlichen Unterschiede gibt und c) die beiden Gruppen nicht konkurrieren, sondern zusammenarbeiten müssen, um beider Zukunft zu sichern. In dieses Horn stößt Asimov auch final, wenn er endlich den Mord an Dr. Sarton auflöst: Erklärung und Konsequenzen untermauern elegant die Kernaussage des Romans und geben den Startschuss zum neuerlichen Aufbruch der nun bald geeinten Menschheit ins All.

Fazit:

Weit in der Zukunft muss sich der Mensch weiterhin mit bekannten Problemen auseinandersetzen. Im Rahmen eines Kriminalfalls schildert Autor Isaac Asimov interessant erdachte Veränderungen einer menschlichen Gesellschaft, die der Handlung ein Fundament geben. Handlung und visionäre Fiktion gehen eine harmonische Beziehung ein, während die Figurenzeichnung schwächelt. Dennoch ist „Die Stahlhöhlen“ zur Recht ein weiterhin lesenswerter Klassiker der SF-Literatur.

Die Stahlhöhlen (Roboter und Foundation - Der Zyklus 4)

Isaac Asimov, Heyne

Die Stahlhöhlen (Roboter und Foundation - Der Zyklus 4)

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