Conan von den Inseln
- Heyne
- Erschienen: Januar 1972
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Conan (meuchelt) in Amerika
Seit zwei Jahrzehnten herrscht Conan, der Barbar aus dem eisigen Cimmerien, streng, aber gerecht über das Königreich Aquilonien, dessen Krone er einst seinem wahnsinnigen Vorgänger vom Haupt riss. Der Alltag eines Herrschers, der die feindlichen Nachbarländer in die Knie gezwungen hat, ist für Conan längst zur Routine geworden. Seine geliebte Gattin ist gestorben, Sohn Conn steht bereit, um dem Vater auf den Thron zu folgen, wenn diesen das Alter (oder die Langeweile) einholen wird.
Doch das Schicksal meint es gut mit dem alternden Barbaren: Aquilonien und die benachbarten Königreiche werden von vampirischen Kreaturen heimgesucht, die ihren Opfern die Lebenskraft aussaugen und anschließend verschwinden. Der schon seit Äonen tote Weise Epemitreus ruft Conan ins Totenreich, um ihn dort mit dem Kampf gegen diese Plage zu beauftragen, die sich sonst über sämtliche Länder ausbreiten und alle Menschen ausrotten wird.
Conan verlässt freudig sein Königreich, um endlich wieder ein Abenteuer zu erleben! In der Piratenstadt Tortage heuert er eine Mannschaft unerschrockener Freibeuter an und setzt Kurs gen Westen. Jenseits des Ozeans liegt ein Kontinent, dem sieben Inseln vorgelagert sind. Sie gehören zum Reich Antilia, das vor Jahrtausenden von Überlebenden der versinkenden Insel Atlantis gegründet wurde.
An Bord des „Roten Löwen“ stoßen Conan und seine Mannschaft vor. Sie finden das Reich der Antilier, das sich als Hort uralter Magie und grausiger Opferpraktiken sowie Heimat hungriger Drachen und einer bösartigen Entität aus den Niederungen des Universums entpuppt …
Auch ein Conan wird alt
Lin Carter und Lyon Sprague de Camp, die ihn zu einem letzten großen Abenteuer auf- und ausbrechen lassen, sorgen natürlich vor: Auch der nunmehr über 60-jährige Conan ist trotz mehrfach beklagter Schwächen - so fällt ihm das stundenlange Metzeln gegen Feinde, Monster oder Ratten nicht mehr so leicht wie früher - ein in der eigenen, leicht angetrockneten Schale gereifter Gigant, dessen Gegner letztlich so tot wie immer vor ihm liegen.
Wieder einmal ist der Weg interessanter als das angestrebte Ziel. Conan, der als Sklave seine Odyssee durch seine Welt begann, hat es schließlich zum König gebracht. Da er keineswegs dumm ist, obwohl man ihn einen „Barbaren“ nennt, hat er die Macht halten können - kein Wunder, denn er ist kein Wahnsinniger wie sein Vorgänger und kein von Perversionen und Gier gesteuerter Gewaltherrscher, sondern ein König im Dienst seines Volkes.
Dennoch hat Conan die Nase voll: Einmal noch will er wie früher verpflichtungsfrei ein Abenteuer erleben! Bevor ihn das Alter fällt, gedenkt Conan im Kampf sterben. Eine vom Autorengespann Carter & de Camp recht willkürlich heraufbeschworene Attacke gewährt ihm den Ausstieg. Bereits bevor es ins Unbekannte geht, muss Conan diverse Schädel einschlagen, was ihn wie üblich aufleben lässt.
Die (Über-) Macht der Magie
„Sword & Sorcery“, also „Schwert und Magie“ bestimmen jene Fantasy, in der Conan daheim ist. Sie gilt als Schmuddelkind der Phantastik, weil sie rein bauchgesteuert ist und grobe Schaueffekte und Klischees in den Vordergrund stellt. Kritiker bemängeln vor allem die Anwesenheit von Magie, die gern als Hintertür genutzt bzw. missbraucht wird, um eine komplex gewordene Handlung buchstäblich übernatürlich aufzulösen.
Auch „Conan von den Inseln“ zeigt diese Schwäche, wenn man sie denn als solche werten möchte: Als selbst Conan die Situation über den Kopf wächst, weil ihm eine (von H. P. Lovecraft ‚inspirierte‘) kosmische Macht im Nacken sitzt, erinnert er sich an ein Amulett, dass ihm zuvor ein toter, aber deshalb nicht in seinem Tun eingeschränkter ‚guter‘ Zauberer zugesteckt hat. Als er die dem Talisman innewohnende Kraft weckt, findet der finale Endkampf ohne Conan, weil auf ‚göttlicher‘ Ebene, statt - in der Tat eine simple Lösung, die einen ausgetüftelten Plot umgeht und den Autoren ihren Job erleichtert.
L. Sprague de Camp bricht in seinem Vorwort eine Lanze für die Fantasy à la Conan. Er erinnert an die unverfälschte, quasi kindliche Freude an der rasanten, vordergründigen Action, die möglichst fern einer realen Alltagswelt liegt, die von Regeln, Rücksichten und Notwendigkeiten geprägt ist. Zumindest nach Feierabend sollte eine Flucht möglich sein; de Camp bricht eine Lanze für den verpönten „Eskapismus“, der hier die Leser der „Conan“-Fantasy angeblich blind für die Wirklichkeit werden lässt und sie in infantile Wunschwelten - hier diente leicht erkennbar das mittlere Amerika der Maya-Epoche als Vorbild - lockt, die zudem rassistisch, frauenfeindlich, anti-demokratisch und anderweitig ‚böse‘ sind …
Sieg des Bauches
So streng wurde bereits geurteilt, bevor die „Woke“-Welt erwachte. Wirklich erfolgreich war die Verdammnis nicht; womöglich wollten zu wenige Mitmenschen glauben, dass ausgerechnet Conan & Co. für die Verblendung und Verrohung der modernen Gesellschaft verantwortlich sind … Natürlich fehlt einem Roman wie „Conan von den Inseln“ jegliche inhaltliche oder formale Finesse - dies auch deshalb, weil wir es hier nicht einmal mit dem originalen Conan zu tun haben, wie ihn Robert E. Howard (1906-1936) schuf, sondern mit einem seiner trivialliterarischen Derivate.
In den 1950er Jahren sorgte der Erfolg des „Herrn der Ringe“ für eine Wiederkehr der epischen Fantasy, die auch das „Sword-&-Sorcery“-Subgenre erfasste. Conan kam aus der Versenkung und sorgte für so hohe Auflagen, dass die Verlage nach Nachschub riefen. Howards Nachlass wurde durchforstet, und siehe da, man fand Manuskripte und Fragmente, die man Autoren übergab, die daraus ‚neue‘ Conan-Storys fabrizierten. Dieses Verb ist durchaus angebracht: De Camp schildert in seinem Vorwort, wie er Howard-Fragmente ‚umarbeitete‘ und nun Conan als Protagonisten wüten ließ.
Hinzu kam der Drang, der Conan-Saga so etwas wie einen chronologischen Rahmen zu geben. Howard hatte dies ausdrücklich abgelehnt; er wollte Lücken in Conans Biografie, um dadurch den Legendenstatus der Figur zu unterstreichen, und war er in der Zeit vor- und zurückgesprungen. Dadurch hatte Howard eine „hyborische Welt“ charakterisiert, deren Details im Dunkel einer apokalyptischen Vorgeschichte verschwunden sind.
Conan im Dutzend
Zwischen 1967 und 1971 erweiterten L. S. de Camp (1907-2000) und Lin Carter (1930-1988) - ein wenig unterstützt von Björn Nyberg (1929-2004) - für den Verlag Lancer Howards Conan-Storys zu einer elfbändigen Serie, der 1977 noch ein zwölfter Band folgte. Dieses Dutzend wurde in den nächsten Jahrzehnten immer wieder aufgelegt, was sich nach den beiden „Conan“-Kinofilmen von 1982 und 1984 nicht nur fortsetzte, sondern auch eine Welle weiterer Romane in Gang setzte.
De Camp und Carter waren nach eigener Auskunft bemüht, mit ihren Pastiches möglichst eng am Original zu bleiben. Dies entpuppte sich später als Eigenlob bzw. der Werbung geschuldete Schutzbehauptung. Tatsächlich ‚bearbeiteten‘ sie auch vollständige Howard-Texte, um sie nahtlos in ein Gesamtwerk zu integrieren, das mehrheitlich auf ihrem Mist gewachsen war. Dass Howard sich auf einem ungleich höheren Niveau bewegt hatte, zeigte sich spätestens, als knapp siebzig Jahre nach seinem Tod die Conan-Storys sorgfältig ediert und möglichst originalgetreu erschienen.
Als pures, temporeiches Abenteuer, das sich um Logik oder Realitätsbezug nicht schert, kann aber auch „Conan von den Inseln“ unterhalten. Die ‚Originalität‘ beschränkt sich auf die Variation sattsam bekannter Klischees, und die Machart schimmert deutlich durch das Geschehen. Doch weder deshalb und erst recht nicht durch Bedenken, ob Conan ‚politisch korrekt‘ und deshalb für heutige Leser tragbar ist, sollte man sich den Spaß an solcher bunten Raubauz-Fantasy verderben lassen!
Fazit:
Spätes, nicht mehr von Robert E. Howard geschriebenes „Conan“-Abenteuer, das die vom dessen Schöpfer geprägten Elemente einer knallbunten „Sword-&-Sorcery“-Welt aufgreift bzw. geschickt genug kopiert, um ein turbulent voranstürmendes Fantasy-Abenteuer zu formen.
Lin Carter, L. Sprague de Camp, Heyne
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