Conan der Wanderer

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1971
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Conan der Wanderer
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Michael Drewniok
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2023

Plündern, Maiden retten, Monster töten: Barbarenalltag

Vier Episoden aus dem Leben des Barbaren Conan, der unstet durch seine vorzeitliche Welt zieht und es immer wieder mit Menschen und Monstren zu tun bekommt, gegen die er sich mit Gewalt und Geschick zur Wehr setzen muss:

- L. Sprague de Camp: Einleitung (Introduction; 1968), S. 11-15

- Lin Carter/L. Sprague de Camp: Im Land der Geister (Black Tears; 1968), 15-56: Südlich der turanischen Grenze in der Wüste gestrandet, findet Conan in der verfluchten Stadt Akhlat nur scheinbar Zuflucht: Hier herrscht eine Dämonin, deren Blick ihre Gegner grausam tötet.

- Robert E. Howard: Die Menschenfresser von Zamboula (Shadows in Zamboula; 1935), S. 57-104: Was er in Akhlat gewann, verprasst Conan in der Stadt Zamboula, wo er in eine Palastintrige verwickelt und von Kannibalen verfolgt wird.

- Robert E. Howard: Der eiserne Teufel (The Devil in Iron; 1934), S. 105-152: Conan, inzwischen Anführer einer Kozaki-Bande, wird von seinen Gegnern auf eine einsame Insel gelockt. Dort ist gerade eine Kreatur aus dem Abgrund von Zeit und Raum erwacht, die sämtliche Neuankömmlinge gleichermaßen mörderisch empfängt.

- L. Sprague de Camp/Robert E. Howard: Der Flammendolch (The Flame Knife; 1955), S. 153-271: Nachdem er den König von Iranistan beleidigt hat, zieht sich Söldner Conan ins Hinterland zurück. Dort stößt er auf eine Bergfestung, in der ein Magier die Unterwerfung der ganzen Welt plant.

„Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes …“

Der Barbar Conan sorgte Anfang der 1930er Jahren Robert E. Howards endgültigen Durchbruch als viel gelesener und gut bezahlter Unterhaltungsschriftsteller. Es ist einerseits müßig darüber zu sinnieren, wie weit er es gebracht hätte, wäre er nicht bereits 1936 gestorben. Andererseits kommt diese Frage quasi automatisch auf, wenn man die im hier vorgestellten Band gesammelten Storys gelesen und miteinander verglichen hat.

In den 1950er Jahren kehrte Conan erstmals zurück. Taschenbücher hatten die Magazine abgelöst, in denen die Geschichten ursprünglich erschienen waren. Nun nahm sich Lyon Sprague de Camp (1907-2000) ihrer an, brachte einige nur fragmentarisch überlieferte Conan-Exzerpte zu Ende und arbeitete andere Howard-Storys um; „Der Flammendolch“ ist eine dieser postumen ‚Kooperationen‘ mit Howard, wobei de Camp in seinem Vorwort keinen Hehl daraus macht, dass er ein Garn, das dieser für einem ganz anderen Helden geschrieben hatte, aufgegriffen, die Hauptfigur durch Conan ersetzt und ein übernatürliches Element hinzugefügt hat.

Anderthalb Jahrzehnte später verfasste de Camp zusammen mit Lin Carter (1930-1988) gänzlich neue Conan-Storys für ein Projekt des Verlags Lancer. Die aus Howards Feder geflossenen Episoden wurden chronologisch geordnet, die dazwischen klaffenden Lücken mit Inhalt gefüllt. Zwischen 1968 und 1977 ergab dies ein zwölfbändiges Gesamtwerk, das mehrfach neu aufgelegt wurde - natürlich erst recht, nachdem die „Conan“-Filme von 1982 und 1984 mit Arnold Schwarzenegger in der Titelrolle den angejahrten Barbaren nicht nur auf neue Erfolgsgipfel geführt, sondern ihn auch in ein Franchise eingebunden hatte.

Ein Leben als Schlag-zu-Spektakel?

Die Kritik urteilte nicht freundlich über das „Lancer“-Projekt. Dabei stand nicht im Vordergrund, dass Howard ausdrücklich jede Conan-Chronologie gemieden hatte, um den Eindruck zufällig überlieferter Fragmente aus einer chaotischen und in Vergessenheit geratenen Urzeit zu unterstreichen. Stattdessen stand die qualitative Differenz zwischen alten und neuen Storys zur Debatte.

Auch der vorliegende Band beweist (unfreiwillig, aber) eindrucksvoll, dass Robert E. Howard kein ‚geschliffener‘ Schriftsteller, jedoch ein geborener Erzähler war. Seine beiden Erzählungen übertreffen die ihrer Epigonen bei weitem. De Camp und Carter griffen auf die Bausteine des Conan-Universums zurück, das sie aufgeschlüsselt und sich angeeignet hatten. Der Unterschied dürfte darin liegen, dass Howard diese Welt erschuf. Dabei konnte er völlig frei sein, während de Camp und Carter (sowie viele weitere Autoren, die Conan-Abenteuer schrieben) meinten, möglichst nahe an Howards Vorgaben bleiben zu müssen.

Hinzu kommt, dass eine Erzählung wie „Im Land der Geister“ nicht wirklich gut i. S. von spannend oder überraschend ist. Das Autorenduo gibt sich mit dem Plot und besonders mit der Figur der Dämonin keine besondere Mühe. Auch Howard plünderte die Sagen und Mythen der Weltgeschichte, doch er war wesentlich geschickter darin, die ‚entliehenen‘ Wesen und Monster plausibel als Bewohner jener Welt darzustellen, durch die Conan wandert.

Schwung und Stimmung

„Der Flammendolch“ atmet durchaus jene Wucht, die Howard seinen Geschichten eintreiben konnte. Erst dass de Camp sie ‚conanisierte‘, hat ihr geschadet. Während Howard eine spannende Geschichte über den Sturm auf eine eigentlich unbezwingbare Festung erzählte, meinte de Camp unbedingt Monster einführen zu müssen. Da die Vorlage dafür keinen Ansatz bot, bemerkt man als Leser sofort den Bruch, denn das Auftauchen der Untiere fügt sich einfach nicht sinnvoll zur bisher erzählten Geschichte.

„Die Menschenfresser von Zamboula“ und „Der eiserne Teufel“ zeigen den ‚wahren‘ Conan. Er hat im Laufe der Zeit viel Ablehnung erfahren, wurde - wie auch Howard selbst - seitens der Kritik als hirnloser Schlagetot, faschistoider ‚Übermensch‘, Rassist und Frauenverächter abgetan. Doch schnell wird klar, dass dieses ‚politisch korrekte‘ Urteil zu kurz greift, obwohl sich (zeitgenössische) Vorurteile manifestieren: Howard war kein gebildeter Mann, und er lebte in einem Umfeld, in dem Weltläufigkeit eher nicht auftrat. Also sind ‚seine‘ Frauen - wie im Hollywood-Kino oder in den Comics -  ‚Mädchen‘, die sich hübsch und möglichst unbekleidet an Conan, den Retter, schmiegen, und ‚seine‘ Schwarzen - in dieser deutschen Ausgabe noch mit oft mit dem inzwischen verpönten „N-Wort“ bezeichnet - tückische Menschenfresser, die auf nächtlichen Straßen Menschen jagen; ein bizarres Szenario, das Howard stimmungsvoll einsetzt. Die Eindimensionalität der Handlung bricht er auf, indem er Conan zeitgleich in ein Komplott verwickelt. Dabei stellt sich heraus, dass Kannibalen und Politiker gleichermaßen Schurken sind - eine ironische Wendung, die Howard auf die Spitze treibt, indem er Conan nicht wie erwartet für Gerechtigkeit sorgen lässt.

„Der eiserne Teufel“ ist eine simple, aber gut umgesetzte Schauermär, in der Conan spät auftritt. Erst einmal beschreibt Howard, wie Feinde dem Barbaren eine Falle stellen. Doch der Zufall - den Howard geschickt für sein Werk zu nutzen wusste - lässt dort ein unheimliches Wesen auferstehen: Der Autor kümmert sich nicht um die unglaubwürdige Koinzidenz, sondern lässt seine Feder fliegen. Die Handlung ist nicht originell, doch Howard sorgt für Intensität. Das Monster stammt offensichtlich aus jener Kosmologie, die H. P. Lovecraft (1890-1937) für seinen Cthulhu-Mythos schuf. Er und Howard waren Brieffreunde, die sich gern aus den Werken des ‚Kollegen‘ bedienten. Conan überlebt, weil er über „barbarische“ Fähigkeiten verfügt, die Howard bündig mit dem Geschehen abstimmt und dadurch die Kraft seines Conan-Universums unterstreicht.

Fazit:

Vier Storys schildern Abenteuer des Barbaren Conan, der in einer von Magie und Spuk heimgesuchten Vorzeit über eine Erde stapft, die ein trivialisiertes Spiegelwelt echter Mythen und Legenden ist. Dabei sind die Howards Erzählungen eindeutig hochklassiger als die eher mechanisch nachgeahmten Pastiches.

Conan der Wanderer

Lin Carter, Robert E. Howard, L. Sprague de Camp, Heyne

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