Die Zweite Legion
- Piper
- Erschienen: Januar 2007
- 3
Neues vom Shooting-Star der Fantasy
Richard Schwartz explodierte im Herbst letzten Jahres regelrecht auf der deutschsprachigen Fantasy-Bühne. Sein Erstling faszinierte Fans wie Verlagsobere, da vergrub sich ein erfahrener Rollenspieler ein paar Tage lang in der häuslichen Kemenate (vgl. Interview) und legte dann einen atmosphärisch ungeheuer dichten Roman vor, der mit der Erwartungshaltung seiner Leser spielte, dem es scheinbar mühelos gelang, seine Leser an die Seiten zu bannen, in denen Rollenspiel-Szenarien auf den Kopf gestellt wurden und der schlichtweg zu dem Spannendsten zählt was die deutschsprachige Fantasy in Nachfolge des »Herrn der Ringe« bislang hervorgebracht hat. Doch würde es dem Autor gelingen, das hohe Niveau und das Tempo seines Debuts beizubehalten? Mit Spannung ging ich daher an die Lektüre der »Zweiten Legion«.
Eine Reise ins Unbekannte beginnt
Im ersten Teil der Saga lernten wir unsere zusammengewürfelte Gruppe Abenteurer kennen. Der Krieger Havald mit dem magischen Schwert Seelenreisser hatte sich in den abgelegen im Hochgebirge situierten Gasthof »Zum Hammerkopf« zurückgezogen, um endlich von seinem verfluchten Dasein Abschied zu nehmen. Wie war er es leid, Freunde und Gefährten in den Tod zu führen, selbst aber, aufgrund der magischen Gaben seines Schwertes, dass den Opfern neben dem Blut auch ihre Lebenskraft stahl und auf Harvald transferierte, zu überleben. Doch dann traf er auf Nekromanten, einen Maestro der Magie, und auf Leandra, die Liebe seines Lebens. Man sollte nicht meinen, was eine bezaubernde Frau, noch dazu eine rätselhafte Halbelfe aus einem müden alten Krieger so alles herauszukitzeln vermag. Dazu gesellten sich ein vermeintlicher Räuberbaron, eine Attentäterin, eine Dunkelelfe, die Wirtshaustochter, die den Geist einer Soldatin des legendären zweiten Bullen des untergegangenen Reiches von Askir beherbergt und ein recht wehrfähiger Priester. Nachdem der Magier besiegt, die Bösen getötet und der Frieden wiederhergestellt sind, könnten alle eigentlich ihres Weges gehen, doch da haben Fans und Verlag - na gut, der Autor hatte auch ein Wörtchen dazu beizutragen - gemeutert, schliesslich wollen sie wissen, was aus dem Reich Askir, dessen Herrscher von Jahrhunderten den Krone niederlegte und verschwand, geworden war. Und auch Leandras Suche nach Hilfe gegen die die Länder bedrohenden Horden eines Usurpators war noch nicht abgeschlossen.
So machen sich unsere Helden auf, das Land Askir zu besuchen, und den zweiten Bullen wiederauferstehen zu lassen. Doch vor der noch in den Sternen stehenden Hilfe hat einer der Götter und Richard Schwartz zunächst einmal die eingefrorene Donnerfeste, Tiefenkrabbler, Drachen und Nachtspinnen, das Wirken alter Götter und junger Sklavenhändler und eine Erblindung unseres Protagonisten gesetzt. Wem das noch nicht genug ist, der sei beruhigt, des gibt jede Menge Kämpfe, Zauber und Rätsel - inklusive einer Auseinandersetzung mit der Gilde der Diebe in einer farbenprächtigen orientalischen Kulisse - zu bestehen, und eine Ende ist auch nach über 400 Seiten nicht absehbar ...
Lesefutter satt
Richard Schwartz ist ganz offensichtlich kein Freund dünner Bücher. Vorliegender Roman, der mitten in der Handlung einfach abbricht - eine Unverschämtheit, uns so auf die Folter zu spannen, ich werde eine Nachtelfe mit meiner Rache beauftragen, Herr Schwartz - macht uns den Mund wässrig, lässt uns aber auf das Finale warten.
Schwartz setzt andere Schwerpunkte
Beginnen wir am Anfang; - beschränkte der Autor sich in seinem Debut auf eine sehr limitierte Umgebung, in der er seine Personen handeln und interagieren liess, in der er Protagonisten immer wieder drehte, ohne dass er den Ort des Geschehens, den Gasthof gross verlassen musste, so schöpft er diesmal aus dem Füllhorn einschlägiger High-Fantasy Werke. Das erinnert in Details an einen Raymond Feist zu seinen besseren Zeiten, dann wieder an den frühen Eddings oder Dave Duncan, ohne dass der Text aber Originalität oder Überraschungsmomente missen liess.
Die Gruppe unserer Helden ist gesetzt, jetzt geht es daran, neue Bedrohungen und Rätsel aufzubauen, eine Queste zu begründen und dem Leser mehr von der Welt zu präsentieren. Es beginnt also die übliche Reise durch die Welt, wobei der Autor den Spagat dem Leser zu geben, was er gewohnt ist, und dennoch neue Aspekte und Überraschungen auf für erfahrene Fantasy-Freunde bereit zu halten, gut meistert.
Ehrfurcht vor der Passfeste
Zunächst geht es durch ein gigantisches Höhlensystem zur seit Jahrhunderten verlassenen Gebirgsfeste. Hier gelingt es Schwartz, gerade die im ewigen Eis gefangene Donnerfeste atmosphärisch sehr anschaulich zu beschreiben. Man erstarrt förmlich in Ehrfurcht vor dem imposanten Bauwerk, rätselt mit, warum dieses von seiner schlagkräftigen Besatzung verlassen wurde, was zum Untergang der unschlagbaren militärischen Übermacht geführt haben mag. Sie finden als Abkürzung für die sonst Monate dauernde Reise einen magischen Weg, der sie auf der Stelle in eine der sieben Provinzen des alten Reiches versetzt. Auf diese Weise umgeht der Autor Ermüdungserscheinungen seiner Leser und lässt sich für weitere Romane weisse Flecken auf seiner Landkarte.
Daran schliesst sich eine geschickte Mischung auf den ersten Blick gewohnter Versatzstücke erfolgreicher Fantasy-Abenteuer an.
Gewohnte Szenarien einmal ein wenig anders
Die verlassene, seit Jahrzehnten zerstörte Herberge im Nirgendwo, in der unsere Helden ankommen, die Karawanserei, die sich als Falle entpuppt, die Rettung eines später sicherlich wichtigen Säuglings, die farbenprächtige, orientalische Metropole - komplett mit Eunuchen und Sklaven versteht sich - und die unvermeidliche Auseinandersetzung mit dem im Untergrund der Stadt residierenden König der Diebe, das sind keine ganz neuen Einfälle. Dennoch gelingt es Schwartz ein ums andere Mal, jedem dieser Versatzstücke ein unerwartetes Element beizufügen, selbst erfahrene Fantasy-Vielleser zu überraschen.
Ist es so einfach?
Da wundert es um so mehr, dass er das Geheimnis um den verschollenen Herrscher Askirs scheinbar offensichtlich für Jeden erkennbar andeutet. So wie ich Richard Schwartz kennen und schätzen gelernt habe, kann ich mir aber sehr gut vorstellen, dass er seine Leser auch diesmal aufs Glatteis führt, mit einem vergnüglichen Schmunzeln im Gesicht bei der unerwarteten Auflösung, dann lapidar und trocken meint, dass man es sich nicht zu einfach machen soll, dass es doch aus diesem oder jenem Grund gar nicht so gewesen sein kann wie vermutet.
Die Zeit der Lektüre vergeht wie im Fluge, die auftretenden Personen sind markant, zumeist aber schon aus »Das erste Horn« bekannt und dort ausgiebig portraitiert. Bislang vermisse ich noch den grossen Widersacher, den intelligenten Gegenspieler unserer wackeren, einander nicht immer grünen Heldentruppe, obwohl sich hier ein adäquater Antagonist bereits schemenhaft abzuzeichnen beginnt. Die Handlung bietet sich diesmal deutlich Actionreicher an, als im ersten Teil. Dies geht ein wenig zulasten der vielbeschwornen Atmosphäre, erhöht aber das Tempo und verwöhnt mit rasanten Abenteuer, Kämpfen und göttlichen Wundern - was wollen wir mehr, ausser dass ebendiese Götter dafür sorgen, dass der dritte Teil nicht allzu lange auf sich warten lässt.
Richard Schwartz, Piper
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