Alien Earth - Phase 1
- Heyne
- Erschienen: Januar 2007
- 3
Invasoren oder Freunde?
2058: Ein Raumschiff passiert den Mars, erreicht sechs Wochen später die Erde und bezieht Position über dem Südpazifik. Und dann…geschieht nichts.
Jeder Versuch mit den Fremden Kontakt aufzunehmen scheitert. Die Regierungen der Erde können über die Absichten der Aliens lediglich spekulieren. Kommen sie als Freunde oder Invasoren? Sind sie Gestrandete, gefangen im Orbit einer fremden Welt? Eine Menge Fragen, keine Antworten. Diese Ungewissheit zerrt an den Nerven und der psychische Druck verändert die Menschen. Kollektive Hysterie bricht aus. Die Regierungen der Erde sind der Überzeugung, dass die Aliens langsam von den Menschen Besitz ergreifen, indem sie sich in ihnen manifestieren.
Eine Alien-Behörde wird gegründet. Dieser untersteht das Alien-Hunter-Korps, eine Eliteeinheit, die Jagd auf vermeintliche Aliens macht. Hunderttausende Menschen verschwinden in Lagern. Unschuldig, zu Unrecht als Alien beschuldigt. Die Wirtschaft bricht immer mehr zusammen. Ressourcen werden knapp. Alles wird rationiert, und die Menschen leiden. Das Chaos ist perfekt. Während die Menschen sich immer mehr in ihrer Hysterie verlieren, verändert sich das Raumschiff der Aliens. Es wird größer, wächst und lässt in unregelmäßigen Abständen mysteriöse Artefakte in den Pazifik stürzen. Was steckt dahinter? Eine Botschaft, ein Angriff oder nur Entsorgung von Müll? Es scheint Menschen zu geben, die Antworten auf diese Fragen haben. Die Regierungen der Erde ahnen nicht, dass der Countdown zum großen Show-down schon längst angelaufen ist.
Anfangsschwierigkeiten
Alles schon mal dagewesen? Irgendwie schon. Invasoren aus dem All, die Anspruch auf unsere gute alte Erde erheben, kennt man zu Genüge. Unterschiede gibt es lediglich in deren Vorgehensweise. Die einen wollen uns unauffällig infiltrieren, andere wiederum suchen die direkte Konfrontation, um uns den Garaus zu machen. Langsam nerven die Brüder, denkt man. Okay, begegnen wir dem ganzen einfach mit einigen heroischen Gestalten und ehe man sich versieht, suchen die Aliens mit eingezogenem Schwanz das Weite. Ende. Wirklich aufregend ist das nicht mehr. Beschert uns der Autor mit vorliegendem Roman ein ähnliches Szenario? Diese Vermutung liegt nahe, nachdem man die ersten Seiten des Romans gelesen hat. Zwei Alien-Hunter liegen auf der Lauer, um mutmaßliche Invasoren zur Strecke zu bringen. Die Zeit bis zum Zugriff vertreiben sie sich mit trivialen, albernen Dialogen, die alles andere als glaubwürdig sind. Der Alien-Hunter Paul schießt dabei eindeutig den Vogel ab.
Der Schreibstil des Autors erreicht zu diesem Zeitpunkt gerade mal Heftroman-Niveau. Spannung will keine aufkommen und man ist schon jetzt geneigt, den Versuch des Autors, eine ansprechende Trilogie zu starten, als gescheitert zu betrachten. Da fragt man sich zwangsläufig, ob man weiterlesen soll. Nach knapp hundert Seiten beantwortet sich diese Frage allerdings von selbst. Definitiv Ja! Weiterlesen. Die Story kommt in Fahrt, die Spannung steigt rapide, und die Hauptcharaktere wirken mit einem mal lebendig, sympathisch und dadurch glaubwürdig. Die Ereignisse überschlagen sich, überraschende Wendungen sorgen für Spannung und langatmige Passagen gehören der Vergangenheit an. Die Dialoge werden anspruchsvoller und die Protagonisten wachsen einem richtig ans Herz. Jetzt weiß man, dass es sich hier um einen richtig guten Roman handelt. Der Autor hat früh genug die Kurve gekriegt.
Ruf mich an, Denunziant
Keine rosige Zukunft, die Frank Borsch uns da präsentiert. Düster, kalt, schmutzig und pessimistisch. Ohne Hoffnung. Ein Hauch von Cyberpunk. Sarkastisch und manchmal zynisch, ist seine Kritik an unserer Gesellschaft. Dabei trifft es die Deutschen besonders hart.
Die Kreuzung von menschlichem und tierischem Erbgut ist mittlerweile legal. Sogenannte GenMods werden nach Wunsch herangezüchtet. Sehr beliebt sind Kreuzungen aus Katze und Mensch. Ist man ihrer überdrüssig, werden sie einfach entsorgt. Gescheiterte Existenzen, Kriminelle und Arbeitslose bringt der Autor auf einen einzigen Nenner. Überschussmenschen. Von der Gesellschaft ausgestoßen auf Grund mangelnder Produktivität werden diese in Züge gestopft, hin und her geschoben von einem Bahnhof zum nächsten, in der Hoffnung, dass möglichst viele von ihnen dabei wegsterben. Sie werden zu Bahnnomaden ohne Hoffnung auf Rehabilitation. Die Bahnbeamten reduziert der Autor auf sadistische Kleingeister, die lediglich noch als Kontrollorgan fungieren. Das ist so richtig boshaft und geht unter die Haut.
Neid, Missgunst, Angst und Hysterie prägen den gutbürgerlichen Teil der Gesellschaft. Allgemeines Misstrauen führt zum gegenseitigen Denunzieren. Praktisch, will man sich seiner ungeliebten Nachbarn oder der nörgelnden Eltern entledigen. Der Rest ist dann Sache der Alien-Hunter, die auch mal zuerst schießen, bevor sie Fragen stellen. Die Regierung und das Ministerium sind zudem von Korruption zerfressen und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Werden da etwa Erinnerungen wach? Achtung, wenn das nächste Mal jemand an ihre Tür klopft. Er könnte sie fragen: ";Sind Sie ein Alien?";
Alien-Hysterie
Wir benötigen keine Aliens um unsere Erde zu zerstören, das übernehmen wir schon selbst. Dies könnte man auch als Kernaussage des Autors interpretieren. Frank Borsch gelingt es nach anfänglichen Schwierigkeiten, ein glaubwürdiges und vorstellbares Szenario zu gestalten, so dass es einem Angst und Bange werden kann. Seine Protagonisten sind überzeugend, wenn auch manchmal in ihren Bemerkungen und in ihrer Art etwas klischeebehaftet. Besonders ans Herz wachsen dürfte dem Leser der Bahnnomade ";Wieselflink";, der vielleicht glaubwürdigste Hauptcharakter.
Deutschland dient als Hintergrund der Alien-Hysterie, stellvertretend für die übrige Welt. Die Handlung könnte aber auch in jeder anderen Stadt der Welt spielen, da der Autor (bewusst?) auf landestypische Klischees verzichtet. Drei verschiedene Handlungsstränge und drei Protagonisten, die als Hauptfiguren unabhängig voneinander agieren. 39 relativ kurze Kapitel, wobei jedem Handlungsstrang 13 Kapitel gewidmet sind. Ein ständiger Wechsel zwischen den Schauplätzen sorgt für Tempo und Abwechslung. Raffiniert, wie der Autor auf diese Weise den Spannungsbogen ansteigen lässt. Stilistisch einwandfrei.
Am Ende bleiben viele Fragen offen, was für den ersten Band einer Trilogie jedoch nicht ungewöhnlich ist. Das gibt Raum für Spekulationen und die Zeit bis zur ersehnten Fortsetzung lässt sich so angenehm überbrücken. Frank Borsch dürfte damit sein vielleicht wichtigstes Vorhaben gelingen. Ein Finale, das nicht frustriert, sondern den Leser neugierig macht. Es könnte eine neue Fan-Gemeinde entstehen, die diesem wertvollen Beitrag deutscher Science Fiction zu einem Kultstatus verhelfen könnte.
Fazit
Der Schritt vom Heftroman zum Taschenbuch. Frank Borsch schafft ihn. Kompliment. Mit Alien-Earth wiederlegt er alle Skeptiker, die der Meinung sind, deutsche Science Fiction könne international nicht mithalten. Sicher, perfekt ist das ganze noch nicht. Es gibt einige Ecken und Kanten, aber der Autor hat ja noch reichlich Zeit, daran zu feilen. 1500 Seiten sind angeblich für die Trilogie geplant. Wenn es Frank Borsch gelingt, das Niveau zu halten, den Spannungsbogen noch zu erhöhen und er nicht zu sehr ins Spirituelle und Fantastische abdriftet, dann wird am Ende eine Trilogie dabei herauskommen, die ihren festen Platz in der Science Fiction finden wird. Der Autor hat die Chance, auch international einer der ganz Großen zu werden. Eine Chance, die nicht vielen Heft-Roman Autoren vergönnt ist. Mit Frank Borsch hat die deutsche Science Fiction jedenfalls ein sehr heißes Eisen im Feuer.
Frank Borsch, Heyne
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