Die Eissegler von Tran-Ky-Ky
- Heyne
- Erschienen: Januar 1978
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Schiffbrüchig zwischen Eis und Alien-Feuer
Vom Regen in die Traufe gerät Ethan Frome Fortune, Vertreter für Luxusgüter und Passagier des Raumschiffs "Antares" auf einer Verkaufstour durch die Randgebiete des "Homanx Commonwealth", jenes Planetenbundes, der einen großen Teil der bekannten Galaxis umfasst. Noch vor der Landung auf dem Eisplaneten Tran-ky-ky wird er unfreiwilliger Zeuge der Entführung des Industriemagnaten Hellespont du Kane, den Gangster zusammen mit seiner Tochter Colette verschleppen wollen. Sie nehmen Fortune und den ebenfalls in die Szene gestolperten Lehrer Milliken Williams mit in ein Rettungsboot der "Antares". Dort unbemerkt an Bord ist der Abenteurer Skua September, der seinen Rausch ausschläft.
Das Boot gerät in Raumnot und stürzt weitab von Brass Monkey, dem einzigen menschlichen Stützpunkt, auf Tran-ky-ky, ab. An Rettung ist nicht zu denken, die Überlebenden, zu denen sich der einzig überlebende Entführer Walther gesellt, denken über einen Marsch in Richtung Zivilisation nach, der angesichts der erbarmungslosen Kälte und der hungrigen Tierwelt wenig hoffnungsvoll erscheint.
Doch der Absturz blieb nicht unbemerkt. Auf dem Eisplaneten ansässige Tran nehmen die Schiffbrüchigen mit in ihre Stadt Wannome mit. Die katzenähnlichen Wesen befinden sich auf einer Entwicklungsstufe, die etwa der irdischen Eisenzeit entspricht. Ihre ‚Gäste' könnten die Tran nach Brass Monkey bringen. In Sir Hunnar Rotbart finden die Menschen sogar rasch einen Verbündeten und Freund. Doch in Wannome tobt ein interner Machtkampf. Darüber hinaus wird die Stadt von der schrecklichen "Horde" bedroht, welche die Stadt erobern und ausplündern will. Die Menschen müssen ihren Rettern mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit diese ihnen später helfen - wenn es denn ein Später gibt ...
Zeitloser SF-Abenteuer-Spaß
Die Eissegler von Tran-ky-ky gehört zu den seltenen Glücksfällen der populären Literatur: Primär geschrieben, um möglichst viele Leser (= Käufer) zu finden, gelang Alan Dean Foster ein rundum gelungenes Lektürevergnügen, das nicht einmal vorgibt, mehr als purer Spaß zu sein, und diesen selbst gestellten Auftrag glanzvoll erfüllt. Dabei basiert Die Eissegler von Tran-ky-ky auf einem der simpelsten Plots überhaupt: Eine Gruppe körperlich und charakterlich möglichst unterschiedlicher Menschen strandet ohne Hilfsmittel auf einem fernen Planeten. Die Story besteht in ihrem Versuch, von Punkt A - dem Ort des Aufpralls - zu Punkt B - die rettende Station - zu kommen. Bis dies gelingt - und dass es gelingt, steht nie außer Frage -, muss der Autor eine Reihe abenteuerlicher Zwischenfälle inszenieren. So erzählt sich die Geschichte praktisch selbst.
Foster weicht glücklicherweise von diesem Konzept nicht ab, indem er sich beispielsweise in Nebenhandlungen verheddert, die nur Seiten schinden und zum eigentlichen Geschehen nichts beitragen. Er füllt sein Garn mit Leben, Die Eissegler von Tran-ky-ky bleibt auf Kurs und liefert durchweg flotte Action, die ein SF-Autor des 21. Jahrhunderts vermutlich auf das Dreifache auswalzen würde. (Leider ist Foster selbst dieser Versuchung später erlegen, wie wir weiter unten noch erfahren werden.)
Nicht von ungefähr gleicht Die Eissegler von Tran-ky-ky einem der zeitgenössischen Film-Blockbuster: "Krieg der Sterne" brach 1977 alle Rekorde. Foster leistete seinen Beitrag; er war es, der das Buch zum Film schrieb, welches George Lucas dann verkaufsförderlich als sein Eigenwerk ausgab. Der "Ghostwriter" lernte gut und entschlackte Die Eissegler von Tran-ky-ky von allem pseudophilosophischen und pidginreligiösen Brimborium, welches das "Star- Wars"-Vergnügen ebenso unnötig wie nachhaltig trübt.
Der Mensch bleibt Mensch - der Außerirdische auch
Da Foster davon ausgeht, dass sich der Mensch der Zukunft vom rezenten Zeitgenossen nicht wirklich unterscheidet, spart er eine "ethische Evolution" vollständig aus. Gier, Abenteuerlust, Mut und Dummheit - die typisch menschlichen Gefühle und daraus resultierenden Verhalten kommen auch in einem Umfeld moderner Weltraum-Hightech ungefiltert zum Tragen. Ohnehin scheint sich gesellschaftlich wenig getan zu haben; die altbekannte Ordnung hat sich über ganze Planetensysteme ausgebreitet, ohne sich in der Struktur - oben: wenige mächtige, galaktisch reiche Konzerne; unten: die arm gehaltene, im Aufstieg möglichst behinderte, nach Kräften ausgebeutete Masse; dazwischen: abwechselnd rat- oder hilflose bzw. gleichgültige Regierungen - verändert zu haben.
Also gibt es in dieser weniger glorreichen als ziemlich alltäglichen Zukunft immer noch Vertreter & Schullehrer, Monumentalkapitalisten & hochnäsigen Töchter, Abenteurer & Gangster. Auf dass es nicht schwerfalle, sich sofort in Fosters "Homanx Commonwealth" heimisch zu fühlen, prägt der Verfasser die genannten Emotionen und Intentionen auch den auftretenden Außerirdischen auf. Bei näherer Betrachtung gibt es erstaunlich wenig echte Verständnisprobleme zwischen Tran und Menschen. Als üblichen "deus ex machina" bringt Foster den Sprachkurs ins Spiel, der direkt ins Hirn überspielt werden kann. Aber auch sonst ist die Welt der Tran ziemlich deckungsgleich einer Wildwest-Frontierstadt des 19. Jahrhunderts, wobei der Tran-Gesellschaft gewisse Züge des europäischen Feudalismus' - jedoch auf US-Verständnis heruntergebrochen - beigemischt werden.
Großer Schwung und hübsche Details
Kein Wunder, dass sich die menschlichen Gäste problemlos ins Getümmel mischen können. Was an Unterschieden bleibt, nivelliert die gemeinsame Liebe zum Geld:
"Vielleicht gab es irgendwo in der Galaxis eine Rasse von Philosophen mit langen Bärten, die materiellen Reichtum ablehnten. Bis jetzt hatte man sie freilich noch nicht entdeckt." (S. 93)
Mit solcher (US-amerikanischer) Hemdsärmeligkeit schreibt man keine visionäre Science Fiction, deren Autoren die Literaturkritik Kränze flicht.
Ungeachtet aller Simplifizierungen gelingen Foster freilich immer einprägsame Figuren, die er zum Teil ordentlich gegen den Strich bürstet: Die weibliche Heldin ist keine wunderschöne Prinzessin, die es aus der Not zu retten gilt, sondern eine feiste, bärbeißige Frau, die durchaus selbst mit Hand anlegt, wenn es nötig wird.
Auch sonst fallen Foster immer wieder charakterliche oder physische Eigenheiten ein, die aus einer Romanperson eine Persönlichkeit machen. Die Tran mögen insgesamt wie schlittschuhfahrende Wikingerkatzen wirken. Doch immer wieder stoßen wir auf hübsche Einfälle wie diesen:
"Dann entdecke er [Fortune] einen kleinen, sorgfältig gearbeiteten Schleifstein. Er war in der Nähe des Fußendes seines Bettes angebracht und ließ sich mit dem Fuß bedienen. Einen Augenblick lang wußte er nichts damit anzufangen ... Doch dann erkannte er, dass er dazu diente, die Chiv [= die natürlichen Eiskrallen der Tran] nachzuschleifen." (S. 118)
Nie ist das Fremde verständlicher als in seiner Alltäglichkeit. Foster beherrscht diesen Kunstgriff und setzt ihn als versierter Geschichtenerzähler gern ein.
Exkurs: Die eisenharte Gültigkeit der Regel vom getretenen Quark
Leider ist Foster nicht nur ein schneller, sondern wie seine Figuren sehr konsumorientierter Schriftsteller. Das große Abenteuer der auf Tran-ky-ky verschlagenen Schiffbrüchigen bringt er in Die Eissegler von Tran-ky-ky logisch und zufriedenstellend zum Abschluss. Der Erfolg dieses Romans ließ die Fans energisch eine Fortsetzung fordern. Foster musste nicht lange gebeten, sondern gut bezahlt werden. Dennoch dauerte es fünf Jahre, bis er mit "Mission to Moulokin" (dt. Die Moulokin-Mission) abermals auf den Eisplaneten zurückkehrte.
Es waren wohl eher seine vielen Filmbuchaufträge als das Grübeln über eine zündende Idee, die Foster Tran-ky-ky so lange ferngehalten hatten. Der Zauber des ersten Bandes wollte sich jedenfalls nicht mehr einstellen, was auch an der deutlich erzwungenen, wenig überzeugenden Verknüpfung zur Vorgeschichte lag.
Dennoch lohnte es sich für Foster, die Tran-ky-ky-Story zur Trilogie auszuwalzen, was 1987 mit "The Deluge Drivers" (dt. Die Fahrt der Slanderscree) geschah, einem trotz Tempos müden Aufguss des bekannten Plots, kreuz und quer über Tran-ky-kys Eisozeane zu rasen und allerhand Abenteuer zu erleben. Seither herrscht Ruhe, was bei einem ökonomisch arbeitenden Verfasser wie Alan Dean Foster jedoch nur wenig bedeutet.
Alan Dean Foster, Heyne
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