Das Schlangenschwert
- Beltz und Gelberg
- Erschienen: Januar 2007
- 9
Eine Waffe - halb Maschine, halb Tier
";Es ist mächtig. Es ist halb Ding, halb Tier. Es ist für immer eins mit dir."; Mit diesen Worten wirbt der Beltz & Gelberg Verlag für ";Das Schlangenschwert";, das neueste ins Deutsche übersetzte Werk des russischen Star-Autors Sergej Lukianenko, das bereits im Jahr 2000 in Russland erschien. Der bereits mit diversen Preisen ausgezeichnete Lukianenko versucht sich hier an einem Science-Fiction-Roman für Jugendliche - und dieser Versuch ist ihm mehr als gelungen.
Knallharte Realität
";Es war der Tag, an dem sich meine Eltern für den Tod entschieden.
Das Sterberecht wird ihnen durch unsere Verfassung garantiert.";
So beginnt die Geschichte des 13jährigen Tikkirej, der auf dem Planeten Karijer lebt, einem strahlenverseuchten, lieblosen Ort. Die Menschen leben unter einer riesigen Kuppel - zumindest die, die es sich leisten können, denn für das Atmen und das Leben in der Sicherheit der Kuppel müssen hohe Sozialabgaben gezahlt werden. Als Tikkirejs Eltern beide ihren Job verlieren, rechnen sie damit aus der Kuppel verbannt zu werden - außerhalb kann man aufgrund der hohen atomaren Verseuchung, die durch den Abbau radioaktiven Materials zustande kommt, nur wenige Jahre überleben. Also entschließen sich die Eltern des Jungen für den Freitod, damit sie ihre Sozialanteile auf den Sohn überschreiben können - so hat er wenigstens eine kleine Chance, noch eine Weile zu überleben.
Tikkirej möchte weg von Karijer und heuert auf einem Raumschiff als Modul an. Module lassen sich verkabeln und während des Flugs werden deren Hirne zu Computern umfunktioniert. Das Ganze hat nur einen Haken: Wer zu lange als Modul arbeitet, verliert die Fähigkeit selbst zu entscheiden, weil das Gehirn irgendwann verlernt selbstständig zu denken. Die meisten Module sind nach drei bis vier Raumfahrten psychische Wracks. Doch durch eine Reihe von glücklichen Zufällen landet Tikkirej bald auf dem Planeten Neu-Kuweit, der ihm so gut gefällt, dass er die Staatsbürgerschaft beantragt.
Dort lernt er auch Stasj kennen, einen Phagen, einen Sternenritter im Dienste des Imperiums. Als wenige Tage später der Planet Neu-Kuweit vom Inej, einem Feind des Imperiums, übernommen wird, fliehen Tikkirej und Stasj zusammen auf den Heimatplaneten aller Phagen, auf den Avalon. Dort erfährt der 13jährige noch mehr über die geheime Organisation und schon bald wird er als Spion nach Neu-Kuweit zurückgeschickt. Seine einzige Waffe ist das Schlangenschwert, eine Mischung aus Maschine und Tier, die für immer an ihn gebunden ist…
Spannend und fantasievoll
Mit ";Das Schlangenschwert"; legt Sergej Lukianenko einen Science-Fiction-Roman vor, der spannender nicht sein könnte. Der russische Autor lässt seiner Fantasie freien Lauf und erfindet originelle Details, die das Lesen dieses Romans zu einem wahren Genuss werden lassen. Als Beispiel sei hier der so genannte Neuroshunt genannt, ein kleiner Computer, den jeder Bewohner des Imperiums am Kopf (über dem Ohr) trägt. Diverse Kabel lassen sich daran befestigen und man kann damit online gehen, Fernsehen schauen und vieles mehr. Außerdem tummeln sich nicht nur Menschen im Imperium, sondern auch Halflinge und andere Geschöpfe, über die der Leser allerdings leider nicht mehr erfährt. Dies mag auf Anhieb nicht besonders originell klingen, ergibt aber ein durchaus stimmiges und stimmungsvolles Gesamtbild.
Neben der eigentlichen Geschichte sind es zudem immer wieder interessante, philosophisch angehauchte Gespräche, die den Leser gespannt an die Lektüre fesseln. Tikkirej denkt viel über den Freitod seiner Eltern nach, denen gegenüber er sich natürlich verpflichtet fühlt, eine bessere Zukunft für sich selbst aufzubauen. Auch sein Freund Lion, den er auf Neu-Kuweit kennen lernt, trägt einiges dazu bei, denn auf verschiedenen Planeten herrschen verschiedene Sitten. Allein schon die Tatsache, dass die Geschichte mit der Selbstopferung der Eltern Tikkirejs beginnt, lässt den Leser aufhorchen und macht ihn neugierig auf die Dinge, die da noch kommen.
Nicht geschieht zufällig
Nicht ein einziger überflüssiger Satz verirrt sich in die Story. Überhaupt ist fast nichts Zufall in Lukianenkos Roman, fast alles hat einen tieferen Sinn. Zunächst glaubt man, dass allzu viele glückliche Umstände die Geschichte etwas zu positiv beeinflussen - etwas zu realitätsfern sind - doch am Schluss löst sich alles auf.
Die Charaktere, allen voran natürlich Tikkirej, aber auch Lion und Stasj, machen den Leser so manches Mal staunen. Während Stasj eher undurchdringlich ist und man seine Beweggründe bis zuletzt nicht vollends durchschauen kann, ist Tikkirej ein offenes Buch. Dies liegt wahrscheinlich auch daran, dass ";Das Schlangenschwert"; in der Ich-Perspektive (aus der Sicht Tikkirejs) geschrieben ist. So hat der Leser das Gefühl an der Seite des 13jährigen Jungen zu stehen und seine Abenteuer hautnah mitzuerleben.
Jugendliche und ihre Probleme
Auch die für Jugendliche typischen Probleme, wie der erste Kuss und die Gegensätze zwischen Jungen und Mädchen, werden an einigen Stellen eingebracht. (Vor der Zeit des Imperiums lebte man im ";Dunklen Zeitalter";, eine von Frauen dominierte Epoche. Als man allerdings die Raumfahrt entdeckte, stellte sich heraus, dass Frauen wegen des fehlenden Y-Chromosoms in Zeittunneln starben, weshalb sie vor ebensolchen Reisen in Anabiose, einen künstlichen Schlaf, versetzt werden müssen. Daher werden Frauen zu Tikkirejs Zeiten von bösen Zungen als ";Gepäckstücke"; bezeichnet, da reisende Männer oftmals Anabiosekapseln mit ihren Frauen und Töchtern hinter sich herschleppen.)
Leider hat man hier aber das Gefühl, dass Lukianenko die Klischees abzuarbeiten versucht. Jungen finden, dass Mädchen doof sind (und sie sich von Mädchen nichts sagen lassen müssen), Jungs prügeln sich mit Gleichaltrigen, um Anerkennung zu erlangen und machen Dummheiten, wie etwa das Betreten einer Eisfläche, ohne die Dicke des Eises überprüft zu haben. Etwas mehr Gefühl und Hinwendung zu den Jugendroman-typischen Eigenheiten hätte hier keinesfalls geschadet - der Schwerpunkt liegt hier eindeutig auf den Science-Fiction-Elementen.
Da war ja noch… das Schwert
Das Schlangenschwert, Tikkirejs einzige Waffe, ist eigentlich gar kein Schwert, sondern eine Plasmapeitsche. Neben den normalen Attacken kann sie aber noch einiges mehr und verbindet sich mit den Gedanken des Trägers, um ihm beispielsweise zu zeigen, dass Wanzen in der Nähe versteckt sind - die dann flugs vom Schwert ausgeschaltet werden. Weshalb der Roman den Titel ";Das Schlangenschwert"; bekommen hat, wird einigen Lesern unklar sein, denn in Wirklichkeit spielt das Schwert keine allzu wichtige Rolle und trägt auch keinen entscheidenden Teil zum Ausgang der Geschichte bei. Auch hier ist es nur verständlich, wenn der ein oder andere sich mehr Details gewünscht hätte. Der Kampf gegen ";die Bösen";, den Inej, ist nicht die einzige Maxime, auch auf die Themen Freundschaft, Recht auf Selbstbestimmung und Sehnsucht nach einer besseren Welt wird großer Wert gelegt.
";Das Schlangenschwert"; ist ein spannender, temporeicher Science-Fiction-Roman für Jugendliche, der aber auch Erwachsene fesseln wird. Eine fantasievolle Welt paart sich mit originellen Details, abwechslungsreiche Charaktere machen eine Welt lebendig, die womöglich wirklich auf die Menschheit zukommen könnte. Lukianenkos Vorstellung von der fernen Zukunft ist keineswegs übertrieben, sondern klingt sehr realistisch. Aber wem ist schon wohl bei der Vorstellung, unter einer Kuppel zu leben?
Sergej Lukianenko, Beltz und Gelberg
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