Die Verschollenen
- Bastei-Lübbe
- Erschienen: Januar 2007
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Endlich einmal realistisch anders dargestellte Aliens
Die Menschheit in einer nicht allzu fernen Zukunft. Raumschiffe verkehren zwischen den Planeten, auf dem Mond und dem Mars wurden ständig bewohnte Kolonien errichtet. Und man hat festgestellt, dass man nicht alleine im Kosmos ist. Kontakte zu verschiedenen Fremdvölkern wurden geknüpft, Diplomaten haben ein Regelwerk erstellt, das die Beziehungen auf eine solide Grundlage stellt. Trotz aller Unterschiede wurden auch Rechtshilfeabkommen geschlossen. Sofern eine rechtsgültige Verurteilung vorliegt, kommen die Sanktionen der betroffenen Völker in all ihrer Härte zum Einsatz. Seien es die Ritualmorde der Disty oder die Sippenhaft der Wygnin, die eines der Kinder des Täters für sich beanspruchen. Eine Verjährung dieser Fälle gibt es nicht, Formfehler bei der Verhaftung oder dem Gerichtsverfahren sind bei den auf Gerechtigkeit pochenden Aliens ebenfalls unbekannt. So bleibt den Tätern nur eine Möglichkeit - sie müssen untertauchen, sich eine neue Existenz aufbauen. Hier kommen skrupellose Geschäftemacher ins Spiel, die für viel Geld dafür sorgen, dass die sogenannten Verschollenen eine Chance haben, den Gesetzeshütern zu entgehen. Doch nur zu oft sind die Aliens am Ende die lachenden Dritten.
Ein weiterer schaler Sherlock Holmes im Weltraum, oder mehr?
Miles Flint wurde gerade von der Raumpolizei zu den Detectives auf der Mondkolonie Armstrong versetzt. Während die Detectives es sonst mit dem organisierten Verbrechen, mit Unterschlagung und Mord zu tun bekommen, wurde er mit seiner Partnerin für zwei Fälle eingeteilt, die nur Ärger bringen können. Die Disty haben Rache genommen, drei Menschen wurden tot, ihre Innereien sorgfältig arrangiert, an Bord einer unlizensierten Raumjacht aufgefunden. Ein weiteres Raumschiff wird aufgegriffen. An Bord des Wygnin-Raumers sind auch zwei Kinder - eine Entführung, oder die Ausübung eines rechtmässigen Urteils? Als dann eine weitere Raumjacht mit einer scheinbar hilflosen Frau an Bord landet, die von den gewalttätigen Rev verfolgt wird, kann Miles Flint nicht einfach tatenlos danebenstehen, wie der scheinbaren Gerechtigkeit Genüge getan wird...
Bestseller in Wartestellung
In den USA geniessen die Romane um den Ex-Cop und Lokalisierungsspezialisten Bestsellerstatus. Mittlerweile liegen fünf Romane um den sympathischen Einzelgänger vor, die es nicht nur auf die einschlägigen Bestsellerlisten, sondern auch auf die Nominierungslisten für den Hugo- und Locus Award geschafft haben. Rusch versteht es nicht nur, eine auch in Details überzeugende Zukunftswelt zu entwerfen, sondern es gelingt ihr auch, darin Personen anzusiedeln, die glaubwürdig zu agieren wissen.
Im Verlauf der aktuellen Handlung erfahren wir einiges aus der leidvollen Historie unseres Protagonisten, werden uns eben aus seiner Vergangenheit seine Handlungen verständlich. Dabei wechselt unsere Empfindung vom Mitleid mit dem Vater, der nach dem Tod der Tochter auch seine Partnerin verliert, zu Achtung vor dem für seine Überzeugung eintretenden Mann, der sein Gerechtigkeitsempfinden über den sicheren Beamtenjob stellt. Seine Noch-Partnerin DeRicci, eine verbitterte Polizistin der alten Schule, passt hier nur ins Bild. Auch sie ein unbequemer, querdenkender Charakter voller Ecken und Kanten, ein Dickkopf, an dem sich schon ganze Scharen von Kollegen und Vorgesetzten ihre Zähne ausgebissen haben. Die zwei nehmen sich kompetent und doch mit Mitgefühl für die Opfer der schwierigen Materie der intergalaktischen Rechtsausübung an, rennen immer wieder gegen Türen, suchen aber nichtsdestotrotz ihren Eid, den Menschen zu helfen, zu erfüllen. So wünscht man sich die Amtsträger, und doch ist die Realität meist eine Andere.
Eine gelungene Sythese
Die Flint-Romane zeichnen sich durch eine oftmals versuchte, selten gelungene Synthese der Genres des Kriminalromans - hier des Cop-, später des Detective-Romans - mit einer Science Fiction-Handlung aus. Letztere bietet uns nicht die von Star Trek gewohnte geschleckte ultrahoch gezüchtete Technik, sondern eine realistische Fortentwicklung gegenwärtiger Technik, die auch Abnutzungen, Dreck und Verfall kennt. In den Mondkolonien existiert Armut, Verfall und Leid ebenso wie auf der Erde, die Menschen existieren mit denselben Nöten, wie sie allerorts auftreten. Es gibt Verbrechen, Korruption aber eben auch Hilfe und gegenseitiges Verständnis, wie es gerade auch unter einer rauen Schale verborgen unser Held präsentiert. Vorliegender erster Roman der Reihe liest sich noch nicht ganz rund. Die Passagen, in denen wir unsere Helden in den Mondkuppeln durch die lange Korridore begleiten oder den Übersetzern lauschen, hemmen den Handlungsfluss etwas, dienen aber gleichzeitig als Grundlage für die späteren Romane.
Nichtsdestotrotz legt Rusch eine gelungene Kombination aus Detective- und SF-Plot vor, besticht durch eine ungewöhnlich realistische Darstellung einer Zukunftswelt mit vielschichtigen Personen und einer unkonventionelle Portraitierung der Schwierigkeiten, wenn Menschen und Aliens tatsächlich dauerhaft Kontakt aufnehmen.
Kristine Kathryn Rusch, Bastei-Lübbe
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