The Steam Magnate
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- Erschienen: Januar 2006
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Mit Volldampf und hohem Anspruch
Abseits der großen und breiten Ströme in der Science Fiction und Fantasy-Verlagslandschaft gibt es kleine und quirlige Flussläufe. In Deutschland zählen Verlage wie Shayol, Wurdack und Atlantis dazu – sie bieten Nachwuchsautoren publizistische Foren und beleben damit die Szene. Jenseits des Ärmelkanals und des Atlantiks werden Kleinverlage ";Small Press"; genannt, und ein kleiner, aber besonders feiner will ";sich bei spekulativer Literatur auf menschliche Seite, nicht die technologische konzentrieren und die Schablone des kleinsten gemeinsamen Nenners durchbrechen";: Aio Publishing aus Charleston, South Carolina/USA. Im Herbst 2006 dort erschienen, muss Dana Copithorne's Erstling ";The Steam Magnate"; diesem Credo gerecht werden.
Intrigen in der Stadt aus zerbrochenem Glas
Die außergewöhnliche Welt, in die die Kanadierin ihre Leser entführt, ist eine von subtiler Magie, in der zwischen komplizierter Architektur um den Lebenssaft von Zivilisationen gerungen wird: Energie. Eson, der Steam Magnate, verfügt über die erbliche Fähigkeit, unterirdische Quellen und Flussläufe zu lokalisieren und ihnen Energie abzuzapfen. Handelsverträge mit dem Oligarchen sind stets zum finanziellen Vorteil beider Parteien, Eson verfügt jedoch wie seine Vorfahren über die mysteriöse Eigenschaft, Menschen an sich zu binden: Er hat die Macht, Erdenergie so zu nutzen, dass seine Vertragspartner auf magnetische Weise seinem Einfluss unterworfen sind, sobald die Tinte auf dem Vertrag getrocknet ist. Nicht alle akzeptieren das auf Dauer, und so spinnen mächtige Kreise eine Intrige, Esons Energie-Netzwerk zu zerschlagen.
An der Spitze ist es einsam, und auch Eson verlangt es nach Gesellschaft. Obwohl er gerade eine fürchterliche Beziehung hinter sich hat, erwartet er, mit Sarah, die er bislang nur aus ihren Briefen kannte, eine gemeinsam in die Zukunft blicken zu können. Die Sarah, die er endlich trifft, heißt jedoch in Wirklichkeit Kyra und wurde ausgesandt, mit ihm anzubändeln und sein Vertrauen zu gewinnen, um schließlich mit einen bestimmten Vertrag heimlich wieder zu ihrer Auftraggeberin zurückzukehren. Noch vor ihrem ersten Treffen mit dem alleinstehenden Energie-Magnaten flüchtet Kyra vor einem Sandsturm, der die Stadt aus zerbrochenem Glas überzieht, in ein Teehaus. Jado, der junge, technikbegeisterte Mann hinter dem Tresen, und die Agentin wissen noch nicht, dass sie sich bald im inneren Kreis von Esons Einflusssphäre bewegen werden.
Obwohl dieser schnell erkennt, dass die neue Gefährtin von alten Feinden ausgesandt wurde, schickt er sie nicht fort. Denn durch die Nähe zu ihm hat Kyra die Seiten gewechselt, sie stellt fest, dass auch sie die Anlagen besitzt, Macht und Einfluss auf Menschen durch Energie auszuüben. Während sie also Tisch und Bett mit ihm teilt, hilft sie Eson gleichzeitig in seiner prekären Lage. Auch Jados ingeniöse Fähigkeiten weiß der Kraft-Makler für seine Zwecke zu nutzen, doch seine Gegenspieler ziehen ihr Netz langsam zu – sie wollen Esons Energielinien kappen.
Subtil, lyrisch, intensiv
";The Steam Magnate"; ist kein Steampunkroman, einfach einzusortieren unter Dampfmaschinengesellschaft-mit-mechanischen-Computern. Das Buch der erst 26jährigen Dana Copithorne entzieht sich den Schubladen von Science Fiction und Fantasy, am ehesten trifft das Adjektiv ";slipstream"; zu: Es sitzt in der Grauzone zwischen spekulativer Literatur und herkömmlicher Belletristik, im Bereich der literarischen Fremdartigkeit.
Die Realität von Copithornes Welt, wie sie auf den ersten Blick gewöhnlicher nicht sein könnte – mit Nachtclubs, Handys und Mode – rutscht nur gelegentlich und fast beiläufig ins Fantastische, etwa wenn Taxis mit Dampf betrieben werden, mechanische Vögel und Mäuse zu Observationszwecken eingesetzt werden und wenn von Esons machtvollen Verträgen die Rede. Alles zirkelt um seine innere Energiequelle, deren Ursprung aus alter Mystik sich jedoch jeder Erklärung verweigert.
Dana Copithorne unternimmt dazu auch keinen Versuch, die Energie wird zur Metapher von Macht, von Charisma. Ihr geht es um Menschen und ihre Beziehungen, um die Wirkung von Traditionen und Herkunft. Fantastische Elemente setzt sie sparsam ein, so dass ein subtiler Fluss aus ätherischer Magie die von leiser Melancholie durchzogene Handlung trägt, aber nie die Hauptrolle übernimmt. Wie Paul Auster und Haruki Murakami schickt Dana Copithorne ihre Protagonisten auf die Suche nach Identität und Bedeutung.
Ihre Sprache ist rhythmisch und illustrativ, den bemerkenswert klar strukturierten Text dominieren beinahe meditative Beschreibungen. Die an Andeutungen reiche Geschichte wird hauptsächlich in der dritten Person aus Kyras und Jados Sicht erzählt. Eson hingegen berichtet in der Ich-Form, sowohl seine Stimme als auch die Dialoge nehmen zum Ende hin zu, was Mittelbarkeit und Dynamik im Erzählfluss steigert.
";The Steam Magnate"; ist Fantasy mit hohem Anspruch, doch leichtem Zugang. Die Dreiecksgeschichte um Eson, Kyra und Jado ist subtil, lyrisch und intensiv, sie entfaltet eine unnachahmliche Sogwirkung und schlägt ihre Leser nachhaltig in einen Bann – wie der Dampfmagnat persönlich.
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