Unerklärliche Phänomene in der Arktis
Die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts sahen die Kolonialmächte noch davon beseelt, die Welt weiter unter sich aufzuteilen. Zu diesem Zweck fanden sich für die Expeditionen in unbekannte Regionen auch Geldgeber, die sich selbstverständlich einen nicht unerheblichen Profit versprachen. So stießen Peary und Amundsen in rascher Folge zum Nord- und Südpol vor, um die Erde im Namen von Forschung und Wissenschaft weiter Untertan zu machen. Der Expansionsdrang wurde auch getragen vom zeitgenössischen technischen Fortschrittsglauben.
";Das Eulentor" nun erzählt die Geschichte österreichischen Abenteurers Alexander Berger. Sie setzt 1911 ein, dem Jahr des bis heute nachwirkenden Titanic-Untergangs, als das ";unsinkbare" Riesenschiff und Techniktotem der Zeit den natürlichen Urgewalten zum Opfer fiel. Berger zieht es nach Spitzbergen, um mit der Kartographierung der Küstenlinie nicht nur einen Batzen Geld einzustreichen, ein gewisses Streben nach historischer Unsterblichkeit kann ihm wohl auch unterstellt werden.
Doch seine Expedition scheitert. Widrigste Wetterumstände und geologische Gegebenheiten stoppen den ehrgeizigen Forscher. Ihm stirbt beinahe die gesamte Mannschaft weg, die überlebenswichtige Ausrüstung geht verloren. Durch Zufall entdeckt Berger einen kreisrunden, perfekt gearbeiteten Schacht. Wie tief der lotrecht in die Tiefe führende Schacht ist, lässt sich nicht festellen. Doch trotz der Beinahe-Katastrophe ist sein Forschergeist geweckt. Berger kehrt nach Österreich zurück, besorgt sich frisches Kapital und rüstet eine neue aus: Dem offenbar nicht natürlichen Phänomen soll das Geheimnis entlockt und wissenschaftlich nutzbar gemacht werden.
Zunächst mithilfe von Seilzügen und Trittleitern, dann, nach dem Eintreffen eines sehr preußischen Ingenieurs, auch unter Einsatz von motorgetriebenen Aufzugsgondeln, arbeitet sich die Forschertruppe dutzende von Kilometern in die immer lichtloser werdende Tiefe. Dabei stößt Berger zunächst auf ein weiteres unerklärliches Rätsel: Noch nach zig Kilometern finden sich Vogelnester an der Schachtwand - Eulennester. Schließlich bemerken die Männer beunruhigende Veränderungen, die Physik sprengt ihre irdischen Grenzen und irrsinniges Grauen erhält Einzug in das Expeditionscamp.
Knapp, kompakt und flüssig
Was als aufwändiges, wenn auch unkoordiniertes Abenteuer begann und trotz (oder wegen) technischer Aufrüstung am Vorabend des 1. Weltkriegs im Grauen endet, kann als unheimliche Parabel auf das Treiben der damaligen europäischen Führungsmächte gelesen werden. Eine weitere Lesart ist die der Hommage an Jules Verne und Edgar Allen Poe, speziell an deren Romane ";Die Reise zum Mittelpunkt der Erde" und ";Arthur Gordon Pym.
Egal, welche der beiden Interpretationen man wählt, ";Das Eulentor" ist ein Roman, der nicht mit vordergründigen Horroreffekten arbeitet, um gruselige Spannung aufzubauen. Gruber verschwendet keine Wörter, er schreibt knapp und angenehm flüssig. Die Handlung treibt er pausenlos voran, sodass die rund 300 Seiten schnell gelesen werden wollen. Dicht und angenehm kompakt ist auch die Hauptfigur Alexander Berger, einzig die Nebenrollen hätten mehr Kolorit vertragen können.
Andreas Gruber, Blitz
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