Schattenläufer
- Heyne
- Erschienen: Januar 2006
- 3
Rasante Unterhaltung mit viel Spaß
Shadowrun wurde ursprünglich als Rollenspiel entwickelt, das sich später durch die Kommerzialisierung in die verschiedensten Marketingschienen ausbreitete. So fand es auch seinen Weg in die Literatur. In Deutschland hat sich zunächst der Heyne-Verlag, später Fantasy Productions der Serie angenommen, in deren Autorenliste sich Schriftsteller aus den verschiedensten Bereichen der Phantastik finden; neben Markus Heitz unter anderem auch Michael Stackpole und Hans Joachim Alpers.
Die Welt von Shadowrun zeigt eine hochtechnologisch entwickelte Gesellschaft etwa fünfzig Jahre in unserer Zukunft. Keine Zivilisationen, die sich in die unendlichen Weiten des Weltraums ausbreiten, sondern eine Welt, deren Gesellschaft sich von unsrer heutigen nicht großartig unterscheidet - die sozialen Probleme sind die gleichen -, in der aber die Magie zurückgekehrt ist. Elfen, Trolle und andere Wesen aus der Welt der Fantasy bevölkern neben den Menschen unseren Planeten. So bietet die Shadowrun-Welt ihren Autoren eine bereits vorgefertigte Platform, um Fantasy-Elemente in einer Science Fiction-Welt mit dem Genre des Cyberpunk verbinden zu können.
Die "Shadowrunner" oder "Schattenläufer" sind Söldner, die sich von Großen Konzernen anheuern lassen, um deren illegale Arbeit durchzuführen und dabei auch nicht vor Mord und anderen Verbrechen zurückschrecken.
Mit "Schattenläufer" veröffentlicht der Heyne-Verlag einen Sammelband, der die Bände 51 ("Sturmvogel"), 53 ("05:58") und 55 ("Jede Wette") der Shadowrun-Reihe beinhaltet. Diese hat Markus Heitz größtenteils in der ADL, der Allianz Deutscher Länder angesiedelt, einem Bündnis, das ähnlich aufgebaut ist wie unsere heutigen Bundesstaaten.
Poolitzer
Protagonist aller drei Teile ist Severin Timur Gospini, genannt Poolitzer, ein rücksichtsloser, aber dennoch sympathischer Reporter, der für InfoNetworks arbeitet. Ihm geht es zwar in erster Linie um seinen eigenen Profit, dabei steht er jedoch immer auf der Seite der Guten. Poolitzer muß gelegentlich auch mal einstecken, ist aber glücklicherweise nicht der Supermann, der halbtot als Sieger vom Platz geht und dann quietschfidel weitermacht. Nein, da ist man zumindest so realistisch, daß man seinen schwer angeschlagenen Helden auch mal drei Wochen ins Krankenhaus einquartiert.
Sturmvogel...
...ist eine eher Shadowrun-untypische Geschichte, die im Ostseeraum angesiedelt ist. Die Deutschnationale Partei DNP gewinnt immer mehr an Einfluß. Poolitzer wird zufällig Zeuge eines fingierten Überfalls auf den Staatsanwalt Matthias Fröhlich-Eisner, das Aushängeschild der rechtsradikalen Partei, dummerweise kann er das Ganze jedoch nicht filmen. Parallel dazu werden aus einer Werft supermoderne Boote gestohlen, die allem bisher dagewesenen hoch überlegen sind. Poolitzer deckt nun nach und nach Verbindungen zwischen Politik, Piraten, Terroristen und Atomwaffen auf.
05:58...
...ist anders als "Sturmvogel" sehr gestrafft. Die Geschehen zieht sich nur über wenige Tage, das Gros davon nur über einen einzigen Tag hinweg. Die Handlung ist im Großraum Stuttgart angesiedelt, wo die Show eines Hypnosekünstlers nach einem Eklat zum Blutrausch wird. Nach einer Schlägerei während der Vorstellung verschwindet eines der hypnotisierten Opfer unerkannt, nicht ohne zuvor vom Störenfried mit den Namen der bekanntesten und gefürchtetsten Mörder geimpft worden zu sein. Nun schlüpft der hypnotisierte Mann nacheinander in die Rollen von Jack the Ripper und anderen Bestien, die traurige Berühmtheit erlangten.
Poolitzer hat sich von dem tollpatschigen Troll Ultra (durch die Spende einer neuen Kamera) beschwatzen lassen, ihn als Azubi aufzunehmen. Nun begleitet das ungleiche Paar Kommissar Spengler bei der Jagd auf das Phantom, um den unzurechnungsfähigen Täter von seinem Bann befreien zu können.
Jede Wette...
...hält Holdo, einer der Stars des All-Area-Combat-Golf. Das Golf der Zukunft wird an jedem Ort gespielt ohne Rücksicht auf Verluste. Da Holdo hoch verschuldet ist und sein Leben verwirkt ist, wenn er seine Schulden nicht rechtzeitig zurückzahlt, entschließt er sich zu einer spontanen und später bitter bereuten Wette: Er will bis zum Tag seiner ablaufenden Frist jedem Killer entkommen, der es auf sein Leben abgesehen hat. Seine Flucht führt ihn nach Dubai, wo sich sein Weg kreuzt mit Ordog und seiner Freundin Tattoo, zwei Streetfightern, die einen befreundeten Scheich aus der Gewalt seiner Entführer befreien sollen sowie mit der Magierin Cauldron, einer der Protagonistinnen von "05:58", die sich noch immer auf ihrem Rachefeldzug gegen ihre Todfeindin Abongi befindet.
Heitz' Humor ist einfach köstlich
"Schattenläufer" bietet drei in sich abgeschlossene Romane, die zwar jeder für sich lesbar sind, bei denen sich das volle Lesevergnügen jedoch erst entfaltet, wenn man die Zusammenhänge untereinander sowie auf die im Sammelband "Schattenjäger" enthaltenen Vorgängerromane kennt, da oftmals auf Ereignisse aus früheren Bänden Bezug genommen wird. Auch Nebenfiguren haben oftmals nicht nur einen einzigen Auftritt, sondern tauchen in einem späteren Band erneut auf.
Während sich "Sturmvogel" über den Zeitraum eines halben Jahres hinzieht, dabei jedoch niemals langatmig wirkt, sind "05:58" - mein eindeutiger Favorit dieses Bandes - sowie "Jede Wette" von atemberaubendem Tempo geprägt, in die jede Menge Action verpackt ist. Alle drei Romane bestechen durch eine vielschichtige Handlung über verschiedene parallele Stränge, die sich immer wieder berühren, kreuzen und schließlich verbinden.
Während "05.58" sehr gut konstruiert ist und durch viele Perspektivwechsel jederzeit spannend bleibt, ist mir "Sturmvogel" viel zu weitschweifig aufgebaut und die direkten Zusammenhänge erschließen sich nicht immer. Hier wollte Markus Heitz ein wenig zuviel hineinpacken. Er dürfte mit seinen politischen Betrachtungen wohl nicht unbedingt das typische Shadowrun-Publikum treffen, bringt aber damit auf jeden Fall eine Innovation in die Shadowrun-Reihe. Natürlich ist auch "05:58" für Shadowrun-Verhältnisse ungewöhnlich, bietet Heitz doch fast einen lupenreinen Kriminalfall.
"Jede Wette" dagegen wirkt zu konstruiert und dem Zufall ist jederzeit Tür und Tor geöffnet. Die Idee der Wette kennt man bereits aus Wolfgang Menges "Millionenspiel" aus den 1970ern oder aus Stephen Kings "Running Man". Heitz versucht hier angefangene Stränge aus den vorigen Büchern zu Ende zu bringen, was nicht immer sinnvoll gelingt. Vielleicht hat er sich doch absichtlich noch ein Hintertürchen für weitere Bücher der Reihe offen gehalten. Eine gute Idee wurde leider nur leicht angedacht: Durch die Kapiteleinleitungen scheint das All-Area-Combat-Golf im Mittelpunkt zu stehen, doch spielt es nach dem Einleitungskapitel keine Rolle mehr.
Mit seinem Tempo und vor allem seiner humorvollen Erzählweise kann "Schattenläufer" über seine gut tausend Seiten hinweg hervorragend unterhalten. Mit seinem Sinn für Humor kann Heitz schon in "Sturmvogel" absolut überzeugen - Poolitzer in der verruchten Kneipe "End of the World" ist einfach köstlich -, doch auch hier ragt "05:58" mit dem liebenswerten, aber etwas naiven Troll Ultra wieder heraus. "Schattenläufer" bietet leichte Unterhaltung und jede Menge Spaß, der für einige logische Schwächen mehr als entschädigt.
Markus Heitz, Heyne
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