Im Namen der Götter

Unter dem Originaltitel ";The Gods and their Machines"; publizierte Oisin McGann seinen ersten Fantasy-Roman außerhalb seiner irischen Heimat, in Amerika und nun auch in deutscher Übersetzung. McGann wählte jugendliche Hauptprotagonisten, um Leser im Teenageralter zu erreichen. Somit gehört auch ";Im Namen der Götter"; zur so genannten All-Age-Fantasy, die im Fahrwasser der Harry-Potter Bücher derzeit einen wahrhaftigen Boom erlebt.

";Brandneue, hochspannende Fantasy, die es in dieser Form noch nie gab"; verspricht der Buchcover-Text der Taschenbuchausgabe des Piper Verlages. Man darf also gespannt sein, ob es Oisin McGann tatsächlich gelungen ist, Fantasy in bisher unbekannter Ausführung zu präsentieren.

Altima und Baltokrhin

Altima und Baltokhrin sind benachbarte und verfeindete Länder. Altima ist ein moderner und wohlhabender Industriestaat, Baltokrhin dagegen ein armes Agrarland, dessen Gesellschaft durch feudale Strukturen und  eine patriarchaische Religion geprägt wird. Altima benutzt die Baltokrhiner als niedere Arbeitskräfte und beutet die Ressourcen des Landes aus. Die Bevölkerung sieht sich ständiger Unterdrückung und den Angriffen der altimanischen Luftwaffe ausgesetzt. Daher hat sich religiös motivierter Widerstand gebildet, der seinerseits Bombenattentate in der Hauptstadt Altimas, Victovia verübt. Selbstmordkommandos wie die Hadram Cassal haben immer mehr Zulauf, sie gelten in ihrer Heimat als Freiheitskämpfer, in Altima als fanatische Terroristen.

Chamus und Rhiadni

Der junge Chamus ist Absolvent einer Flugausbildungsanstalt, die ihn, wie zuvor seinen Vater und Großvater, zu einem Piloten der Luftwaffe ausbildet. Als ein Selbstmordattentäter seine Schule in die Luft sprengt, ist Chamus der einzige Überlebende. Kurz darauf erwartet den jungen Piloten eine ungeahnte Herausforderung, er muss in Baltokrhin mit seinem Flugzeug notlanden.

Die junge Farmerstochter Rhiadni, die unter der strengen religiösen Tradition leidet und zunehmend mit den Freiheitskämpfern sympathisiert, trifft zufällig auf den jungen Altimaner. Sie liefert ihn an die Hadram Cassal aus. Als sie jedoch erkennt, dass der Anführer der Gruppe keinerlei Skrupel davor hat, den wehrlosen und unbewaffneten Jungen zu töten, flieht sie mit ihm in die balthokrhinischen Wälder. Obwohl Camus und Rhiadni in der jeweiligen Denkweise ihrer Kultur verhaftet sind, lernen beide die Welt aus der Perspektive des anderen wahrzunehmen und erkennen, welcher Weg aus der Misere heraus führen kann. Gleichzeitig bereiten die Mächtigen von Altima und Baltokhrin Kriegsstrategien vor, die beide Länder in eine Apokalypse zu führen drohen.

Politische Fantasy als Metapher für…

";Im Namen der Götter"; liest sich ein wenig wie ein Science-Fiction Roman, ist aber eindeutig dem Bereich der Social- bzw. der politischen Fantasy zuzuordnen. Es geht allerdings nicht um die Darstellung politischer Utopien, sondern um eine metaphorische Reflektion des aktuellen politischen Zeitgeschehens.

Der Autor schickt seine jugendlichen Hauptprotagonisten, die in ihren Weltanschauungen unterschiedlicher nicht sein könnten, auf eine Flucht vor Gegnern, die zu Allem entschlossen sind, um ihre Ziele zu erreichen. Die Auseinandersetzungen mit ihren Widersachern sind spannend zu lesen und selten vorhersehbar, Chamus und Rhiadni müssen sich ständig neue Strategien einfallen lassen, um den Verfolgern zu entkommen. Die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden, sowie das allmählich wachsende Verständnis, werden einfühlsam und gut nachvollziehbar beschrieben.

…Kriegsschauplätze unserer Zeit

Es ist nicht zu übersehen, dass der von Oisin McGann erdachte Konflikt als nahezu perfekte Metapher für die Krisengebiete unserer Welt dienen kann, man denke an Amerika und die Achse des Bösen, an den Nahost-Konflikt oder auch an den Bürgerkrieg in Nordirland. Die hier beschriebene Spirale der Gewalt wird durch die selben Mechanismen in Gang gesetzt, die wir aus aktuellen Kriegsregionen kennen, dem Konflikt zwischen Arm und Reich, dem Kampf um die begrenzten Ressourcen und religiös-kulturellen Kontroversen.

Oisin McGann gelingt es, die Kausalitäten auf den Punkt zu bringen, ohne zu polarisieren. Die politischen und wirtschaftlichen Konstellationen beider Länder werden gleichermaßen detailliert aus der Sicht beider Kontrahenten beschrieben und bewertet. Durch den  gewählten Fantasy-Rahmen gelingt es, Ereignisse und Auswirkungen zu überzeichnen, ohne unglaubwürdig zu wirken. Mit Hilfe von Hochtechnologie oder Magie wird das Leben von Menschen darauf ausgerichtet, an blutigen Rachefeldzügen teilzunehmen,  in denen es nur noch um die Vergeltung der Bluttaten der Anderen geht, ohne das die eigentliche Ursache noch nachvollziehbar ist.

Etwas gewöhnungsbedürftig am Aufbau dieses Romans ist die Vielzahl der Handlungssprünge und Entwicklungen. Oftmals wirkt die Erzählung durch eine Fülle von Aktionen überladen, die keinen Gesamtkontext mehr erkennen lassen. Besonders am Ende häufen sich zahlreiche dramatische Ereignisse, die nicht alle nötig gewesen wären.

Insgesamt ist dem irischen Autor Oisin McGann jedoch ist ein besonders wertvoller und innovativer Beitrag zur All-Age-Fantasy gelungen, denn er vermittelt Lesern aller Altersstufen eine ebenso einfache, wie wichtige Botschaft:
";Auge um Auge – und die ganze Welt wird blind sein"; (Mahatma Ghandi)