Nacht der Hexen
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2006
- 5
Ungewöhnlich witzig, spannend, ironisch
Zugegeben: ";Nacht der Hexen"; ist nicht der Titel des Jahrhunderts. Aber das muss nichts heißen, schließlich ist der Autor in der Regel nicht für die Auswahl desselben verantwortlich – wohl aber für den Inhalt, der es im Falle dieses Romans in sich hat.
Paige Winterbourne ist eine ganz normale Frau, die in unserem 21. Jahrhundert lebt. Igitt, kein Fantasy? Aber wohl, denn Paige ist eine Hexe. Zwar kann man sie nicht mit Galadriel aus ";Herr der Ringe"; vergleichen, denn sie kann leider nur kleinere Tricks, die sie selbst als ";Kaufhausmagie"; bezeichnet. Nur die wenigsten magischen Fähigkeiten und Formeln helfen ihr in ihrem Alltag, gerade einen oder zwei Sprüche zur Selbstverteidigung hat sie auf Lager.
Doch bald schon zweifelt Paige mehr als je zuvor an ihren dürftigen Fähigkeiten: Ihre Adoptivtochter, die jugendliche Hexe Savannah, wird von einem Sorgerechtsstreit bedroht. Angeblich wäre ihr Vater, der mächtige Anführer einer Kabale, aufgetaucht – und er möchte Savannah zurück. Dies ist allerdings nicht nur auf seine plötzlich erstarkende Vaterliebe zurückzuführen, sondern vielmehr darauf, dass Savannah trotz ihrer Jugend ungewöhnlich starke Kräfte zu haben scheint, die sie selbst auch einzusetzen weiß. Kabalen allerdings sind sowas wie Mafien, nur mit mehr Niveau, letztendlich jedoch sind sie böse. Sie versuchen mit allen Mitteln an mehr Macht und Geld heranzukommen und schrecken auch vor Angriffen nicht zurück, um Savannah zu entführen…
Reihentitel, aber unabhängig zu lesen
Auch wenn Kelley Armstrong hierzulande noch nicht so bekannt ist wie in den USA, lohnt es sich doch einen Blick in ";Nacht der Hexen"; zu riskieren. Zwar gehört dieses Buch einer achtbändigen Reihe an (";Women of the Otherworld";), jedoch lässt es sich unabhängig und ohne weiteres Vorwissen lesen. Es gehören immer zwei Bände zusammen und werden aus der Sicht einer einzigen Person, hier Paige Winterbourne, geschildert. Auf Deutsch sind bisher leider nur die ersten drei Teile erschienen, wobei die ersten beiden Bücher die Geschichte von Elena, der einzigen weiblichen Werwölfin, erzählen.
Die Welt: flexibel und modern
Doch genug Allgemeines, kommen wir zum Speziellen. Während viele Fantasyromane schnell langweilig erscheinen, weil sie scheinbar immer gleiche Geschichten erzählen, wartet Kelley Armstrong mit der flexiblen, modernen Welt des 21. Jahrhunderts auf und mischt geschickt fantastische Elemente hinein. In komplett fiktiven Welten wie in ";Herr der Ringe"; scheint es nur logisch, dass einem bocksbeinige Wesen mit Hörnern, flammenden Schwänzen und pelzigen Füßen entgegenkommen – im 21. Jahrhundert rechnet man damit weniger. Viele Leser werden diesen gekonnten Mix aus Moderne und Fantasy lieben und nicht genug davon bekommen können, macht er doch einen besonderen Reiz aus, den viele Romane dieses Genres vermissen lassen.
Die Figuren: quirlig und authentisch
Neben Paige selbst und ihrer Adoptivtochter mischt sich auch bald ein smarter Anwalt ins Geschehen ein, der seines Zeichens Magier ist (zu erkennen an den leuchtend blauen Augen). Kelley Armstrong versteht es, jeder Figur einen eigenen sprachlichen Stil zu verpassen, sodass der Leser auch ohne entsprechende Kommentare seitens des Erzählers meistens merkt, wer gerade spricht. Der Magieranwalt ist immer korrekt und etwas steif, ihn kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen:
";Ganz sicher tut er es, mit Einwegspiegel und Videokameras. Noch einmal, Detective, ich möchte um einen privaten Raum und ein paar Minuten unter vier Augen bitten…";
Savannah hingegen spricht direkt aus, was sie denkt. (Hierbei können die ständigen YEAHS schon mal nerven.)
";Die hätten eben nicht hier sein sollen. Blöde Menschen. Wen interessieren die überhaupt?";
Und Paige begeistert mit ihrem trockenen Humor, auch sich selbst gegenüber. Hier erklärt sie Annäherungsversuche von Halbdämonen, die üblicherweise dem Geschlechtsakt vorhergehen:
";Um dies [Sex] zu tun, nehmen sie menschliche Gestalt an, denn irgendwann haben sie herausgefunden, dass keine Frau, in deren Blutkreislauf weniger als eine Flasche Wiskey kreist, gut auf die Verführungsversuche eines großen, schuppigen Wesens mit gespaltenen Hufen reagiert.";
Aber auch die ";Bösen"; kommen nicht zu kurz, wie die Volo Leah. Sie kann mittels geistiger Konzentration Gegenstände bewegen, hat aber einen Tick, der – sofern er dem aufmerksamen Beobachter auffällt – alle ihre Angriffe ankündigt.
Auch Kabalendaddy Kristof Nast (was für ein Name!) und seine Handlanger sind genau so, wie man sie sich vorstellen würde: Der Boss nach außen korrekt, aber in Wirklichkeit ein hinterhältiger Mensch, der vielen nur etwas vorspielt. Seine Handlanger geben den ein oder anderen dummen Kommentar ab und werden von ihrem Chef dafür gerügt, oft treten sie auch selbst ins Fettnapf. Und trotzdem, trotz den scheinbar stereotypen Figuren weiß man bis zuletzt nicht wirklich, woran man bei ihnen ist. Wer undurchsichtige Charaktere mag, ist hier richtig.
Die Empfehlung: unbedingt lesen!
Wie, Sie haben noch kein Geschenk für Ihre Freundin, die gerne etwas ungewöhnliche Fantasyromane liest? Dann haben Sie jetzt eins, denn ";Nacht der Hexen"; ist nicht nur spannend, sondern auch humorvoll und mit einer Menge Ironie geschrieben. Für Kinder ist dieses Buch allerdings nichts, denn manchmal greift Kelley zu etwas heftigeren Worten und auch ein kleiner Ausflug ins Horror-Genre gehört dazu. Unsere Empfehlung: unbedingt lesen!
Kelley Armstrong, Droemer-Knaur
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