Conan der Freibeuter
- Heyne
- Erschienen: Januar 1970
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Zwar Freibeuter, aber meist an Land
Der alte Ferdrugo, König des Reiches Zingara wirkt seit einiger Zeit geistesabwesend und erteilt Befehle, die nicht im Einklang mit seiner bisherigen Herrschaft stehen. Tochter Chabela sorgt sich und will ihren Onkel um Rat fragen, der allerdings als Botschafter weit außer Landes weilt. Heimlich macht sich die Prinzessin auf den Weg - und sorgt für Aufregung im Haus des Herzogs Villagro: Er steckt hinter Ferdrugos Verfall, denn er will die Krone an sich reißen! Um dem König seinen Willen aufzuzwingen, hat Villagro den Set-Priester und Zauberer Menkara angeheuert; für die normalweltliche Verbrecherarbeit ist Piratenkapitän Zarono zuständig.
Menkara kann Vater und Tochter nicht gleichzeitig geistig unterjochen. Er schlägt vor, den Meistermagier Thoth-Amon ins Boot zu holen. Weil diesen Gold und Gut nicht interessieren, soll er mit einer anderen Beute gelockt werden: Auf einer unbekannten Insel im westlichen Ozean wird in einem uralten Tempel ein seltenes Zauberbuch verwahrt. Zarono und Menkara setzen Kurs auf die Insel. Sie werden verfolgt vom Freibeuter Conan. Der Barbar aus dem Norden ist aktuell als Kaperfahrer tätig, hat zufällig von dem Unternehmen erfahren und hofft auf reiche Beute.
Auf der Insel finden Zarono und Menkara das Zauberbuch, übersehen allerdings die berüchtigte Kobrakrone, die Thoth-Amon sehr viel heftiger begehrt als das Buch, weil er damit die Macht seines bösen Ordens wiederherzustellen könnte. Conan findet die Krone, woraufhin ihm Villagro, Zarono und Menkara und natürlich Thoth-Amon im Nacken sitzen. Tief im Dschungel der Königreiche von Kush muss der Barbar nicht nur gegen seine Verfolger, sondern auch gegen Ungeheuer, Amazonen und andere Gegner kämpfen …
Vor allem behauptete Liebe zum Meer
Zunächst ein Hinweis: „Conan der Freibeuter“ sollte nicht mit „Conan der Pirat“ verwechselt werden, obwohl dieser im Original den Titel „Conan the Freebooter“ trägt. „Conan der Freibeuter“ erschien 1971 als „Conan the Buccaneer“ (und in deutscher Erstübersetzung 1972 korrekt als „Conan der Bukanier“): allerdings gingen die Verlagsverantwortlichen bei der (ungekürzten) Neuausgabe 1983 wohl davon aus, dass kein Leser = potenzieller Käufer (mehr) wusste, dass die „Bukanier“ im späten 17. Jahrhundert Kaperfahrer waren, die auf den westindischen Karibikinseln lebten und im Auftrag der englischen Krone spanische, französische und niederländische Schiffe aufbrachten.
Dabei trifft der Originaltitel den Nagel auf den Kopf, denn die Bukanier waren auf den Angriff feindlicher Küstenstädte spezialisiert. Dies passt zum Inhalt dieses „Conan“-Romans, denn die meiste Zeit ist der Barbaren-„Kapitän“ mit seiner Mannschaft tief im Binnenland aktiv. Ausnahme ist der Trip zur Namenlosen Insel, doch dort haben sowohl Zaronos als auch Conans Haudegen ebenfalls festen Boden unter den Füßen.
Auch später liegen ihre Schiffe meist irgendwo vor Anker, während die Besatzungen sich durch die Urwälder von Kush schlagen, das in der hyborischen Welt zwölf Jahrtausende vor der Zeitwende etwa deckungsgleich mit West- und Zentralafrika ist - mit einem Afrika wohlgemerkt, das der Realität höchstens ansatzweise entspricht, sondern das Produkt einer Fantasie ist, wie wir sie u. a. aus den „Tarzan“-Filmen der 1930er Jahre kennen. Diese greifen wiederum trivialliterarische Vorbilder auf, deren Autoren ohne Rücksicht auf das, was heute „politisch korrekt“ ist, primär spannende Geschichten schufen, in denen „schwarze Wilde“, blutrünstige Tiere, Monster, schwarze Magie und Aberglauben hinter jedem Busch lauerten. Stets war es heiß, im Urwald war die Zeit stehengeblieben, und überall gab es „versunkene“ Kulturen aus der Zeit von Atlantis oder noch ältere, meist menschenunfreundliche Kolonien.
Wozu planen, wenn man auch zuschlagen kann?
Wer solche knallbunte, rücksichtslos in Klischees schwelgende Phantastik nicht als solche einordnen kann, dürfte mit „Conan der Freibeuter“ Schwierigkeiten haben. So lernen wir, dass noch 1999 das inzwischen hochnotpeinliche „N-Wort“ in der Übersetzung ganz selbstverständlich verwendet wurde. Richtig kritisch wird es, wenn schwarze Amazonen auftreten. Königin Nzinga körperliche Vorzüge werden ausführlich beschrieben; ihre Aversion gegen Kleidung ist dabei hilfreich. Selbstverständlich verguckt sie sich umgehend in Conan, als der auf ihrem Sklavenmarkt feilgeboten wird, und nutzt seine Potenz weidlich aus, bis die Autoren sie die Engel im Himmel singen hören lassen.
Feingeister werden auch sonst angewidert die Nasen rümpfen. Conan steht für ein Subgenre der Fantasy, dessen Autoren nicht mit spitzer Feder schreiben. Gerade Conans Welt ist eine Melange aus (ein wenig) historischer Realität, verballhornten Mythen und Legenden sowie der trivialen Exotik einer ‚unschuldigen‘ Vergangenheit, als man nach Herzenslust in Stereotypen und Klischees baden durfte (bzw. sich niemand daran störte, wenn man es tat).
In diesen Kulissen geht es handfest zu, wobei die Fäuste meist Waffen und andere Schlaginstrumente halten. Conan ist kein Mann, der Pläne schmiedet. In der Regel reicht es seinen Zorn zu erregen, woraufhin er sich mitten ins Getümmel wirft - voller Freude, denn Conan rechnet ohnehin damit, früher oder später auf einem Schlachtfeld zu sterben, wie es sich für einen echten Barbaren gehört. Insofern sollte man sich als Leser nicht auf Ereignisraffinesse einstellen, sondern ein Faible für detailreich ausgemalte Prügel- und Metzelszenen mitbringen.
Der zumindest trivialpopulär unsterbliche Conan
Entweder Gewalt oder Magie sorgen für Handlungsumschwünge, was praktisch für die Autoren ist, sie sich keine Arbeit mit der Gestaltung komplexen Geschehens machen müssen. Dies war unter der Feder von Robert E. Howard (1906-1936) durchaus anders. Seine Conan-Storys verliefen oft auf mehreren Ebenen und gingen über die Darstellung bloß zeitgleich ablaufender Ereignisse hinaus. „Conan der Freibeuter“ reist von A nach B und weiter bis etwa H: Dies ist die Abfolge eines simplen Computerspiels und dient dem Vortrieb einer Geschichte, die aus recht beliebigen Einzelszenen besteht. Die Episode auf der Namenlosen Insel sticht als Beispiel heraus. Zwar bemüht sich das Autorenduo de Camp/Carter sogar, lose an H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos anzuknüpfen, doch daraus wird nur eine lebendige Steinkröte, die auf einem Schatz hockt, über den Conan buchstäblich stolpert, weil seine Widersacher ihn schlicht übersehen haben.
Somit erweist sich „Conan der Freibeuter“ als eines jener Conan-Pastiches, mit denen ein halbvergessener Fantasy-Held zum Franchise aufgebaut wurde. Zwischen 1967 und 1971 erweiterten Lyon Sprague de Camp (1907-2000), Lin Carter (1930-1988) und Björn Nyberg (1929-2004) für den US-Verlag Lancer Howards Conan-Storys zu einer elfbändigen Serie, der 1977 noch ein zwölfter Band folgte. Dieses Dutzend wurde in den nächsten Jahrzehnten immer wieder aufgelegt, was sich nach den beiden „Conan“-Kinofilmen von 1982 und 1984 nicht nur fortsetzte, sondern auch eine Welle weiterer Romane in Gang setzte.
De Camp und Carter waren nach eigener Auskunft bemüht, mit ihren Pastiches möglichst eng am Original zu bleiben. Dies entpuppt sich im Fall „Conan der Freibeuter“ als Schutzbehauptung. Selbst als pures Abenteuer schimmern die Mechanismen der Story ein wenig zu deutlich durch.
Fazit:
Mittelmäßiges Schwert-&-Magie-Epos; ein Aufguss des Originals, das dessen Qualitäten vergleichsweise trüb widerspiegelt, weil gar zu routiniert eine von Kampfszenen vorangetriebene Hetzjagd abspult.
Lin Carter, L. Sprague de Camp, Heyne
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