Seide und Schwert
- Loewe
- Erschienen: Januar 2006
- 21
Himmel und Erde
Auf den ersten Blick ist ";Seide und Schwert"; eine seltsame Mischung: Mythische Fabelwesen treffen auf angewandte Wissenschaft, sprich Drachen und da Vinci. Aber auf Kai Meyers Fabulierkunst ist Verlass, er schafft fröhlich aus Legenden und fiktiver Logik ein neues Märchen, das in China spielt.
Zuviel des Guten? Keinesfalls. Die Geschichte von Nugua und Niccolo weiß zu fesseln und zu bezaubern, sie spielt mit Fantasy- und Steampunkelementen und bedient sich bei Marco Polo ebenso wie bei Bruce Lee.
Niccolo und seine Lands-, oder besser Himmelsleute gehören zum Volk der Hohen Lüfte. In 2000 Meter Höhe siedelnd, baut ihre schwebende Architektur auf eben jenen namensgebenden und flüchtigen Himmelskörpern, die sie mit Hilfe von Leonardo da Vincis Ätherpumpen befeuern. Obwohl sich ihre Zivilisation auf Wissenschaft begründet, ist Bildung mittlerweile verboten. Doch Niccolos Neugier ist stärker als seine Angst vor Entdeckung – er liest trotzdem alle Bücher, die er in die Finger kriegt.
Als den Pumpen der Äther aus unbekannten Gründen ausgeht, droht die Wohnwolke abzustürzen. Jemand soll auf die Erde geschickt werden, um neue Ätherquellen aufzutun. Da man sich gerade über China befindet, entsendet man Niccolo, der sich neben vielen anderen Dingen auch chinesische Sprachkenntnisse illegalerweise angeeignet hat. Doch Äther ist nicht etwa ein Gas, das man aus dem Erdreich pumpen kann: Äther ist der Atem von Drachen, und die soll es in China zuhauf geben.
Unten angekommen, begegnet Niccolo dem chinesischen Mädchen Nugua und Feiqing, der seit seiner Verfluchung an Gedächtnisverlust leidet und zudem ständig ein Drachenkostüm tragen muss. Nugua offenbart Niccolo faszinierende und fatale Dinge. Sie sei von Drachen aufgezogen worden, nur leider sind jetzt alle Feuerspucker in China wie vom Erdboden verschluckt. Schwierig wird die Suche, auf die sie sich begeben, auch durch die marodierenden Horden der Mongolen, die China unterworfen haben, und bald geraten Nugua und Niccolo in eine handfeste Auseinandersetzung zwischen Menschen und Göttern, die mit Seide und Schwert ausgetragen wird.
Das Zeug zum Klassiker
Kai Meyer ist ein Phänomen: Der Vielschreiber veröffentlicht pro Jahr mehrere Bücher, über 40 seit 1995, er denkt sich spannende Geschichten aus, die groß und klein zu fesseln vermögen, und er verfeinert seinen klaren Schreibstil von mal zu mal.
Wie in der ";Wellenläufer";-Trilogie setzt er in ";Seide und Schwert"; einen Jungen und ein Mädchen als Haupt- und Identifikationsfiguren ein, lässt beide diverse Konflikte austragen – Nugua ist wild, Niccolo zivilisiert – und auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel erwachsener werden. Die Verantwortung für das eigene Leben, das der Begleiter und des eigenen Volkes treibt die persönliche Entwicklung der beiden kontinuierlich voran, was dem mehrgleisigen Handlungsaufbau noch mehr Stringenz verleiht.
Reich an sinnlichen Bildern und oftmals beinahe poetisch im Ausdruck, erinnert das Buch an Isabel Allendes ";Stadt der wilden Götter";, jedoch ohne dessen esoterischen Unterton, und enfernt an eine erwachsenere Variation von Astrid Lindgrens ";Ronja Räubertochter";. Kai Meyers ";Seide und Schwert"; hat das Zeug, ein Jugendbuch-Klassiker zu werden.
Kai Meyer, Loewe
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