Das erste Horn
- Piper
- Erschienen: Januar 2006
- 15
Ein neuer Autor deutscher Zunge stellt sich vor
Eingeschlossen in einer Bergefste
Die Geschichte beginnt damit, dass eine zauberkundige Elfe mit ihrem magischen Schwert einen Gasthof unterhalb eines unwirtlichen Gebirgspasses betritt. Seit Jahrhunderten wird eine alte, verlassene Befestigung des sagenumwobenen Reiches Askir als Schutz und Rast genutzt. Einen solch harschen Wintereinbruch wie dieses Jahr aber hat auch der Wirt, dessen Familie die Herberge seit Generationen betreibt noch nie erlebt. Von den Schneemassen eingeschlossen, von der klirrenden, widernatürlichen Kälte gefangen gesetzt treffen im Inneren des geheimnisvollen Bauwerks Menschen, Elfen und Magier aufeinander.
Was sich zunächst als lästiges Ärgernis anliess, das entwickelt nur zu bald eine verhängnisvolle Eigendynamik. Havald, ein alternder Krieger hinter dem sich, wie bei den Meisten der Anwesenden mehr versteckt als zunächst ersichtlich ist, wollte eigentlich nur friedlich bei einem Glas Glühwein auf seinen Tod warten. Doch dann wird einer der Herbergsburschen von einem Werwolf ermordet. Die Suche nach dem Täter bringt Havald und die zauberkundige Elfe Leandra einander näher. Schnell wird deutlich, dass die meisten der Eingeschlossenen etwas zu verbergen habe. Eine Dunkelelfe – ausgebildet sowohl in der Heilkunst wie in der Kunst des Folterns, ein brutaler Räuberhauptmann und seine Bande, einfache Mienenarbeiter auf dem Weg nach Hause, Händler und deren Wächter, sie alle spielen, vom ewigen Schnee eingeschlossen, ihre undurchsichtige Rolle. Als der Schuldige des Mordes, ein Mienenarbeiter entdeckt und getötet wird, sollte sich die Situation beruhigen, doch dann sterben weitere Menschen, und das alte Gemäuer offenbart finstere Geheimnisse voller magischer Macht und verschollener Schätze.
Alte Geheimnisse zeigen ihre Wirkung
Tief unter dem Keller des Herbergsturms liegt eine alte, magische Kultstätte versteckt. Vor Jahrhunderten wurden die Elitetruppen des Kaiserreichs Askir hierher entsandt, um die von untoten Zwergen bewachte Kreuzung magischer Feldlinien für das Reich zu sichern. Verrat aus den eigenen Reihen liess die Mission damals scheitern. Jetzt, Jahrhunderte später, hat etwas die uralten Kräfte geweckt, der unnatürliche Sturm und die Manifestationen in der ehemaligen Zitadelle sind nur erste Hinweise auf Kräfte, die die Welt vernichten könnten. Der durch den Gebrauch seines Schwertes mit ewiger Jugend verfluchte Havald stellt eine ungewöhnliche Expedition zusammen. Zusammen der Dunkelelfe, Wächtern, einer der Töchter des Wirts in die der Geist einer der Söldnerinnen Askirs gefahren ist und weiteren Helfern machen er sich auf, den flüchtigen Verräter zu verfolgen. Die Spur führt sie tief unter das Gebirge, vorbei an tückischen Fallen Zwergischer Ingenieurkunst bis hin zum ehemaligen Hochaltar eines Wolfskults – dem Kreuzpunkt der magischen Linien. Doch werden ihr vereinte Kräfte reichen, den uralten Magier im Zentrum seiner Kräfte zum Straucheln zu bringen?
Richard Schwartz, so weiss der verlagsseitige Waschzettel zu berichten, ist ein Newcomer auf dem phantastischen Romanparkett. Aus der Rollenspiel-Szene kommend, legt er mit diesem Roman sein Debut vor.
Selbstbeschränkung statt detailverliebter Welt
Ungleich vielen anderen jungen Autoren versucht er seine Leser nicht mit einer minutiös durchgeplanten Welt förmlich zu erschlagen, sondern konzentriert seine Handlung auf einen streng eingegrenzten Bereich. Eine eingeschneite alte Herberge im Gebirge, arg viel mehr erfahren wir über die Welt kaum. Zwar gibt es erste weiterführende Hinweise, über die Besiedelung der Länder durch das verschollene, sagenumwobene Reich Askir und über einen aktuellen Konflikt doch alles weitere bleibt im Verborgenen.
Und doch langte das Wenige aus, damit Schwartz mich über fast 400 Seiten förmlich an die Seiten bannte. Nicht grosse Landschaftsgemälde oder phantatsische Settings sind es, nicht eine minutiös und in sich logisch aufgebaute Pseudo-Historie die mich die Seiten voller Spannung umblättern lies, sondern die beschriebenen Personen und ihre Geheimnisse wussten zu faszinieren. Schon der Beginn des Romans ist exemplarisch. Eine betörend attraktive Elfin kommt in einen Gastraum, und sorgt sorgt gleich für klare Verhältnisse. Sie stellt sich und ihr magisches Schwert vor, dünstet förmlich durch jede ihrer Poren den Geruch von Gefahr aus. Was führt diese Kämpferin in die abgelegene Herberge, wie kam sie zu der Waffe? Oder der ergraute, müde Havald. Der alte Kämpfer sehnt sich nach der ewigen Ruhe des Grabes. Weder Glühwein noch der Anblick einer schönen Frau vermag ihn zu wärmen, so dachte er zumindest. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. Die Dunkelelfin, der Händler, der Wirt, sie alle umgibt ein Fluidum des Rätselhaften, das sie für den Leser interessant macht. Man ahnt, ja weiss, dass sich mehr hinter den zunächst oberflächlich, ja stereotyp auftretenden Gestalten verbirgt. Das sind oftmals nur geschickt eingefädelte Kleinigkeiten, die nicht ins zunächst so klare Bild passen, die kaum auffallen, aber eben deshalb die Aufmerksamkeit des Lesers wecken.
Von der Zusammensetzung ähnelt vieles den bekannten Rollenspiel-Szenarien, nur um dann doch eigene Wege zu gehen. Mit zunehmender Dauer wandeln sich die Figuren, und rücken dann die Geheimnisse ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Zunächst scheinen diese nicht viel miteinander zu tun zu haben. Nach und nach erfahren wir dann mehr über unsere Gestalten, dann über die Historie der ehemaligen Feste. Und plötzlich beginnen sich die Elemente wie bei einem Puzzle zueinander zu gesellen. Erst in der Nachschau wird dann deutlich, wie geschickt der Autor hier geplant hat, so dass sich die Teile in sich logisch und doch überraschend ineinander fügen. Zusammengehalten wird das Ganze durch die sehr intensiv beschriebene Stimmung des auf einen kleinen Raum zusammengepferchten Gäste, die durch einen Unbekannten oder einen Fluch bedroht werden. Hier hat es Schwartz sehr gut verstanden die Atmosphäre der Beklemmung, die durch die Abgeschlossenheit der Feste durch das diese einigelnde Eis und die Bedrohung durch den Unbekannten entsteht festzuhalten. Die Sitten verrohen zusehends, es bilden sich einander misstrauisch gegenüberstehende Gruppen, es kommt zu Anfeindungen und ersten tätlichen Übergriffen. Psychologisch dicht wird insbesondere die zunehmende Furcht gerade auch unter den Wirtstöchtern geschildert. Die Spannungskurve nimmt ständig zu, bevor diese in einem actionreichen Finale eine befriedigende Auflösung erfährt.
Der erste Band der Geheimnisse von Askir zeigt uns einen Autor, der es geschickt verstanden hat gewohnte Fantasy-Szenarien aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel zu beleuchten, der atmosphärisch dicht zu erzählen weiss und dessen Figuren uns zu fesseln vermochten. Ein sehr gelungenes Debut das auf mehr aus seiner Feder hoffen lässt.
Richard Schwartz, Piper
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