Kompetenzgerangel vor Action
Ich persönlich hätte Greg Bears ";Quantico"; nicht unbedingt als Science Fiction eingestuft. Der Heyne-Verlag hat es getan, also übernehmen wir das auch so, zumal die Grenzen zwischen den Genres oftmals fließend verlaufen. Zugegeben, ";Quantico"; spielt in einer nahen Zukunft. Einer Zukunft, die uns den nackten (Jahres-)Zahlen nach um ein paar Werte voraus ist. Einer Zukunft allerdings auch, die uns jederzeit – auch heute schon – ereilen könnte.
";Die in diesem Roman beschriebenen biologischen Waffen und Prozesse sind denkbar, allerdings nicht in der von mir dargestellten Funktionsweise";, schreibt der Autor am Ende des Buches. ";Diese Gefahren sind keine Hirngespinste, sie bedrohen uns hier und jetzt."; Dem ist in dieser Hinsicht nichts hinzuzufügen, und genau dies ist das Erschreckende an diesem fiktiven Roman, der sich durch diese Tatsache bereits meilenweit davon entfernt ";Science Fiction"; zu sein.
Als Einstieg präsentiert uns der Autor zunächst einige Kapitel an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten, mit verschiedenen Personen. Nur soviel wird zunächst klar: es geht um eine neuartige biologische Waffe, die ein Amerikaner zu verkaufen versucht. Nach weiteren Szenenwechseln, in denen wieder neue Charaktere eingeführt werden, scheint es in Kapitel 5 dann allmählich zur Sache zu gehen. Doch zunächst wird nur beobachtet. Ein Einsatzkommando des FBI unter der Leitung von Sonderagent Erwin Griffin hat sich auf die Lauer gelegt, um den ";Patriarchen";, der sich als Führer einer militanten Sekte mit seinen Leuten auf einer kleinen Farm in Kalifornien niedergelassen hat, dingfest zu machen. Da man auf der Farm Explosivwaffen vermutet, kann man das Gelände nicht einfach stürmen, und so versucht sich Griffin inkognito das Vertrauen des ";Patriarchen"; zu erschleichen. Doch der Verbrecher kommt Griffin schnell auf die Spur. Bei einem Schusswechsel geht Griffin als Sieger hervor, der ";Patriarch"; wird getötet.
Doch damit beginnt die Arbeit des FBI erst. Die Suche nach den vermuteten Waffen wird zu einer gefährlichen Angelegenheit. Mit den neuesten technischen Spielereien ausgestattet macht man sich mit Frontmann Griffin an die Arbeit. Zentimeterweise durchsucht man die Gebäude, denn man muß mit Fallen aller Art rechnen. Die Aktion wird sogar per Videoschaltung zur FBI-Academy nach Quantico übertragen, wo Griffins Sohn William derzeit seine Ausbildung beendet. William wird dabei Zeuge, wie die ganze Farm in einer gewaltigen Explosion in die Luft fliegt, mit seinem Vater im Inneren der Scheune.
Aufgrund der persönlichen Beziehung kommt William Griffin nun überraschend zu seinem ersten Einsatz. Gemeinsam mit der Agentin Rebecca Rose wird er beauftragt, die Untersuchungen fortzuführen.
Nüchtern und emotionslos a la Forsyth
Mit seiner nüchternen und weitgehend emotionslosen Darstellung erinnert Greg Bear stark an Frederick Forsyth. Anders als dieser jedoch lässt er noch weniger zu, daß der Leser eine Beziehung zu den Charakteren aufbauen kann. Ich erwarte zwar in einem militärischen Thriller nicht unbedingt Liebesszenen und Herzschmerz, doch ein wenig mehr Tiefgang hätte den leblosen Figuren gutgetan.
Mit den Motiven der Verbrecher führt der Autor die Leser zunächst an der Nase herum. Von dem hochtrabenden Aufbau um politische Gruppierungen und religiöse Fanatiker und ihren weltumstürzlerischen Plänen bleibt zum Schluß eine recht simple Lösung übrig, die natürlich nicht außer Acht lässt, daß da im Hintergrund auch andere Dinge passieren.
Kompetenzgerangel zwischen großen und gernegroßen Organisationen sowie deren Repräsentanten überlagert wieder einmal das eigentliche Geschehen. Natürlich bleibt man somit (leider) nahe an der Realität, für den Leser aber wird dies irgendwann nur noch nervig.
Der ";Science Fiction-Anteil"; des Thrillers ist relativ gering, denn dort hat Greg Bear sein Potential nicht ausgeschöpft. Er hat sich da zwar einen wirklich fiesen Virus ausgedacht, den man in dieser Art und Weise noch nicht kennt, versäumt es aber leider, die Folgen weiter auszumalen.
Enttäuschend verläuft nach meinem persönlichen Geschmack der Showdown. Zu keinem Zeitpunkt seiner minutiösen Darstellung schafft es der Autor hier, auch nur ansatzweise die Spannung aufkommen zu lassen, die man aufgrund der Intention der Verbrecher erwartet hätte. So spult er die Handlung mit seiner Routine ab bis zum nicht sehr befriedigenden Ende.
Zum Schluß noch ein Lob und einen Tadel
Ein Lob an die Übersetzerin Usch Kiausch, die unübersetzbare Wortspiele – von denen einige vorkommen – mittels Fußnoten erklärt. Sehr gut auch ihr ausführliches 11-seitiges Glossar am Buchende. Nur wurde leider versäumt, Verweise darauf an den entsprechenden Textstellen anzubringen.
Ein Tadel dagegen geht an den Verlag, dem man den Klappentext sowie die Innenseiten-Zusammenfassung ankreiden muß. Leider wird hier wie so oft wieder viel zuviel verraten. Die beiden Texte zusammengenommen bilden bereits eine komplette Inhaltsangabe des Romans.
Greg Bear, Heyne
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