Hämmer auf Knochen: Persons Non Grata, Buch 1 (Cemetery Dance Germany SELECT '24 - LOVECRAFTIAN VIBES 1)
- Buchheim Verlag
- Erschienen: Dezember 2024
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Hardboiled-Detektiv verspeist Gegner roh
Jacob Persons ist ein hartgesottener Privatdetektiv, der in London nicht nur in den üblichen Verdachtsfällen ermittelt: Er gehört einer außerirdischen Rasse an und hat das Gehirn seines menschlichen Wirtes übernommen, dessen Körper und Geist er nun steuert. Deshalb hat er einen ‚siebten Sinn‘ für übernatürliches Treiben, denn auf der Erde leben seit Urzeiten viele weitere seltsame Wesen aus fremden Welten und Dimensionen. Vor allem die Großen Alten, bereits vor dem Urknall existierende Wesen von den Sternen, und ihre Erfüllungsgehilfen und Sklaven bemühen sich, die Erde in jenes Chaos zu stürzen, das ihren Herren behagt.
Schlagen diese Schergen gar zu sehr über die Stränge, verweist Persons sie in ihre Schranken. Notfalls tötet er sie; sein aktueller Auftrag beinhaltet dies sogar ausdrücklich. Der elfjährige Abel weiß um Persons’ Geheimnis. Sein Stiefvater ist ebenfalls eine in Menschenhaut geschlüpfte, aber durch und durch böse Kreatur, die Abel und vor allem seinem vierjährigen Bruder James nachstellt und sich bald ihrer bemächtigen wird.
Persons übernimmt den ‚Fall‘. Da er menschliche Masken durchschauen kann, findet er bald den angeblichen Arbeiter McKinsey, den er als Mitglied einer Rasse identifiziert, deren Angehörige sich über die Erde ausbreiten wollen. Schon mehrere Pechvögel hat ‚McKinsey‘ infiziert, und jetzt sollen auch die Kinder folgen ...
Das Universum jenseits des irdischen Horizonts
Können zwei Genres formal und vor allem inhaltlich stärker kontrastieren? Der Horror lebt vom Wirken des Übernatürlichen, während der Krimi auf Logik und die Einhaltung der Naturgesetze pocht: Kein Wunder, dass genau dieser Widerspruch Autoren reizt! Also ist John Persons keineswegs der erste Privatdetektiv, der sich mit schleimig-schlimmem Gezücht aus den finstersten Winkeln des Universums herumschlagen muss. Selbst Sherlock Holmes trat in zahlreichen ‚neuen‘, nicht mehr von Arthur Conan Doyle geschriebenen Fällen gegen Cthulhu und seine Brut an.
Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) blieb die verdiente breite Anerkennung als Meister des modernen Horrors verwehrt; er starb früh und erlebte nicht mehr, wie sich seine Schöpfung, der Cthulhu-Mythos, nicht nur behauptete, sondern wuchs und gedieh. Heute ist er präsenter denn je: Immer neue Autoren fügen dem von Lovecraft geschaffenen Mosaik einer alternativen Weltgeschichte, die schon seit Jahrmilliarden von bösen oder besser: fremdartigen Entitäten belebt und bestimmt wird, weitere Steinchen ein. Die Erde ist demnach nur ein Schauplatz eines ewigen Krieges, den diese Wesen ausfechten. Der Mensch bekommt höchstens Zipfel dieser Historie zu fassen, denn solange kein Mitglied besagter ‚Götter‘ die Oberhand gewinnt, sollen die Menschen möglichst ahnungslos gehalten werden.
Cassandra Khaw (geboren 1984 als Zoe Khaw Joo Ee in Malaysia) reihte sich 2016 in das Feld der Lovecraft-Epigonen ein. „Hämmer auf Knochen“ ist der erste Teil einer Serie um John Persons (und deren zweiter Band als „Ein Lied für die Stille“ in der Reihe „Cemetery Dance Germany Select“ bereits vorliegt). Sie schuf John Persons als letzten auf Erde verbliebenen Angehörigen der „Großen Rasse von Yith“. Diese geht auf Lovecraft zurück. Er stellte sie in der 1936 erschienenen Novelle „The Shadow Out of Time“ (dt. „Der Schatten aus der Zeit“) in den Mittelpunkt; ein Meisterwerk, in dem der Autor Horror und Science Fiction kongenial miteinander verschmolz. Die Yith haben vor Jahrmillionen ihren Körper aufgegeben. Als Geistwesen können sie Raum und Zeit überwinden. Am Ziel ihrer Reise suchen sie sich Körper, in denen sie die neue Heimat in Besitz nehmen. Vor 200 Millionen Jahren verließen die Yith ihren Heimatplaneten und siedelten auf die Erde über. Weit vor der Entstehung des Menschen fanden sie in einer von Dinosauriern dominierten Welt Wirtskörper, deren Hirne yithkompatibel waren. Als ein Feind sie bedrohte, flüchteten sie in eine irdische Zukunft, in der die Menschheit längst ausgestorben ist bzw. von einer neuen Intelligenz, den insektoiden Coleopteran, ersetzt wurde.
Harter Kerl mit scharfem Innenleben
John Persons schloss sich diesem Exodus nicht an. Nach eigener Aussage gefällt es ihm auf der ‚gegenwärtigen‘, von Menschen besiedelten Erde besser. Also blieb er und passte sich an. Mit seinem Wirt lebt er in einem brüchigen Burgfrieden; beide profitieren von ihrer Verbindung, die dennoch nicht frei von Konflikten ist. Abel und James verdanken Persons’ Unterstützung auch dem menschlichen und des Mitleids fähigen ‚Mitbewohner‘.
„Hämmer auf Knochen“ war 2017 unter den Finalkandidaten für den besten Kurzroman für einen „Locus“ und einen „British Fantasy Award“. (In diesem Jahr ging Khaw leer aus, doch für ihre Storysammlung „Breakable Things“ zeichnete man sie 2022 mit einem „Bram Stoker Award“ aus.) „Hämmer auf Knochen“ ist interessant, aber nicht innovativ, die Grundidee ein bekannter, oft genutzter SF-Plot, und in der Umsetzung reiben sich Horror und Krimi, die nur schwerfällig miteinander sympathisieren.
John Persons soll ein uraltes, von buchstäblich unmenschlichen Erfahrungen gezeichnete Wesen darstellen, das in einer nur oberflächlich ‚diesseitigen‘ Gegenwart ihre brüchige Sprosse gefunden hat. Wer sich wie ‚McKinsey‘, ein gestaltwandlerischer, primitiv auf seine triebhaften Bedürfnisse reduzierter Shoggoth, mit ihm anlegt, wird ausgelöscht. Von den Mächten, die wiederum ihn ausradieren könnten, hält Persons Abstand; in „Hämmer auf Knochen“ ergibt sich ein kurzer Kontakt mit Shub-Niggurath, eine der „Großen Alten“, die ganz oben in der kosmischen Hierarchie steht (und ebenfalls auf Lovecraft zurückgeht).
Das Fremdartige bändigt das Böse
Dass Khaw ausgerechnet John Persons wie eine Inkarnation jener Detektive darstellt, die in den Pulp-Magazinen der 1920er bis 50er Jahre einsam, trinkfest und zynisch, aber ehrlich bis auf die Knochen ihrem ebenso undankbaren wie geliebten Job nachgingen, soll mit seiner persönlichen Vorgeschichte korrespondieren. Es will sich wie gesagt nicht fügen. Persons ist einfach kein Mensch, der sich hinter einer Maske aus Abgebrühtheit und Weltschmerz versteckt. Er mag sich im London des 21. Jahrhunderts heimisch fühlen, aber der Grund bleibt rätselhaft, denn integriert ist er nicht.
Immer wieder muss er gegen seine ‚unmenschliche‘ Seite kämpfen, die dem Körper, der auch Gefängnis ist, entrinnen will. Als dies geschieht, sind die Folgen hässlich: Khaw setzt in diesen und anderen Szenen auf rabiaten Splatter-Horror und ergeht sich liebevoll in Details, wenn Körper im wahrsten Sinn des Wortes zerwirkt und zu Brei zermalmt werden.
Bis es soweit ist (und im Finale enthüllt wird, dass und wie Persons dabei manipuliert wurde), erleben wir eine Abfolge bekannter Horror- bzw. Krimi-Routinen. Die „hard-boiled“-Atmosphäre wirkt aufgesetzt, die Schlechtigkeit der Welt wird förmlich zelebriert, die ohnehin seltenen Anwandlungen von Mitleid (= Schwäche) rächen sich für Persons prompt. Man spürt kein Mitgefühl, denn wirklich in existenzielle Nöte gerät unser ‚Detektiv‘ nie. Rasch ist der Fall geklärt, es folgt noch ein zukünftige Verwicklungen vorbereitender Epilog, dann ist Persons bereit für eine Fortsetzung: So könnte es weitergehen, da Khaw plotübergreifende Ereignisse nicht nur andeutet (und dann hoffentlich besser in die Handlung integriert).
Fazit:
Routiniert auf Form und Härte getrimmte Erzählung, die dem schwachen Plot glücklicherweise keine allzu seitenstarke Umsetzung zumutet. Für eine Serie werden Weichen gestellt, das Geschehen folgt bewährten Horrorroutinen: Kann (und sollte) besser werden!
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Cassandra Khaw, Buchheim Verlag
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