Giganten aus der Ewigkeit

  • Pabel
  • Erschienen: Januar 1960
  • 0
Giganten aus der Ewigkeit
Giganten aus der Ewigkeit
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Michael Drewniok
40°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2024

Blob-Alien will die Erde fressen

Über Kansas im mittleren Westen der USA geht unweit des Städtchens Ingalls ein besonderer ‚Meteorit‘ nieder. Aus seinem Inneren kriecht ein grüner Schleim, der umgehend wild zu wuchern beginnt. Wer sich in seine Nähe wagt, ist verloren, denn das fremde Wesen entwickelt Fangarme und greift sofort zu. Was von der Kreatur absorbiert wird, löst sich auf und wird somit ‚gefressen‘. Dabei macht der Schleim vor keiner Substanz Halt. Selbst Steine, Metall oder Plastik werden verschlungen.

Bevor die Öffentlichkeit registriert, welche Gefahr buchstäblich heranwächst, bedeckt der Schleim bereits eine beachtliche Grundfläche. Zahlreiche Menschen sind ihm bald zum Opfer gefallen. Kugeln, Feuer oder Gift bleiben ohne Wirkung. Der grüne Fleck breitet sich immer schneller aus.

Der Biologie Oliver Norfleet, sein Kollege und Freund Spencer Poge sowie die Physikerin Caris Bridge wollen dem Schrecken ein Ende zu bereiten. Intensive wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen zunächst, dass gegen den Schleim kein Kraut gewachsen ist. Stattdessen wird er zum wichtigsten Bestandteil eines Mittels, mit dem längst verstorbene Lebewesen aus dem Jenseits zurückgerufen werden können. So kann Norfleet bald auf die Hilfe verstorbener Kollegen zurückgreifen: Sir Isaac Newton, Thomas Alfa Edison, Madame Curie und andere Giganten der Wissenschaft stürzen sich mit ihm in den Kampf gegen den Schleim.

Derweil entwickelt Spencer Poge einen veritablen Cäsarenwahn. Er will den Schleim nutzen, um sich zum Herrscher der Erde aufzuschwingen, und zwingt ihn in monströse Gestalten, die er in den Kampf gegen jene schickt, die seine Pläne durchkreuzen wollen. Dazu gehören vor allem Norfleet, Caris und die Forscher-Koryphäen aus der Vergangenheit. Diese leisten auch in ihrem zweiten Leben Großes und entwickeln Waffensysteme nie gekannter Stärke. Der Krieg gegen den von Poge beherrschten Schleim scheint dennoch vergeblich und das zweite Leben der wiederbelebten Genies begrenzt zu sein ...

Es kam aus dem Weltraum

Manly Wade Wellman (1903-1986) gehört zu jener Generation von Schriftstellern, die ihre ersten Veröffentlichungsschritte in den „Pulp“-Magazinen unternahmen. Ab 1926 gab es davon unzählige, und sie gierten nach langen und kurzen Texten, wobei sämtliche Genres abgedeckt wurden. Dies war günstig für Wellman, der zwar die Phantastik bevorzugte, dabei jedoch vor Grenzüberschreitungen nicht zurückschreckte, d. h. gern mit den Genres ‚spielte‘.

Seit 1927 war er aktiv und Teil eines Milieus, das Qualität zwar duldete, aber nicht extra honorierte. Nur der schnelle Schreiber konnte sein Auskommen finden, wobei die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise die Situation noch labiler werden ließ. Wellman passte sich an. Ihm wird aus Kritikersicht vor allem handwerkliches Geschick bescheinigt, und man stellt ihn über viele seiner heute zu Recht vergessenen „Pulp“-Kollegen. Nichtsdestotrotz musste Wellman vor allem sich und seine junge Familie ernähren, weshalb er oft weniger schriftstellerisch tätig war, sondern stattdessen bezahlten Text produzierte.

„Giganten aus der Ewigkeit“ zeigt ‚beide‘ Wellmans. Erstmals erschienen 1939 in der Juli-Ausgabe des Magazins „Startling Stories“ (und zwanzig Jahre später als Buchroman), bietet das erste Drittel dieser Geschichte eine altmodische, aber solide und stimmungsvolle Mischung aus Science Fiction und Grusel. Lange bevor der „Blob“ als „Schrecken ohne Namen“ 1958 über die US-amerikanische Provinz herfiel, kreierte Wellman eine ähnliche Kreatur, die unaufhörlich wuchert, offenbar unsterblich ist und Pechvögel nicht einfach verschlingt, sondern gruselig „absorbiert“.

Die Logik im Mixer des Trivialen

Dies wird vom Verfasser effektvoll in Szene gesetzt, wobei ihm heute der Nostalgiefaktor hilfreich zur Seite steht. Schauerlich wird es erst, als Wellman seine Fantasie schießen lässt; dies allerdings unfreiwillig, denn die vielversprechende Story entwickelt sich zur grotesken Parodie spannender Unterhaltung.

Urplötzlich schlägt die Stimmung um. Was sich bisher langsam, aber gelungen entwickelte, wird zur Farce und der Schleim, um den sich alles drehte, praktisch nebensächlich. Stattdessen entwickelt er Eigenschaften, die sich beim besten Willen nicht nachvollziehen lassen: Fällt man hinein, wird man nicht immer aufgelöst, sondern kann unversehrt bleiben und dem Schleim sogar Befehle erteilen. Dies führt dazu, dass der leutselige Spencer Poge zum verrückten Welteroberer mutiert.

Dass er bisher Norwoods bester Kumpel war, soll für Dramatik sorgen. Hinzu kommt Poges Niederlage bei der Werbung um eine schöne Frau. Caris Bridge ist die Tochter eines berühmten und einflussreichen Wissenschaftlers und wird vor allem deshalb fachlich anerkannt. Sie ist wagemutig, weiß aber trotzdem, wann sie fraulich zurückstecken und Oliver Norfleet, dem eigentlichen Helden (und zukünftigen Gatten), das Feld überlassen muss.

Dem Irrsinn die Grenze öffnen

Die daraus resultierenden Handlungssprünge und Logiklücken sollen durch Simpel-Action und Hetzjagden überbrückt werden, die vor allem den Text verlängern und das Autorenhonorar erhöhen sollten; bezahlt wurde von den „Pulps“ nach Wortzahl. Parallel dazu öffnet Wellman einen weiteren Handlungsstrang, der jeglicher Glaubwürdigkeit den Todesstoß versetzt: Siehe da, man kann aus dem Schleim ein Wundermittel destillieren! Tränkt man morsche Knochen damit, steht kurz darauf sogar ein längst verstorbener Mensch quicklebendig auf!

Bald ist die US-Regierung eifrig und weltweit mit der Exhumierung in die Geschichtsbücher eingegangener Forscher beschäftigt. Pasteur, Newton, Curie, Darwin und Edison benötigen keine Zeit, um sich über ihre Wiederkehr zu wundern oder an die Gegenwart zu gewöhnen. Sie spucken in die Hände und ‚produzieren‘ Wunderwaffen in Serie, denn nach wie vor sind sie sämtlichen modernen Kollegen überlegen, obwohl sie zum Teil Jahrhunderte der Wissenschaft versäumt haben.

Dabei setzt ihnen Wellman keinerlei Grenzen. Sogar eine gigantische, raumflugtaugliche Schleimfalle erfindet das Dreamteam, während Norwood damit beschäftigt ist, die plumpen Attacken des schleimgrünen Ex-Kumpels Poge abzuwehren. Um diese wenigstens ansatzweise gefährlich wirken zu lassen, gibt Norwell seinem Hang zu facepalmwürdig sinnlosen Ein-Mann-Unternehmen nach, statt in irgendeiner Weise planvoll zu handeln.

Als Leser setzt man die Lektüre in erster Linie fort, weil man sich fragt, ob und wie Wellman die in den Irrwitz getriebene Story wieder einfangen und zu Ende bringen will. In dieser Hinsicht wird man nicht enttäuscht, wobei sich bestätigt, dass die „Pulps“ in der Tat eine wahre Hexenküche kruder Plots waren, die manchmal originelle und immer wieder aufgegriffene Einfälle in die Welt setzten. Freilich stellt Wellman mit „Giganten aus der Ewigkeit“ ebenfalls dar, dass sich ein Feuerwerk absurder Einfälle keineswegs zu einer gelungenen Geschichte fügen muss. Dieses Werk ist kurios, aber selbst als essenzielle Trivialliteratur keine Wiederentdeckung.

Fazit:

Klassisch und stimmungsvoll startendes SF-Horror-Garn, dessen Plot in der zweiten Hälfte jegliche Bodenhaftung verliert und quasi zu delirieren beginnt. Die Konsequenz der grotesken und rücksichtslos auf den Effekt getrimmten Handlungsführung beeindruckt, stellt aber Leser auf eine harte Probe: Dies ist Pulp in seiner reinsten, d. h. nicht zwangsläufig gelungenen Form.

Giganten aus der Ewigkeit

Manly Wade Wellman, Pabel

Giganten aus der Ewigkeit

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