William

  • Heyne
  • Erschienen: November 2024
  • 1
William
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André C. Schmechta
70°1001

Phantastik-Couch Rezension vonDez 2024

Horror-Kammerspiel mit High-Tech-Setting

Die Softwareentwicklerin und Unternehmerin Lily und ihr Ehemann, Robotik-Ingenieur Henry, erwarten ihr erstes Kind. Doch die beiden sind nicht allein. In einem Labor auf dem Dachboden ihrer Villa lebt William, ein von Henry erschaffenes künstliches Bewusstsein. Über einen langen Zeitraum hat Henry sich ausschließlich diesem Projekt gewidmet. Als eines Tages Gäste ins Haus kommen, lässt sich Henry erstmals zu einer gemeinsamen Begegnung mit William überreden. Diese läuft anders als erhofft und Henry beschließt William abzuschalten. Doch damit fangen die Probleme in der Villa erst an.

Mason Coile ist das Pseudonym des kanadischen Autors Andrew Pyper, der unter diesem Namen in den letzten Jahren in Deutschland aber meines Wissens nicht groß in Erscheinung getreten ist. Mit seinem aktuellen Roman begibt er sich auf das derzeitige Trend-Terrain Künstliche Intelligenz. Und die Titelgebende, von Henry erschaffene technische Kreatur, sollen wir dann auch schon nach einigen Seiten kennenlernen. Nicht nur sein offenbar unansehnliches Äußeres und die Bewegungseinschränkungen machen ihn auf Anhieb unheimlich. Auch bereitet er mit seiner intelligenten und provokanten Art reichlich Unbehagen. Es ist nicht verwunderlich, dass William zur ernsthaften Bedrohung werden soll.

Für den technologischen Unterbau wendet Coile nicht sonderlich Zeit auf und konzentriert sich darauf, schnell Spannung aufzubauen, Bewohner und Gäste der Villa in eine missliche Lage zu versetzen. Nicht nur das Labor, das gesamte Haus ist mit Hightech ausgestattet. Etwas, das - wie wir schon oft in Roman und Film erfahren durften - nicht immer zum Vorteil gereichen muss. Licht, Fenster, Türen, Elektro-Geräte und vieles mehr ist computergesteuert und reagiert auf Sprachbefehle. Modernste Sicherheitstechnik soll vor Einbruch und Diebstahl schützen. Doch dieser vermeintliche Komfort schlägt auch hier schon bald ins Gegenteil um. William übernimmt die Kontrolle und aus dem Haus gibt es kein Entkommen mehr.

Mason Coile erzählt kompakt mit gutem Tempo und entfaltet ein beklemmendes Horror-Szenario. Dabei setzt er auf vereinzelte wirkungsvolle Szenen und bedient sich dabei immer wieder typischer Genre-Stilmitteln: Getrenntes Erkunden des Hauses, weitere KI-Kreaturen mit Eigenleben, Tatort Badezimmer, natürlich ein Keller… Zwar gibt es dabei keine sonderlich raffinierten Akzente und Wendungen, ein ums andere Mal wird arg konstruiert und die Glaubwürdigkeit strapaziert, doch werden wir gut bei der Stange gehalten und zudem früh auf eine falsche Fährte geführt.

Es ist dann ein mehr als überraschender und gelungener Twist, mit dem Coile zum Ende die Geschehnisse in der Villa nicht nur in ein neues Licht rückt, sondern quasi auf den Kopf stellt. Dann wird auch verständlich, warum eine der bis dahin großen Schwächen des Romans in gewisser Hinsicht unausweichlich war. Coile verleiht seinen Figuren wenig Konturen, gestaltet deren Beziehungsgeflecht detailarm und oberflächlich. Wir erleben Henry und Lily einer vermeintlichen Beziehungskrise. Henry hat nicht nur lange Zeit das Labor als seinen Lebensmittelpunkt gewählt, sondern kann wegen einer Angststörung auch das Haus nicht verlassen. Und dann befürchtet Henry auch noch eine Liebschaft zwischen seiner Frau und David, einem der Gäste.

Philosophische, moralische und ethische Aspekte werden auf den 300 Seiten nur grob angerissen und eher zurückhaltend, aber dennoch passend in das Finale eingeflochten.

Fazit:

Mason Coile muss die Herausforderung meistern, über die gesamte Länge seines Romans den Plot nicht zu gefährden. Das gelingt ihm, geht aber zu Lasten der Atmosphäre und den nur wenig Raum greifenden, psychologischen und emotionalen Wirkungsmechanismen der Ereignisse. Trotz knackiger Auflösung bleibt so ein zwar kurzweiliges und streckenweise durchaus spannendes, aber nicht gänzlich überzeugendes Horror-Kammerspiel mit High-Tech-Setting.

William

Mason Coile, Heyne

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