Fractal Noise - Mission ins Ungewisse

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Oktober 2024
  • 0
Fractal Noise - Mission ins Ungewisse
Fractal Noise - Mission ins Ungewisse
Wertung wird geladen
Sebastian Fischer
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2025

Ein Loch mit Sogwirkung

Christopher Paolini ist vor allem dafür bekannt, sein schriftstellerisches Talent schon in jungen Jahren entdeckt zu haben. Bereits im Alter von 15 Jahren begann der US-Amerikaner, die Eragon-Saga zu verfassen. Was er damals noch nicht wusste: Seine Drachenreiter-Bücher würden ein Welterfolg werden.

Nach Abschluss der Eragon-Bücher war es längere Zeit still um den Autor. Im Jahr 2020 erschien dann Paolinis erster Science-Fiction-Roman „Infinitum – Die Ewigkeit der Sterne“ (eine Rezension hierzu von meiner Kollegin Lisa Reim-Benke findet ihr ebenfalls auf unserer Phantastik-Couch).

Im Oktober 2024 erschien nun Fractal Noise, ein kompakter Roman, der als Vorgeschichte zu Infinitum herhalten soll. Ich selbst habe Infinitum noch nicht gelesen und kann deswegen zum Großteil Entwarnung geben. Wie für Vorgeschichten üblich sind sie für Neueinsteiger ein gefundenes Pflaster, um entspannt den Weg in eine neue, phantastische Welt zu finden.

Viel Ego, wenig Einigkeit

Wir schreiben das Jahr 2234, als die SLF Adamura eine schockierende Entdeckung macht. Das Raumschiff ist zu fernen und unbewohnten Planeten unterwegs, um im Auftrag eines Weltraumunternehmens Forschung zu betreiben. An Bord befinden sich keine schwerbewaffneten Science-Fiction-Supersoldaten wie der Master Chief des Halo-Universums oder Darrow aus der Red-Rising-Saga. An Bord befinden sich lediglich ein Haufen Wissenschaftler, deren Selbstbewusstsein zwar an die eines Supersoldaten heranreicht, die sonst aber nicht viel mit den kampferprobten Genre-Vertretern gemein haben. Dementsprechend erwartet uns hier kein Spektakel-Feuerwerk mit Weltraumschlachten, sondern vielmehr eine dramatische Entdeckungsgeschichte, durchzogen von zwischenmenschlichen Interaktionen und wissenschaftlichen Aspekten. Aber keine Sorgen, liebe Leser, ein abgeschlossenes Physikstudium ist für diese Lektüre nicht vonnöten!

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht des Xenobiologen Alex. Unser Protagonist ist eine gebeutelte Seele. Seine Frau kam vor nicht allzu langer Zeit auf tragische Art und Weise ums Leben. Den damit einhergehenden Verlust hat Alex bislang nicht verkraftet. Düstere und lebensmüde Gedanken springen dem Leser ins Auge und dominieren Alex’ Gefühlswelt bis zum Ende des Romans.

Als eines Nachts ein riesiges Loch auf dem Planeten Talos VII entdeckt wird, ist der Crew der Adamura schnell klar, dass diese Entdeckung keines natürlichen Ursprunges sein kann. Die Fakten sprechen eine klare Sprache. Eine intelligente Spezies hat auf dem Planeten ihre Spuren hinterlassen. Die Wissenschaftler reißen sich darum, an einer Expedition zum Loch teilzunehmen. Jeder hält sich für den geeignetsten Kandidaten und möchte unbedingt in die Geschichtsbücher eingehen. Auch für Alex steht fest: Er muss mit dem Landungsteam auf den Planeten fliegen. Das Loch übt eine schwer einzuordnende Sogwirkung auf ihn aus, die vielmehr mit seinem Verlust als mit wissenschaftlichen Aspekten zu erklären ist.

Böses Blut

Als eine Vierercrew, inklusive Alex, auf dem Planeten abgesetzt wird und sich einem kilometerlangen Fußmarsch aussetzt, um das außerirdische Konstrukt und den Planeten zu untersuchen, beginnt die eigentliche Handlung des Romans. Dieser Gewaltmarsch ist geprägt durch ein hasserfülltes Miteinander der Wissenschaftler, die depressiven Gedankenstränge von Alex und die spannungsgeladene Atmosphäre, einen fremden Planeten zu erkunden. Ich sage es ausdrücklich: Von einem Science-Fiction-Roman erwarte ich, dass Letzteres im Vordergrund steht. Paolini dreht den Spieß jedoch um und stellt die Interaktionen der Wissenschaftler und insbesondere die tragische Gefühlswelt der Hauptfigur in den Vordergrund. Das Risiko des Autors zahlt sich aus. Überwiegend (später mehr dazu) gelingt ihm diese Gratwanderung, die Science-Fiction-Elemente als wunderbare Kulisse aufzufahren, in der unser personeller Fixpunkt mit genug Tiefgang daherkommt, um das Verständnis und Mitgefühl der Leserschaft zu wecken. Das Erreichen des Lochs wird für Alex eine allumfassende Sehnsucht, mit der er versucht, seine Seele zu heilen.

Es ist ein steiniger Weg, denn die Gruppe kann unterschiedlicher nicht sein. Es wird gestritten, gestichelt und gegen Ende sogar Gewalt ausgeübt. Insbesondere zwei Personen der starrköpfigen Expedition geraten aufgrund ihrer Weltanschauung immer wieder in harsche Konfliktsituationen. An diesem Punkt gilt es für mich einzuhaken, um zu erklären, warum dieser Titel eine „ 85+“-Bewertung verfehlt.

Paolini macht vieles richtig. Die Sogwirkung des außerirdischen Artefakts trifft den Leser ebenso wie die Schar der Wissenschaftler. Jeder neue Tropfen der Erkenntnis über das außerirdische Machwerk wird aufgesogen wie eine eisgekühlte Zitronenlimonade an einem heißen Sommertag. Die Expedition kämpft ununterbrochen mit den Widrigkeiten des Planeten und das Ziel der Mission rückt das ein oder andere Mal in weite Ferne, sodass ein Mitfiebern mit der Crew vorprogrammiert ist. Unser Protagonist weckt unsere Empathie und sorgt so für eine Verbindung zwischen Leser und Hauptfigur.

Doch mit den Streitereien der Crew schießt der Autor über das Ziel hinaus. Konflikte und Meinungsverschiedenheiten in Extremsituationen sind normal. Dagegen nimmt das immer wiederkehrende Gezanke über Gott und die Welt bzw. den Sinn des Lebens, auch wenn sich Alex hieran so gut wie nie beteiligt, dafür hat er viel zu sehr mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen, eine viel zu dominante Rolle im Handlungskonstrukt ein. An dieser Stelle wäre mehr Feingefühl für die Herausstellung des eigentlichen Aufhängers der Geschichte von großem Wert gewesen.

Außerdem lässt das Ende des Buches ein wenig zu wünschen übrig. Viele offene Fragen bleiben unbeantwortet. Möglicherweise bietet dieser Umstand genug Antrieb, sich mit Vorfreude auf Infinitum zu stürzen, um Offen gebliebenes in Erfahrung zu bringen.

Fazit:

Fractal Noise ist ein überaus gelungener Science-Fiction-Roman. Christopher Paolini beweist erneut, dass er auch abseits von Drachen eine gute Geschichte zu Papier bringen kann. Sowohl für Neueinsteiger als auch im Anschluss an Infinitum bietet dieses Werk genug Spannung und erzählerischen Tiefgang, um die Science-Fiction-Herzen höher schlagen zu lassen.

Fractal Noise - Mission ins Ungewisse

Christopher Paolini, Droemer-Knaur

Fractal Noise - Mission ins Ungewisse

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Fractal Noise - Mission ins Ungewisse«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Sci-Fi & Mystery
(MUSIC.FOR.BOOKS)

Du hast das Buch. Wir haben den Soundtrack. Jetzt kannst Du beim Lesen noch mehr eintauchen in die Geschichte. Thematisch abgestimmte Kompositionen bieten Dir die passende Klangkulisse für noch mehr Atmosphäre auf jeder Seite.

Sci-Fi & Mystery