Emily Wildes Atlas der Anderswelten
- Fischer
- Erschienen: Juni 2024
- 2
Fairy good!
Es gibt wahrlich einfacheres, als den zweiten Band einer Trilogie zu schreiben. Oft schwächelt der Mittelteil und kann nicht mit dem Vorgänger, respektive Nachfolger mithalten. Wie die ideale Fortsetzung aussieht, präsentiert uns Heather Fawcett mit vorliegendem, wunderschön gestaltetem Buch.
Servus und Grüss Gott!
Ein paar Monate sind vergangen, seit Emily und Wendell von ihrer Forschungsreise aus dem hohen Norden zurückgekehrt sind. In der Zwischenzeit ist einiges passiert. Emily hat eine Anstellung auf Lebzeit an der Universität von Cambridge erhalten, ihre veröffentlichte Enzyklopädie der Feen war ein voller Erfolg und sie arbeitet bereits an ihrem nächsten Projekt: Einem Atlas der Feenreiche.
Privat läuft es ebenfalls gut. Wendell Bambleby, ihr Kollege und Nervensäge in Personalunion, hat sich als waschechter Feenprinz herausgestellt und Emily einen Heiratsantrag gemacht. Sie hat zwar noch nicht "Ja" gesagt, aber die Vorstellung, gemeinsam mit ihm in seinem Feenreich zu herrschen, hat durchaus ihren Reiz. Leider muss zuerst noch die böse Stiefmutter vom Thron verscheucht und die geheime Tür gefunden werden, welche Wendell die Rückkehr in seine Welt erst ermöglicht.
Doch Emily wäre nicht Emily, wüsste sie nicht längst, wo mit der Suche nach der verborgenen Tür zu beginnen ist. Es geht nach Österreich, genauer gesagt in ein kleines Bergdorf namens St. Liesl. Dort ist vor vielen Jahren eine berühmte Feenforscherin verschwunden, die ebenfalls auf der Jagd nach Portalen in die Anderswelt war. Emily ist sich sicher: Das kann kein Zufall sein!
Den Zugang zu Wendells Reich zu finden, gestaltet sich dann schwieriger als erhofft. Dies liegt zum einen daran, dass St. Liesl von allerlei garstigen Feen heimgesucht wird, die Emily das Leben schwer machen. Zum anderen muss Wendell diverse Mordanschläge überstehen, die allesamt von seiner Stiefmutter verübt werden. Doch selbst alle Magie kann nicht verhindern, dass ein Attentat Wendell mit voller Wucht erwischt. Emily weiss, es liegt nun allein an ihr, den Weg in die Anderswelt zu finden. Und sie muss sich beeilen, denn selbst ein Feenprinz ist nicht unsterblich.
Wunderbare Anderswelten
Eine absolute Stärke des Vorgängers "Emily Wildes Enzyklopädie der Feen" war das Worldbuilding von Heather Fawcett. Genauso toll präsentieren sich die Anderswelten im vorliegenden Buch. Die Autorin verzaubert uns erneut mit mystischen Schauplätzen, welche bis ins kleinste Detail wundervoll ausgearbeitet sind und von allerlei verschiedenem Feenvolk bewohnt werden. Jede "Rasse" wird mit ihren Eigenheiten und Gebräuchen vorgestellt und wo nötig werden weitere wissenschaftliche Fakten in Form von Fussnoten präsentiert. Die Geschichte ist ebenfalls wieder als Tagebuch geschrieben, was gut zu Emilys wissenschaftlicher Arbeit passt.
Mit Emily zusammen in die Feenreiche einzutauchen, macht einfach ungeheuer viel Spass. Der Ideenreichtum von Fawcett hat mich wieder voll gepackt und ich bin begeistert, was für unglaubliche Anderswelten sie vor dem inneren Auge entstehen lassen kann. Selbstredend ist das kleine Volk wiederum alles andere als nett und lieb. Wie die Feen aus Band 1 sind auch die Wesen, welche wir in dieser Geschichte antreffen, mit äusserster Vorsicht zu geniessen. Wenn sie Hilfe anbieten, dann nie ohne Hintergedanken. Man tut gut daran, genau zu überlegen, ob man einen Handel mit ihnen eingehen will. Diese Unberechenbarkeit und Wildheit gefallen mir gut, da sie den Feen ein ganz anderes Image verleiht.
Alte und neue Bekannte
Emily und Wendell harmonieren wunderbar. So gegensätzlich sie sind, so gut funktionieren sie zusammen. Wendell tritt wie gewohnt charmant, witzig und von sich selbst überzeugt auf. Emily dagegen ist pragmatisch, nüchtern und mit zwischenmenschlichen Kontakten und Beziehungen schnell überfordert. Es ist jedoch während der Lektüre zu spüren, dass vor allem Emily sich weiterentwickelt hat. Sie wirkt offener wie auch zugänglicher, versucht zudem öfters Gefühle zuzulassen. Dies alles geschieht in passendem Tempo. Fawcett gibt ihrer Figur Raum und Zeit, um zu reifen.
Mit Emilys Nichte und dem Leiter der Universität Cambridge erhalten wir zwei Neuzugänge, welche die Reise nach Österreich begleiten. Sie fügen sich gut in das Gruppenkonstrukt ein und geben der Geschichte neuen Schwung und Pepp. Ebenfalls darf man sich auf das Wiedersehen mit alten Bekannten freuen, wie etwa Emilys Feen-Freund Poe.
Fazit:
Eine mehr als geglückte Fortsetzung! Wie bereits in Band 1 besticht Heather Fawcett erneut mit einem absolut gelungenen und wunderbar ausgearbeiteten Worldbuilding! Die Figuren haben sich spürbar weiterentwickelt und ergänzen sich ideal. Die Geschichte ist wiederum als Forscher-Tagebuch verfasst. Der Schreibstil jedoch ist noch besser als im Vorgänger, was dazu führt, dass der ganz eigene Zauber dieser Reihe sich schon von Anfang an entfalten darf.
Am 25. Juni 2025 erscheint der Abschlussband "Emily Wildes Kompendium der verlorenen Geschichten". (Eine Bitte meinerseits: Miss Wilde, lassen Sie mich auf Ihre nächste Expedition mitkommen!)
Heather Fawcett, Fischer
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