Der dunkle König
- Pabel
- Erschienen: August 1981
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11 x (schwarz-) magische, blutige, tragische Fantasy
- Hugh Walker: Vorwort, S. 7-13
- L. Sprague de Camp: Eudorics Einhorn (Eudoric's Unicorn), S. 14-38: Eudoric will eine Postkutschenlinie gründen, doch bevor sein Herrscher dies genehmigt, soll er ein Einhorn fangen und eine schauderhafte Adelstochter ehelichen.
- Gardner F. Fox: Dämonenschatten (Shadow of a Demon), S. 39-71: Söldner Niall gerät in der Stadt Angalore zwischen die Fronten eines Kampfes, der nicht mit dem Schwert, sondern mit Zauberkräften ausgetragen wird.
- Pat McIntosh: Der Ring aus schwarzem Stein (Ring of Black Stone), S. 72-95: Schwertmaid Thula versucht, den dämonisch aus dem Ruder laufende Rachefluch eines Kindes zu brechen.
- George R. R. Martin: Die einsamen Lieder Laren Dorrs (The Lonely Songs of Laren Dorr), S. 96-122: Auf ihrer ewigen Suche nach dem verschwundenen Geliebten verschlägt es Sharra auf eine Welt, deren einziger Bewohner sie beinahe in seinen Bann ziehen kann.
- Karl Edward Wagner: Der letzte Held (Two Suns Setting), S. 123-163: Kane, der Verfluchte, lernt einen Riesen kennen und begleitet ihn auf der Suche nach einer uralten Krone.
- Clark Ashton Smith u. Lin Carter: Die Treppe in der Gruft (The Stairs in the Crypt), S. 164-176: Nekromant Avalzaunt erwacht als lebender Toter und beginnt die Lebenden als Vampir heimzusuchen.
- Raul Garcia Capella: Das Lichtschwert (The Goblin Blade), S. 177-206: Glücksritter Briot und Zauberer Dalmask schleichen sich in die Burg Skernach, um den Eroberer Tormahan auszuschalten.
- C. J. Cherryh: Der dunkle König (The Dark King), S. 207-221: König Sisyphos betrügt den Tod, kann jedoch an dessen ‚Herz‘ rühren.
- Lin Carter: Schwarzes Mondlicht (Black Moonlight), S. 222-253: Barbar Thongor, derzeit Piratenkapitän, läuft mit seinen Männern eine Schatzinsel an, die allerdings monströs und dämonisch heimgesucht wird.
- Gary Myers: Der Rüssel im Alkoven (The Snout in the Alcove), S. 254-263: Der irdische Reisende in das Reich jenseits des Schlafes gerät in einen sich anbahnenden Krieg zwischen Mächten, die das Universum vernichten können.
- Charles R. Saunders: Der Mondteich (The Pool of the Moon), S. 264-288: Barbar und Glücksritter Imaro rettet, obwohl wieder einmal auf der Flucht, die schöne Nakulla vor einem hungrigen Unhold aus der Urzeit.
Zauber und Schrecken der meist handfesten Art
Zwischen 1975 und 1980 stellte Lin Carter (1930-1988), fleißiger Autor simpler, aber farbenfroher „Schwerter-&-Zauberei“-Erzählungen (und selbst mit einem Beitrag in dem hier vorgestellten Band vertreten), sechs Bände für den auf Phantastik spezialisierten US-Verlag DAW Books zusammen. Sie sammelten angeblich die „besten Fantasy-Storys des Jahres“; eine Behauptung, die in erster Linie Verlagswerbung transportierte. Stattdessen konzentrierte sich Carter auf ‚leichte‘ Fantasy, die sich an den „Conan“-Abenteuern orientierten, die Robert E. Howard Anfang der 1930er Jahre berühmt gemacht hatten.
Gardner Francis Fox (1911-1986), Karl Edward Wagner (1945-1994), Raul Garcia Capella (1933-2010), Charles R. Saunders (1946-2020) und Carter konfrontieren beinahe übermenschlich starke, von der dekadenten Zivilisation unangekränkelte Barbaren mit uralten Flüchen, hinterlistigen Verschwörern und anderen Bedrohungen, die nicht mit Geist und List, sondern mit roher Gewalt aufgelöst, zur Strecke gebracht oder sonstwie vom Erdboden getilgt werden.
Ein wenig aus dieser Reihe tanzt Wagner, der seinen Kane zwar genretypisch kampfstark darstellt, ihn aber auch mit einem scharfen Verstand und der Planungstücke eines Soziopathen ausstattet. Kane ist kaltherzig, aber auch Opfer eines Schicksals, das ihn zu einem ewigen, frustrierenden Leben verdammt. Eine weibliche Variante des Fantasy-Barbaren kreiert Autorin Pat McIntosh, wobei sie die Hau-drauf-und-Schluss-Komponente, wie vor allem Lin Carter sie in der Übertreibung beinahe karikiert, zurücknimmt und eine spannende Magie-Intrige in den Mittelpunkt stellt.
Schicksal und Tragik
Ungeachtet seiner Präferenzen gab Carter durchaus der „High Fantasy“ eine Chance, wobei er darauf achtete, dass unter dem Anspruch der Unterhaltungswert nicht litt. Als George R. R. Martin (*1948) noch Geschichten schrieb, statt sich als Mastermind epischer Fantasy zu spreizen und Streaming-Serien zu bewerben, die mehrheitlich nicht zustande kommen, war ein ein talentierter, ideenreicher Autor, der auch die ruhigeren Töne beherrschte. Hier legt er eine bittersüße, gar nicht schmalzige, zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte vor.
C. J. Cherryh (d. i. Carolyn Janice Cherry, *1942) wandelt erstaunlich trittsicher auf dem schmalen Grat zwischen Emotion und Pathos. Auch sie beschwört eine Liebe, die sich um Naturgesetze und göttliche Gesetze nicht schert und in ihrer Reinheit sogar den Tod nicht nur rührt, sondern ihn dazu bringt, der griechischen Sage vom ewig vergeblich einen Felsbrocken gen Gipfel schleppenden Sisyphos ein neues, versöhnliches Ende zu geben.
Lyon Sprague de Camp (1907-2000) macht wieder einmal deutlich, dass der schnöde Alltag auch im Zauberland der Fantasy für Frustration und Ohnmacht sorgen kann. Der Autor kämmt diverse Topoi einer märchenhaft angehauchten Fantasy kräftig gegen den Strich. Die Verheißung einer Ehe mit der Tochter des kaiserlichen Bruders wird hier zur Drohung, da die Dame bisher nicht grundlos solo blieb. Diesbezüglich ist der ‚Humor‘ in dieser Zeit lange vor der #MeToo-Ära eher grobschlächtig. De Camp kann mit dem ironischen Entwurf einer brachialkapitalistischen Fantasy-Herrschaft - solche profanen Aspekte werden in diesem Genre meist ausgeblendet - Boden gutmachen.
Der Blick über den Tellerrand
Fantasy à la „Conan“ wurde nicht nur durch den bereits erwähnten Robert E. Howard (1906-1936), sondern auch vom Horror eines Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) geprägt. Howard und Lovecraft kannten und schätzten einander, und ersterer bediente sich gern bei Lovecrafts „kosmischem Horror“. Dieser postulierte ein Universum, das von „älteren“ und „anderen Göttern“ bewohnt oder besser heimgesucht wird. Sie bekriegen einander und streben nach einer Herrschaft, der das Chaos folgen würde. Die Erde ist eher am Rande in diesen Konflikt verwickelt, doch dessen Wucht ist so immens, dass immer wieder Menschen Einblicke in die wahre Natur des Universums erhalten, zumal die „Götter“ und ihre Schergen durchaus irdisch präsent sein können.
Auch Lin Carter eignet sich diesen Subtext an und lässt nicht nur anklingen, dass Thongor von einer dieser finsteren Entitäten aufs Korn genommen wird, als er (wieder einmal) einer untergegangenen und vergessenen, aber nicht toten Zivilisation zu nahe kommt, die Umgang mit dem kosmischen Schrecken pflegte. Gary Myers (*1952) knüpft direkt an Lovecraft an und schildert im Rahmen eines (hierzulande beinahe vollständig nicht übersetzten) Story-Zyklus’ den Kampf zwischen und mit den „Göttern“ weniger als durchkomponierte Handlung, sondern als Kette oft nur beschriebener, aber nicht ‚erklärter‘ Ereignisse, worin sich andeutet, dass der menschliche Geist den Konflikt vollumfänglich überhaupt nicht erfassen kann.
Wiederum Lin Carter greift eine nur rudimentär erhaltene Erzählung des Fantasy-Altmeisters Clark Ashton Smith (1893-1961) auf und vollendet sie. Lovecraft liebte Smith, dessen inhaltliche Flamboyanz sich in seinem Stil widerspiegelte. In den „Pulp“-Magazinen der 1930er Jahre war Smith ein ungewöhnlicher Schreiber, da er eigentlich durch das Raster der auf den Massengeschmack gebürsteten Phantastik fiel. Carter war mit seinem Werk vertraut und deshalb eine gute Wahl, um eine bitterböse, düstere Horror-Fantasy-Geschichte mit pechschwarzem, buchstäblich knochentrockenem Humor zu servieren.
Fazit:
Endlich vom würgenden Zwang der Seitennormierung befreit, kann diese Sammlung sämtliche Storys des Originalvorlage übernehmen. Die Wahl fiel größtenteils auf Fantasy der Kategorie „sword & sorcery“, die genretypisch und inhaltlich nur bedingt originell, aber spannend und stimmungsvoll unterhält.
Lin Carter, Pabel
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