Das Haus des verlorenen Lichts
- Sublime Publications
- Erschienen: August 2023
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Berühmte letzte Worte…?
„Sieh nicht hin. Sieh nicht hin und vergiss, was Du nicht übersehen konntest.“
Mit diesen Worten beginnt Matthieu Corentin Colebault seine Aufzeichnungen. Eigentlich ist er Historiker mit einem Diplom der Universität in Nantes und arbeitet an seinem weiteren Werdegang, einem Doktortitel. Dann bekommt er aber ein Jobangebot, das ihn neugierig macht. Ein Mann namens Aristide Machard kontaktiert ihn, damit Matthieu für dessen Auftraggeber, einer wohlhabenden und einflussreichen Familie in der Bretagne, arbeiten soll. Für Reisekosten und Auslagen würde gesorgt. Interessant… aber auch seriös?
Nach reiflicher Überlegung willigt Matthieu ein und reist ins nahegelegene Vitré, einer Kleinstadt mit beachtlicher Architektur. Von dort wird er luxuriös zu einem alten Anwesen gefahren, eher ländlich gelegen. Das La Fôret-Haus hat Kriegen und anderen Widrigkeiten getrotzt, wurde prachtvoll erweitert und spiegelt die Architektur mehrere Jahrhunderte wider. Aristide Machard empfangt den noch immer beeindruckten Matthieu und er erfährt, dass er keineswegs zufällig ausgewählt wurde. Seine Abschlussarbeitet hat gezeigt, dass er qualifiziert für den Job erscheint, die schier unzähligen Dokumente des Hauses neu zu katalogisieren. Schriften, Bücher, historische Papiere, gelagert in deckenhohen Regalen, so weit das Auge reicht. Und das, was Matthieu zuerst zu sehen bekommt, ist nur ein Bruchteil dessen, was sich im Besitz der Familie Lerot befindet. Eine Arbeit, die gut und gerne mehrere Monate Zeit in Anspruch nimmt. Im Speziellen agiert Machard aber im Auftrag eines gewissen Monsieurs de Varassaint. Laut Machards wagen Aussagen ein eng verbundener Freund der Familie, der einige Angelegenheiten in die Hand genommen hat, nachdem die Hausherrin sich nur noch um wesentliche Dinge kümmert. Ein kompliziertes Geflecht, aber Matthieu willigt dem großzügigen Angebot ein. Zusätzlich zu seinem Gehalt, bekommt er gleich noch ein Zimmer im Anwesen.
Eigentlich ein angenehmer Job. Bücher in eine Computer-Datenbank aufnehmen und Details übertragen. Wenig körperlich, dafür genaustens ausgeführt unter angestrengt-fachkundigen Augen. Doch schon bald wird Matthieus Konzentration unterbrochen, als er die siebzehnjährige Tochter des Hauses, Espérance Lerot, kennenlernt. Das schüchterne Mädchen beobachtet Matthieu bei seiner Arbeit, neu- und wissbegierig. Eine charmante Abwechslung zur unterkühlten Atmosphäre, die sich ansonsten durch die Flure des Hauses zieht.
Bei einem gemeinsamen Abendessen mit der Familie, erleidet Espérance jedoch eine Art Anfall. Jedenfalls vermutet Matthieu, dass es einer ist, denn einen derartigen hat er bislang noch nicht gesehen. Der Körper der jungen Frau zittert und mit durchdringendem Blick spricht sie völlig abwesend Latein. Dieses schockierende Erlebnis lässt ihn nicht los. Zum einen, weil er sich um die Gesundheit der direkt abgeschirmten Espérance sorgt, zum anderen, weil ihm plötzlich bewaffnete Männer den Zugang zu weiteren Teilen des Hauses verwehren. Matthieu beginnt, mehr über die Familie und die Menschen, mit denen sie sich umgeben, in Erfahrung zu bringen. Dabei gräbt er tiefer, als gut für ihn ist…
Starker Auftakt
„Das Haus des verlorenen Lichts“ ist eine Novelle, die über lediglich 128 Seiten verfügt. Die überschaubare Länge wird aber optimal genutzt, um eine wohlig-beklemmende Grusel-Atmosphäre aufzubauen. Aus der Sicht des jungen Historikers Matthieu Corentin Colebault geschrieben, der seine Zeit in dem La Fôret-Anwesen in einer Art Erlebnisbericht festgehalten hat, bekommen wir von Anfang an mit, wie Matthieu während seiner Tätigkeit von mysteriösen Ereignissen und Begegnungen mehr und mehr verunsichert wird, was letztendlich darin gipfelt, warum er es überhaupt für nötig hielt, sein Notizbuch mit ausführlichen Zeilen zu füllen. Als etwas, auf das er irgendwann mal zurückblicken wollte? Oder… als Warnung?
Das Autoren-Ehepaar Saskia und Stefan Epler hatte seinen Roman „Die das Licht nicht sehen“ bereits fertig geschrieben, als die Idee aufkam, die Geschehnisse mit einer Vorgeschichte einzuleiten. „Das Haus des verlorenen Lichts“ spielt acht Jahre vor den Ereignissen des Romans und führt dessen Hauptprotagonistin, Espérance Lerot, noch als Nebenfigur ein. Die Lese-Reihenfolge beider Titel können Leserinnen und Leser jedoch selbst entscheiden. Es ist nicht zwingend notwendig, die Novelle vor dem Roman zu lesen. Dass Prequels sogar nach mehreren Jahrzehnten noch fesseln können, hat ja kürzlich erst der Film „Das erste Omen“ bewiesen. Damit ist die Story jedoch nicht abgeschlossen, denn Saskia und Stefan Epler sind dabei, die weit verzweigte Familiengeschichte weiter zu vertiefen. Und ich kann sagen, dass ich nach dieser Lektüre unglaublich interessiert daran bin, wie es mit allen Beteiligten weitergeht… egal, wo und wann die jeweilige Handlung angesiedelt ist.
Fazit:
Matthieus Erlebnisbericht wirkt überraschend zeitlos, da nur wenige Elemente daran erinnern, dass die Handlung in verhältnismäßig modernen Zeiten (konkret 2005) stattfindet. Das alte Anwesen und die gewählte Ausdrucksweise könnten vermuten lassen, dass wir uns in Epochen klassischer Schauerliteratur befänden. Das Umherstreifen durch altes Gemäuer mit knarzenden Dielen sowie die thematisierte Affinität zur Literatur ließen mich oft an „The Others“ oder „Die neun Pforten“ denken, was „Das Haus des verlorenen Lichts“ durchaus in einem sehr guten Licht dastehen lässt.
Stefan Epler, Saskia Epler, Sublime Publications
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