Nachtengel (2) - Gemini

  • Blanvalet
  • Erschienen: Juli 2024
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Nachtengel (2) - Gemini
Nachtengel (2) - Gemini
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Sebastian Fischer
40°1001

Phantastik-Couch Rezension vonOkt 2024

Ein Schuss in den Ofen

Mit dem ersten Band der Nachtengel-Saga lieferte Brent Weeks ein unterhaltsames, wenn auch nicht spektakuläres Comeback an eine alte Wirkungsstätte.

Dieses Fundament sollte mit seiner Fortsetzung „Nachengel - Gemini“ in einen Höhepunkt münden, der die Fans von Kylar Sterns Abenteuern begeistert zurücklässt.

Doch die Realität sieht anders aus. Brent Weeks verbrennt sich mit dieser Fortsetzung gehörig die Finger.

Dabei bringen gerade diese Finger sonst so wunderbare Fantasy zu Papier.

Irrgarten

Die Handlung versetzt uns in diesem Buch fast ausschließlich auf das Sturmschiff der Königin von Alitaera. Schiff und Crew haben eine lange und beschwerliche Fahrt vor sich, bevor der Anker zu Wasser gelassen werden kann.

Kylar, der, gelinde gesagt, einige Schwierigkeiten hatte, auf dieses Schiff zu gelangen, macht sich postwendend auf die Suche nach dem Kind seines besten Freundes Logan. Wir erinnern uns: Kylar sollte im Vorgängerband ein Auge auf die Zwillinge Königs Logan haben. Die beiden wurden jedoch entführt und Kylar machte sich auf den Weg, die Kinder zu retten. Im Laufe der Geschichte kristallisierte sich heraus, dass Kylars Mission sich schlicht halbiert. Denn die Kinder wurden bei ihrer Entführung getrennt und unser Held fokussiert sich auf die Errettung des Kindes auf dem Sturmschiff. Der andere Sprössling wird zwar ebenfalls von der Chantry (einer Schwesternschaft von Magierinnen) und Momma K. gesucht, viel mehr erfährt man jedoch nicht über den Verbleib des Kindes.

Wir haben also folgende Ausgangssituation: Kylar, ein Sonderkommando der Chantry, einschließlich Kylars Freundin und alten Bekannten aus der Vorgängertrilogie Viridiana (Vi) und der geheimnisvolle Gegenspieler Repha'im, der sich zum König von Alitaera aufgeschwungen hat, befinden sich zusammen mit Soldaten, Magiern und Zivilisten auf dem bereits erwähnten Sturmschiff.

Im Laufe der Handlung wird offenbart, dass Caedan (das entschwundene und von Kylar verfolgte Kind) über eine außergewöhnliche Fähigkeit verfügen soll, die die gesamte magische Welt bedroht. Grund genug für König Repha'im, das Kind entführt zu haben, um es für seine eigenen Machenschaften zu missbrauchen. Diese Positionierung der handelnden Personen würde grundsätzlich eine Menge Potenzial für eine spannende Hetzjagd bieten. Leider vergaloppiert sich der Autor jedoch in ellenlangen Dialogen und einem Irrgarten an Intrigen, sodass die tatsächliche Handlung fast vollkommen über die Planken geht.

Brotlose Kunst

Kylar gerät bei seiner Suche nach dem Kind ins Visier gleich mehrerer Ränkeschmiede, die alle ihre eigenen Pläne mit dem entführten Kind zu haben scheinen. Es wird versucht, Kylar zu verführen oder ihn emotional zu erpressen, um ihn für die verschiedenen Vorhaben zu gewinnen, denn der Träger des schwarzen Ka'Karis wäre ein mächtiger Verbündeter. Gleichwohl kann sich unser Held meistens aus den Fängen seiner Kontrahenten befreien. Dies geschieht jedoch dermaßen unspektakulär, dass man als Leser vergeblich nach Nervenkitzel japst. Auch im Schlussakt kommen die Spannungsmomente eher schüchtern daher.

Hinzu kommt, dass gerade das Zusammenspiel zwischen Vi und Kylar sich immer wieder im Kreis zu drehen scheint und die Leserschaft in einen Kokon der Gleichgültigkeit einwickelt. Die beiden verbindet eine Vergangenheit, die durchsetzt ist von Zuneigung und Verdruss. Zwar gelingt es dem Autor insofern gut, das emotionale Zusammenspiel der beiden zu Papier zu bringen. Er durchbricht den gelungenen Tiefgang jedoch wie im Vorgänger humoristisch durch das Hervorheben von Nacktheit und weiblichen Brüsten. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, vorausgesetzt, die Dosierung stimmt. In diesem Fall hat der Autor den Salzstreuer ein paar Mal zu oft über seine Protagonisten pendeln lassen.

Die Dialoge und Gedankengänge in diesem Werk haben eins gemeinsam: Sie sind in eine sprachliche Finesse eingebettet, die es hervorzuheben gilt. Brent Weeks bleibt sich auch im zweiten Teil der Nachtengel-Saga treu und versorgt seine Leser mit einer ausschweifenden, sarkastischen und metaphorischen Sprache, die für sich genommen einen wohligen Genuss entfaltet.

Doch ein Roman lebt nicht nur von seiner Sprache. Es gehört so viel mehr dazu, ein gelungenes Gesamtwerk zu formen, als sich auf die Eleganz der Sprache zu verlassen. Es scheint, als hätte der Autor so viel Kraft in die Anmut seiner Ausdrucksweise gelegt, dass nicht mehr viel Puffer für die restlichen Aspekte des Buches übriggeblieben sind. So verkommt der sprachliche Genuss ein Stück weit zur brotlosen Kunst.

Die Menge an Intrigen, die in diesem Buch gesponnen wird, nimmt die Leserschaft einem Spinnennetz gleich in Gefangenschaft. Das Zusammenspiel aus Wahrheit und Lüge schwört jederzeit eine bedrohliche Situation herauf. Dieses Konstrukt an Machenschaften häuft indes im Laufe der Handlung immer mehr an Profil an, bis es einen förmlich erdrückt. Als dann im Schlussakt endlich Licht ins Dunkel gebracht wird, hat der Leser bereits resigniert und nimmt das Schwert der Handlung, das das Spinnennetz zerschneidet, mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Da stört es einen kaum noch, dass Kylars Entscheidungen im großen Finale durch verworrene magische Tricks, denen geradezu etwas »weit hergeholtes« anhaftet, maßgeblich beeinflusst werden.

Fazit:

Brent Weeks ist ohne Frage ein Meister seines Metiers. Dieses Werk jedoch ist ein Schritt in die falsche Richtung. Die sprachliche Finesse vermag die fehlende Spannung und die zum Teil konfus wirkenden Intrigen nicht zu verbergen.

Nachtengel (2) - Gemini

Brent Weeks, Blanvalet

Nachtengel (2) - Gemini

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