Der Vertraute
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Mai 2024
- 4
Historische Fantasy im goldenen Zeitalter Spaniens
Leigh Bardugo kennen die meisten von uns als Autorin der "Grisha-Trilogie" Nun legt sie einem Roman vor, in welchem sie keine Fantasie-Welt heraufbeschwört. Wir reisen mit ihr ins 16. Jahrhundert nach Spanien, wo die Inquisition höchst aktiv ist, und Jagd auf alles und jeden macht, der vom Glauben abweicht.
Ein hartes Leben
Luzia Cortado arbeitet als Küchenmagd in der Casa Ordono. Was nach harter Arbeit klingt, ist es auch. Essen kochen, Einkäufe tätigen, Hausarbeiten erledigen... und nach getaner Arbeit wird auf dem harten Boden geschlafen. Zum Glück besitzt Luzia etwas Magie. Dank dieser werden ihre täglichen Aufgaben etwas leichter. Das verbrannte Brot wird wieder knusprig, das kaputte Glas repariert sich von selbst...
Obwohl sie stets darauf bedacht ist, diese Kräfte geheim zu halten, wird sie von ihrer Herrin Valentina beim Wirken der kleinen Wunder erwischt. Valentina sieht ihre Chance gekommen, mit Hilfe von Luzia die gesellschaftliche Stellung der Familie zu verbessern. Zwar gehören die Ordonos zum Adel, doch ihre finanzielle Lage sieht düster aus und auf Einladungen bei angesehenen Familien warten sie schon lange vergebens. Da kommen Luzia und ihre Zauberkräfte äusserst gelegen. Fortan muss das arme Mädchen ihre Tricks den Gästen des Hauses vorführen.
Es dauert nicht lange, bis Luzia die Aufmerksamkeit des einstigen königlichen Sekretärs auf sich zieht. Dieser sieht in ihr die Möglichkeit, die Gunst des Königs zurückzugewinnen. Schliesslich ist Philipp von Spanien jedes Mittel recht, um im Krieg gegen England siegreich zu sein. Seine Majestät schreibt sogar Turniere aus, um die besten Magier zu finden, die ihn im Kampf unterstützen sollen. Es gilt somit, aus der "ungehobelten" Küchenmagd" eine ansehnliche Kämpferin zu formen. Mit dieser Aufgabe wird der mysteriöse Santangel betraut. Luzia ist zunächst nicht sonderlich erfreut über ihren "Lehrer". Und auch Santangels Begeisterung hält sich arg in Grenzen. Mit der Zeit ist er jedoch immer angetaner von Luzia und hilft ihr, ihr wahres Potenzial auszuschöpfen. Sie wiederum stellt fest, dass Santangel der erste Mensch ist, der sie wirklich sieht und der Wert auf ihre Meinung legt. Stellt sich noch die Frage, ist Luzia gut genug, das Turnier zu gewinnen?
Unscheinbar, aber nicht unsympathisch
Mit Luzia präsentiert Leigh Bardugo eine Hauptfigur, welche mir äusserst gut gefallen hat. Zu Beginn noch schüchternes Mädchen, mausert sich Luzia im Laufe der Geschichte zu einer mutigen jungen Frau, die für ihre Wünsche und Träume einsteht. Dazu kommen der scharfe Verstand und ihre Schlagfertigkeit, mit welcher sie ihre Umgebung ein ums andere Mal überrascht. Und Luzia will auch nicht mehr in Armut leben, sondern strebt nach mehr. Dieser unbändige Wille, den sie dabei an den Tag legt, tut sein Übriges, dass mir Senorita Cortado mit fortwährender Lektüre immer mehr ans Herz gewachsen ist.
Der männliche Gegenpart ist Santangel. Ein Mann, der des Lebens überdrüssig ist und für nichts mehr Begeisterung empfindet. Bis er Luzia kennenlernt. Sie weckt ihn aus seinem "Dornröschenschlaf" und bringt ihm die Freude am Leben zurück. Warum er so gleichgültig geworden ist, hat mit seiner Geschichte zu tun, welche er Luzia Stück für Stück erzählt. So bekommen auch wir ein immer klareres Bild von Santangel und ich muss sagen, sein Hintergrund hat mich überrascht. Bardugo hat ihn mit einer gut durchdachten und spannenden Biografie ausgestattet und schafft so einen Charakter, der trotz seiner ruhigen Art in den Bann zieht.
Dass es zwischen Luzia und Santangel mit der Zeit zu knistern beginnt, lässt sich fast nicht vermeiden. Wie es passiert ist jedoch sehr authentisch und dem Tempo des Buches angepasst. Man fällt nicht im Hormonrausch übereinander her, sondern nähert sich behutsam einander an. Die Autorin gibt uns dadurch eine "erwachsene" Liebesgeschichte, die sich wunderbar in die Story einfügt.
Leben während der Inquisition
Als Schauplatz für ihre Geschichte wählt Bardugo Madrid im 16. Jahrhundert, wo die heilige römische Inquisition höchst aktiv ist. Eine nicht ganz ungefährliche Zeit, vor allem, wenn man wie Luzia nicht dem katholischen Glauben angehört und zudem noch Magie wirken kann. Die Angst, verraten und zur Strafe grausame Qualen in Form von Folter zu erleiden, begleitet Luzia praktisch die ganze Zeit. Diese beklemmende Stimmung gibt die Autorin gut wieder. Es lässt sich nur zu gut erahnen, mit wie viel Furcht die Menschen dazumal leben mussten. Wer dem falschen Glauben angehörte, sich "seltsam" benahm oder sonst irgendwie verdächtig erschien, geriet schnell ins Visier der Inquisition. Einmal in die Mühlen dieser Justiz gelangt, war die Chance, lebend rauszukommen, sehr gering. Bardugo lässt jene Zeit gekonnt wieder auferstehen und schafft so ein atmosphärisches Setting für ihre Figuren.
Fazit:
Leigh Bardugo schenkt uns einen historischen Fantasyroman, der im Spanien des 16. Jahrhundert spielt. Die beiden Hauptcharaktere sind wunderbar ausgearbeitet, so dass man leicht mitfiebern kann. Nebenbei lässt sie noch gekonnt und gut recherchiert Themen wie Inquisition, Magie oder das Leben am Rande der Gesellschaft einfliessen. Dieser sorgsame Aufbau geht zwar manchmal etwas zu Lasten des Erzähltempos, doch dafür bekommt man historische Fantasy, die mit feinster Feder geschrieben wurde.
Leigh Bardugo, Droemer-Knaur
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