Skinner - Der blaue Tod
- Bastei-Lübbe
- Erschienen: Januar 2003
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Für immer fressen und gefressen werden
Wer ein Universum erfindet, der kann viel erzählen: In ";Skinner – Der blaue Tod"; führt Neal Asher seine Leser zurück in die Polis aus ";Der Drache von Samarkand";. Asher hat die Historie der Polis mittlerweile mit viel Tiefe ausgestattet, was der Originalität seiner brillanten Ideen immer wieder zu Gute kommt.
Ein simpler, aber wirkungsvoller Einfall ist etwa, ewiges Leben als Ergebnis einer Virusinfektion darzustellen. Auf dieser Kernidee basiert die Ökologie auf dem Planeten Spatterjay, wo das Leben brutal und erbarmungslos ist, jedoch keinesfalls kurz. Die dominante Lebensform auf der Wasserwelt Spatterjay sind Blutegel, die ihre Jagdopfer mit einem Virus infizieren. Mit der Folge, dass ihre Körper Verletzungen oder gar regelrechte Entleibungen immer wieder regenerieren, sie also immer wieder gefressen werden können und quasi unsterblich sind. Die Bewohner von Spatterjay, die seefahrenden Hooper sind fast alle mit dem Virus infiziert und somit nicht nur gegen Krankheiten, sondern auch gegen Beschuss aus mittelschweren Laserwaffen gefeit: Löcher im Körper wachsen zu, abgeschossene Körperteile sprießen erneut. In diesem biologischen Perpetuum Mobile wird auch nicht gejagt oder gefischt, Tiere werden geerntet.
Ist ein Körper jedoch erst einmal wie im Falle von ECS-Spezialagent Sable Keech im biologischen Sinne tot, so helfen nur noch Maschinen. Sein Lebenslicht erlosch bereits 800 Jahre bevor die Handlung einsetzt, doch die hochentwickelte Humanmedizin der Polis kannte bereits damals eine Methode, die Vita auch scheinbar hoffnungsloser Fälle in die Unendlichkeit zu führen. Keech ist eine sogenannte Reifikation, ein mittels Maschinenmuskeln und KI-Anschluss wandelnder Toter, der stets einen diskreten Verwesungsgeruch verbreitet, obwohl er sich mehrmals täglich Frischhalte-Lösung durch die eigene Leiche pumpt. Der wahre Antrieb für den Spezialagenten ist allerdings Rache, und zwar an dem Piraten Jay Spatter, der vor rund 800 Jahren den nach ihm benannten Planeten zur Ausgangsbasis für seine Raubzüge gemacht und Keech getötet hat. Doch der Piratenkapitän hat sich auch verändert, er ist zum monströsen und mythischen Skinner mutiert.
Ein Leben am Abgrund des Daseins
In seinem ersten Roman hat Neal Asher spekuliert, was mit Menschen passieren kann, die technologisch entweder auf- oder abrüsten. Sein Ergebnis war, dass es auf den Charakter ankommt. In Skinne – Der blaue Tod meditiert der englische Autor über die Frage, welche Dissonanzen ewiges oder wenigstes extrem langes Leben im Charakter auslösen kann. Immerhin sind nur die wenigsten seiner Figuren unter hundert Jahre alt. Einige haben ein paar Sträußchen auszufechten, einige suchen Stimulation, andere den Tod – offensichtlich aus Überdruss.
Der Planet Spatterjay ist eine Low-Tech-Welt, hier wird auf hölzernen Schiffen noch mit Wind gesegelt und Schrotbüchsen geschossen. Der Einsatz dieser archaischen Fortbewegungsmittel bremst an vielen Stellen die Geschwindigkeit der Handlungsstränge und bildet einen Gegensatz dazu, wie Hi-Tech sich dennoch langsam den Weg auf die Wasserwelt am Rande der Polis bahnt, auch in Form von menschenfressenden Aliens. Mitunter nimmt diese erzählerische Verlangsamung dem Leseschwung im wahrsten Sinne des Wortes den Wind aus den Segeln, aber sie zeigt auch gleichzeitig, dass Action für Asher mittlerweile Teil der Handlung ist und nicht mehr ihr Mittelpunkt wie noch in Der Drache von Samarkand.
Mit der These ";Leben als Krankheit"; markiert Asher einen radikalen Standpunkt, doch dieses Extrem ist der Stoff für facettenreiche Charaktere wie Keech und seine Mitspieler. Eine stärkere Injektion Lebensgeister macht auch die Nebenfiguren so interessant, dass die insgesamt organische Besetzungsliste den kraftvollen und komplexen Plot abrundet.
Fazit. Asher hat den Einsatz in Skinner – Der blaue Tod deutlich erhöht – zum Gewinn seiner Leser.
Neal Asher, Bastei-Lübbe
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