Splatterpunk 3 - Horror Extrem

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1994
  • 2
Splatterpunk 3 - Horror Extrem
Splatterpunk 3 - Horror Extrem
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Michael Drewniok
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonNov 2023

Horror schmutzig und gemein

13 Stories des Subgenres „Splatterpunk“, das durch seinen Hang zum körperlich buchstäblich ‚eindringlichen‘ Horror kurzfristig für Furore sorgte:

- Uwe Luserke: Vorwort, S. 7/8

- J. N. Williamson: Schlag nach im Webster (The Book of Webster's; 1986), S. 11-36: Zwei Irre leben in der US-Provinz ihre Folter- und Mordfantasien aus.

- Joe R. Lansdale: Bizarre Hände (By Bizarre Hands; 1988), S. 37-58: Zwischen Prediger und Kinderschänder Judd und seinem neuen Opfer steht dessen widerwärtige, aber misstrauische Mutter.

- Graham Watkins: Die trauernden Toten (Weeping Women; 1993), S. 59-76: Der brutale Rassist verfällt der drastischen Rache seiner nicht gänzlich hilflosen Opfer.

- Mort Castle: Verflucht sei das Kind (Cursed Be the Child; 1990), S. 77-86: Sein wirrer Geist gaukelt ihm vor, als Peiniger der Nichte im Recht zu sein.

- James Kisner: Wenn der Mann mit dem Messer liebt (When the Man with the Knive Loves You; 1990), S. 87-102: ... dann kann er es dem Objekt seiner Liebe nur auf sehr spezielle Weise offenbaren.

- Debra Gray De Noux/O'Neil De Noux: Einzelteile (A Few Pieces; 1993), S. 103-120: Im Fall des bizarren Killers weiß der Ermittler mehr, als er offengelegt sehen will.

- Hans Dieter Römer: Wölfe im Betonwald (1994), S. 121-130: Die blutige (Wieder-) Geburt als Werwolf schenkt ihm endlich Freiheit in einer bedrückenden Welt.

- Douglas E. Winter: Schwarze Sonne (Black Sun; 1992), S. 131-146: Schlaglichter auf eine zerstörte Welt, die von Kranken und Wahnsinnigen weniger bevölkert als zusätzlich in Blut getränkt wird.

- Christopher Fowler: Delikatessen aus dem Schnellimbiss (Jumbo Portions; 1989), S. 147-166: Die Unzufriedenheit einiger Kunden findet ihren Höhepunkt, als sie herausfinden, woraus das von ihnen geliebte Junkfood tatsächlich besteht.

- Kevin J. Anderson: Redmonds Privatkino (Redmond's Private Screening; 1993), S. 167-184: Der skrupellose Filmmacher dreht „Snuff“-Movies, die selbst die Geisterwelt erzürnen.

- Graham Masterton: Futter für die Schweine (Pig's Dinner; 1990), S. 185-200: Für seine Rache am Bruder instrumentalisiert der tote Malcolm einen einäugigen Eber und einen gigantischen Fleischwolf.

- William Rolling jr.: Zu Hause ist es doch am schönsten (No Place Like Home; 1991), S. 201-208: Erzählt wird das tatsächliche, sorgfältig vertuschte Finale des Märchens vom „Zauberer von Oz“.

- Wayne Allen Sallee: Für euch, die ihr lebt (For You, the Living; 1992), S. 209-247: Eine Seuche, die ihre Opfer zu sexbesessenen Irren und Mördern mutieren lässt, findet letztlich auch die Überlebenden.

- Einzelrechte, S. 249/250

Erinnerungen an eine (gar nicht so) wilde Zeit

Dass seit der Ansteckung mit dem Lese-Virus mehr Jahre verstrichen sind, als man glauben mag, wird besonders deutlich, wenn an Lektüremoden erinnert wird, die einst als das non plus ultra der jeweiligen Gegenwart gepriesen wurden. Dies weckt dann nicht nur nostalgische, sondern auch peinliche Erinnerungen an eine Zeit, als man noch jung (und dumm) genug war, um auf solche Marktschreierei hereinzufallen.

In der Wiederschau wirken die Skandale von einst meist komisch, und der „Splatterpunk“ stellt keine Ausnahme dar. Als er aufkam, überschlugen sich sowohl seine Anhänger als auch die Widersacher vor Begeisterung bzw. Zorn. Vorbei war es mit dem ‚andeutenden‘ Horror, der die körperliche Züchtigung feindselig bespukter Pechvögel symbolhaft verklausulierte. Nun wurden die Dinge und vor allem die Körperteile unterhalb der menschlichen Äquatorzone gern und oft beim Namen genannt. Sämtliche Flüssigkeiten, die besagter Körper enthält, spritzten zwischen den Zeilen heraus, Fleischfetzen und Knochensplitter folgten ihnen.

Wie so oft (oder eigentlich immer) legte sich die Aufregung rasch. Der Faktor Gewohnheit sowie die nüchterne Erkenntnis, dass diese tabuzerschmetternde Unterhaltung sich meist in plakativen Grausamkeiten erschöpfte, sorgten dafür, dass der Splatterpunk dort verschwand, wo alles einmal endet: im (Horror-) Mainstream. Dort hat er heute - noch einmal tüchtig rabiatisiert - seine Nische gefunden.

Übersicht mit unfreiwilligen Schatten

Auch hierzulande witterten Buchverlage Schlachthaus- bzw. Morgenluft = eine Einnahmequelle. Nachdem 1992 das Haus Heyne die (damals) Aufsehen erregende Sammlung „Splatterpunk - Extremer Horror“ veröffentlicht hatte (in zwei Teilen, denn jeder Trend ist ein potenzielles Geschäft, dessen Anhänger ausgenutzt werden), wollte man den Hype eigenständig fortsetzen, weshalb einfach ein dritter Teil angehängt wurde. Da mit Uwe Luserke (1942-2018) jemand mit der Zusammenstellung beauftragt wurde, der etwas von der Materie verstand, kann auch „Splatterpunk 3“ als subgenrerelevant sowie unterhaltsam bewertet werden.

Also widmen sich die hier präsentierten Autoren entweder gekonnt oder nachahmend sowie oft nur vorgeblich dem „Horror der Zukunft“. Was damals verstört haben mag, ist Jahrzehnte später ein alter Hut. Solide Storys, wie sie J. N. Williamson (1932-2005), Mort Castle (*1946), Graham Watkins (*1944) oder Kevin J. Anderson (*1962) vorlegen, leiden unter einer ‚Inflation‘ dessen, was einmal als „schockierend“ galt, während sie aus heutiger Sicht zu zögerlich an das gewählte Tabu-Thema herangehen.

Enttäuschung hinterlassen jedenfalls James Kisner (1947-2008), das Duo Debra Gray De Noux (*1958)/O'Neil De Noux (*1950) und Hans Dieter Römer, der es offenbar als Beleg dafür, dass Splatterpunk auch in Deutschland stattfand, in diese Kollektion schaffte. Hier wird x-fach bekannter und ausgelaugter Grusel mehr oder weniger ungeschickt mit Splatterpunk-Elementen verschnitten, ohne die Fadenscheinigkeit der Plots und der Ausführung verbergen zu können.

So macht man’s besser!

Anscheinend funktioniert Splatterpunk besser, wenn man ihn mit schwarzem Humor serviert, ohne diesen zu Klamauk gerinnen zu lassen. Joe R. Lansdale (*1951), Christopher Fowler (1953-2023) und Graham Masterton (*1946) verlagern den blanken Schrecken auf eine Ebene, die uns Leser in ungläubiges Lachen ausbrechen lässt. Dazu bedarf es nicht nur einer ‚schauerlichen‘ Idee, sondern auch des Talents, diese inhaltlich und formal mit Leben zu füllen. Ausgerechnet die damals bereits angejahrten Meister zeigen, wie man dies schafft: Handwerkliche Professionalität ist eine Tugend, die tabustürmenden Überschwang auf lange Sicht in die Schranken weist.

Wie der Splatterpunk als „Zukunft des Horrors“ (möglicherweise) gemeint war, belegen Douglas E. Winter (*1950), William Rolling jr. (1954-2004) und vor allem Wayne Allen Sallee (*1959). Sie geben die stringente Story auf bzw. lassen diese über weite Strecken in der chaotischen Schilderung einer komplett derangierten Gegenwart verschwinden. Globaler Zusammenbruch, Pandemie, Untot: Dies sind nur einige Elemente eines Pandämoniums, das die Gesellschaft im Untergang zeigt. Gesetze, Regeln, Moral: Sie lösen sich auf und hinterlassen ein Vakuum, das durch Gewalt und Tod, Krankheit und Zerfall ‚gefüllt‘ wird.

Der zeitliche Abstand ermöglicht die Erkenntnis, dass der Splatterpunk auch deshalb niederging, weil er es nicht schaffte, sich wirklich freizustrampeln. Viel zu sehr blieb er dem vollmundig verdammten ‚Alt-Horror‘ verhaftet, in dem er schließlich versank. Der „Weirdo- oder „Sicko“-Horror ist dem entkommen, doch auch und gerade er führt ein Nischendasein; ein kopfstarkes Publikum konnte er nie finden. Der Mainstream ist ein Fluch, aber auch eine Macht, der Ausreißer nur kurzfristig entkommen!

Fazit:

Was einst „the real shit“ im Horror-Genre war (oder dazu gehypt werden sollte), ist heute kritisch betrachtet höchstens ausnahmsweise tief erschreckend und manchmal sogar peinlich: Diese Sammlung beweist es sicherlich ungeplant, ist aber trotzdem unterhaltsam.

Splatterpunk 3 - Horror Extrem

Uwe Luserke, Heyne

Splatterpunk 3 - Horror Extrem

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