Das Haus in Cold Hill
- Fischer
- Erschienen: April 2017
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Die Frau in Grau oder: Spuk nach Vorschrift
Cold Hill ist ein Dorf in der südenglischen Grafschaft East Sussex. Hier steht ein altes Haus, in das sich Oliver und Caroline Harcourt, bisher mit Tochter Jade wohnhaft in der Großstadt Brighton, umgehend verlieben. Dass der Kaufpreis verdächtig niedrig ist, wird im Überschwang der Gefühle verdrängt.
Über die Geschichte des Hauses weiß Familie Harcourt zur Erleichterung des Maklers nichts. Mit wem sie ihre neue Bleibe teilen, macht sich zudem nur allmählich bemerkbar. Ollies paranormal empfindsame Schwiegermutter bemerkt eine alte Frau mit bösartigem Gesichtsausdruck, die durch die Wände kommt. Auch die übrigen Familienmitglieder meinen etwas zu sehen, beruhigen sich aber im Gedenken daran, dass man das 21. Jahrhundert schreibt und Geister nicht existieren.
Dummerweise ist man im Jenseits anderer Meinung. Ein kerniger Geister-Greis meldet sich warnend bei Oliver, meidet aber klare Worte und ergeht sich stattdessen in düsteren Unkereien, die den Hausherrn ratlos zurücklassen. Das lässt dem Spuk die Gelegenheit sich warmzulaufen. Im Haus mehren sich die Anzeichen für übernatürliches Geschehen: Die schon genannte Geisterfrau verliert ihre Scheu und zeigt sich den Harcourts, die darauf ohne Freude reagieren.
Stattdessen wallt Angst auf, denn dieser Geist wünscht keine Erlösung, sondern ist auf der Suche nach neuen Opfern! Ollie findet auf seinem Handy SMS-Nachrichten, die ihm und der Familie einen baldigen Tod prophezeien. Auch in Ollies Mailbox hackt sich die Geisterfrau fachkundig ein. Gleich mehrere hilfsbereite Pfarrer rafft es dahin, bis die Zeit der Harcourts abläuft …
Ärger statt Grusel-Unterhaltung
Peter James genießt als Verfasser einer Serie um Detective Superintendent Roy Grace hohe Anerkennung. Darüber ist ein wenig in Vergessenheit geraten, dass er auch ‚modernen‘ Horror schreibt. Über dessen Qualität lässt sich streiten, über den Erfolg offenbar nicht; wieso sonst hätte James sich nach einer längeren Pause wieder im Grusel-Genre versucht?
Es würde zumindest diesen Rezensenten wundern, sollten inhaltliche Werte im Vordergrund gestanden haben, als das hier vorgestellte Werk mit jenem Tamtam, das die moderne Buchindustrie um Autoren mit erklecklichen Verkaufszahlen veranstaltet, in die Ladenketten gepresst wurde: „Das Haus in Cold Hill“ ist - übrigens nicht nur als Horrorroman - ein fürchterliches Buch, wobei jedoch keineswegs jener Schrecken gemeint ist, der hervorgerufen werden soll. Der bleibt aus und wird durch Ärger ersetzt, der bei fortschreitender Lektüre ungeachtet des Titels wie heiße Lava emporquillt.
War dieses Buch als lehrreich-warnende Sammlung sämtlicher Klischees geplant, die mit der „Ghost Story“ in Verbindung gebracht werden? In diesem Fall hätte James ausgezeichnete Arbeit geleistet. Auf keiner Seite und in keiner Zeile ist so etwas wie eine Idee zu entdecken und die Story derartig ausgeleiert, dass man es als Leser nicht glauben kann bzw. mag: Dahinter muss doch ein Trick stecken, dem ein Feuerwerk an Originalität folgt? Weit gefehlt: Es geht inspirationsfrei weiter und wird nur schlechter.
Langweilig im Leben …
Der Auftakt: ein alter, schimmeliger Hut: Eine plump inszenierte Tragödie - hinter der selbstverständlich der böse Geist steckt - soll auf das angeblich gruselige Geschehen einstimmen und Cold Hill House als Stätte des Bösen markieren, bevor die eigentlichen Hauptfiguren es beziehen. Schon hier arbeitet James kontraproduktiv, denn die ersten ‚Opfer‘ hasst man in ihrer Nulldimensionalität nach wenigen Zeilen so sehr, dass man dem Geist dankbar ist, als er (bzw. sie) diese Plage unter einem Berg vom Dach rutschender Ziegel begräbt.
Allerdings wirken die Harcourts als Nachfolger keinen Deut sympathischer, Ollie, Cora, Jade sind keine Familie. Sie sollen zar eine darstellen, sind aber sämtlich langweilig und lästig. Ollie wird als naiver Optimist eingeführt, seine Gattin übernimmt den ‚realistischen‘ Gegenpart. Dabei gerinnt Cora zur stimmungsschwankenden Spaßbremse, was nur dann in den Hintergrund rückt, wenn Jade an den Leser-Nerven zu sägen beginnt: James versucht - im Bund mit einer Übersetzerin, deren Mitschuld an dieser Stelle nicht ermittelt werden kann - eine Zwölfjährige denken und vor allem sprechen zu lassen. Das Ergebnis ist abermals grausig in einer Weise, die der Lektüre nachhaltig Schäden zufügt.
Aufwändig eingeführt werden Nebenfiguren, von denen man eine Handlungsrelevanz erwartet, die meist ausbleibt. Was interessieren uns Coras Eltern und ihre Probleme, die der Autor uns lang und breit unter die Nase reibt, obwohl diese früh und endgültig aus dem Geschehen verschwinden? Solche Non-Figuren gibt es reichlich. Wenn sie etwas Konkretes über Cold Hill House sagen könnten, drücken sie sich um klare Worte und flüchten sich in Plattitüden, die wir aus unzähligen schlechten Geistergeschichten kennen.
… hirnlos im Tod
Wen wundert’s, dass sich die (Un-) Toten im Umfeld von Cold Hill House ebenso bescheuert benehmen wie die Lebenden? Der wortkarge Warn-Geist wurde bereits erwähnt. James entblödet sich nicht, ihn im vorgeblich dramatischen Finale noch einmal auftauchen zu lassen, damit er dies verkünden kann: „Sie hätten auf mich hören sollen. Ich hatte Ihnen doch gesagt, Sie sollen verschwinden, solange Sie noch können. Dämlicher Knilch.“ (S. 352).
Sogar noch höhere Gipfel des Schwachsinns erklimmt James mit der Figur der Cold-Hill-Geisterfrau Matilda. Die kam vor zweieinhalb Jahrhunderten zu Tode, was sie keineswegs davon abhält, sich per SMS mit Ollie Harcourt zu ‚unterhalten‘. Hauptfigur und Geist begegnen sich niemals ‚persönlich‘. Stattdessen blendet James immer wieder dümmliche Digital-Drohungen ein. Ansonsten überschwemmt Matilda gern Innenräume, verrückt die Möbel oder baut sich hinter Jade auf, wenn diese mit ihren pubertierenden Freundinnen skypt. Warum sie sich mit solchen Kindereien ins Zeug legt, obwohl sie sogar über die Macht verfügt, Ollie in Zeitfalten (!) zu versetzen, bleibt unbeantwortet. Faktisch ergibt dieser Spuk generell keinen Sinn. Schlimmer noch: Er macht keinen Spaß und wird auf dem ‚Niveau‘ eines Groschenromans dargeboten.
Dazu passt ein willkürliches Finale, das der Handlung angeflanscht wird, als Autor James offensichtlich keine Lust mehr hat, sein böses Werk weiterzutreiben. Dem folgt ein Epilog, der eine neue (Dumm-) Familie ahnungslos in die Falle Cold Hill House tappen lässt. Damit schließt sich der Kreis - und endlich ein Roman, dessen gruselkonterkarierender Flachsinn von einer Lektüre weiterer Werke dieses Verfassers Abstand nehmen lässt!
Fazit:
Quasi ein Kompendium sämtlicher Klischees, die das Genre „Ghost Story“ zu bieten hat; das dürftige, in die Länge gezogene Garn leidet zusätzlich unter Flach-Figuren und objektiv dämlichen Geistern: Stärker als Familie Harcourt leidet wieder einmal die Leserschaft.
Peter James, Fischer
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