Und wenn wir nicht gestorben sind... - Bruderherz

Die Schlussphrase "Und wenn sie nicht gestorben, dann leben sie noch heute" ist typisch für Märchen. Ebenso wie das Merkmal, dass das Gute über das Böse siegt und am Ende alle glücklich sind. Märchen sind aber oft auch grausam. Da wird schon mal eine alte Frau im Ofen verbrannt oder eine Königin will ihre Stieftochter um die Ecke bringen. Des Weiteren können Märchen sehr blutig daherkommen, wie uns Florentine Joop und Holger Munch in "Bruderherz" zeigen.

Lieber Freund,

Mit diesen Worten beginnt der Roman von Florentine Joop und Holger Munch. In ihrem Briefwechsel lassen sie uns teilhaben an ihrem Alltagsleben, erzählen uns von Reisen, Kindheitserinnerung und schwierigen Nachbarinnen.

In ihrem ersten Brief an Holger Much äussert Florentine Joop den Wunsch, ein Märchen zu schreiben. Den Anfang lässt sie gleich in ihr Schreiben einfliessen. Much greift den Faden auf, und so verfolgen wir als Leser nicht nur den literarischen Austausch der beiden, sondern sind auch bei der Entstehung des Märchens "Bruderherz" dabei.

Es war einmal ein kluges Mädchen...

Dieses Mädchen heisst Ireene und wünscht sich nichts sehnlicher als einen Bruder. Dies stösst bei den Eltern auf Unverständnis, schliesslich hat ihre Tochter doch alles, was man sich für Geld kaufen kann. Das Loch in Ireenes Herz sehnt sich indes nach Liebe, nicht nach materiellem Besitz. Als ihr ein Kobold erscheint und anbietet, ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, ahnt man als Leser bereits, dass dies nicht gut ausgehen wird. Die im Buch vorkommenden Illustrationen sind jetzt nicht unbedingt mein Geschmack, veranschaulichen das Geschriebene aber sehr passend.

Literarisch, unterhaltsam, traurig

Wir bekommen eigentlich gleich zwei Geschichten in diesem Buch serviert. Neben dem oben erwähnten Märchen gibt es da ja noch den Briefwechsel zwischen Joop und Much.

Persönlich hat mir der Briefwechsel der beiden Autoren besser gefallen als das Märchen. Ihren Austausch mitzuverfolgen macht einfach Laune. Es geht um das Privat- und Seelenleben, um Reiseberichte über Irland und seine mythischen Bewohner wie auch Gedanken um Leben und Tod, welche sie schon in fast philosophischer Form diskutieren. Die Sprache bewegt sich daher auf hohem Niveau und man sollte sich Zeit nehmen für die Lektüre. Denn diese Briefe einfach unbedacht reinzupfeifen wäre schade. Joop und Much entwerfen mit ihrer Kreativität und Fantasie desweitern tolle Figuren und Gestalten, denen ich so noch nicht begegnet bin. Mein Favorit ist dabei ganz klar der Troglodytus Homunkulus horribilis. Endlich ist mir klar, warum mein Kaffee immer so schnell kalt wird! Danke, lieber Herr Much, für diesen Augenöffner!

Fazit:

Dieses Buch ist nicht nur wegen seines kleinen Formats etwas Besonderes. Der Briefwechsel der beiden Autoren bedient sich einer literarischen Sprache, die vielleicht nicht jedem gefällt. Dazu die Illustrationen, die auch mal blutig daherkommen. Wer sich aber auf diesen Roman einlassen kann, wird mit einem schaurig schönen Märchen belohnt und bekommt einen Einblick in das Innenleben zweier sehr fantasiebegabter Menschen.