Emily Wildes Enzyklopädie der Feen
- Fischer
- Erschienen: Mai 2023
- 3
Cozy Fantasy im Reich der Feen
In der Literatur werden ja immer wieder neue Sub-Genres erfunden. Gerade wenn man denkt, dass man nun alle kennt, kommt wieder etwas Neues um die Ecke. So erging es mir beim vorliegenden Buch, welches zur "Cozy Fantasy" gehört. Dabei handelt es sich um Geschichten, die vorrangig mit gemütlicher Atmosphäre und sympathischen Figuren aufwarten. Sozusagen Fantasy, die Herz und Seele wärmt. Mal schauen, wie "herzerwärmend" Heather Fawcetts Buch rüberkommt.
Feenforschung hoch im Norden
Emily Wilde, ihres Zeichens Professorin an der Cambridge-Universität, hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie will die erste Enzyklopädie über Feen verfassen. Zu diesem Zweck reist sie in das kleine Dorf Hrafnsvik hoch im Norden. Dort wird Emily von viel Schnee und teilweise recht abweisenden Dorfbewohnern begrüsst. Der unterkühlte Empfang stört sie jedoch nicht sonderlich, schliesslich ist ihr vorrangiges Ziel die Erforschung der hiesigen Feenwelt und nicht, neue Freunde zu finden.
Es ist ihr indes nicht vergönnt, ihre geliebte Feldforschung in Ruhe allein zu betreiben. Schuld daran ist Wendell Bambleby, ihr Arbeitskollege und gleichzeitig grösster Rivale. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Emily bei ihrem Herzensprojekt nach Kräften zu unterstützen. Dass sie gar nicht nach seiner Hilfe gefragt hat, ignoriert er gekonnt. Mit seinem Charme schafft er es zudem innert kürzester Zeit, die Dorfbewohner auf seine Seite zu ziehen und entlockt ihnen interessante Geschichten über die heimischen Feen. Dies entgeht auch Emily nicht. Da ihre Enzyklopädie oberste Priorität hat, beisst sie in den sauren Apfel und arbeitet fortan mit Wendell zusammen. Denn für Emilys Forschung sind seine Insider-Informationen Gold wert.
So macht sich das ungleiche Paar daran, das geheime Volk der Feen genaustens unter die Lupe zu nehmen. Und mit Hrafnsvik hat Emily einen Volltreffer gelandet. Nicht nur entdeckt sie in wenigen Tagen viele verschiedene Feenarten, ungewöhnlich ist auch der Umstand, dass in diesem Dorf besonders viele Menschen von Feen entführt wurden. Die meisten davon sind bis heute nicht aus dem Reich der Fabelwesen zurückgekehrt. Ob Emily und Wendell helfen können?
Fantastische Feenwelten
Heather Fawcett hat ein bekanntes Thema gewählt. Feen sind in der Fantasy etwa so häufig anzutreffen wie Gewitter im Sommer. Sie schafft es aber, dies auf erfrischend andere Art zu präsentieren. Es ist beeindruckend, wie viele verschiedene Feenarten in ihrer Geschichte anzutreffen sind. Und jede einzelne davon wird akribisch festgehalten. Aussehen, Verhalten und Eigenarten werden dem Leser wissenschaftlich fundiert vorgestellt. Wo nötig liefern Fussnoten zusätzliche Fakten, und untermauern somit das Gefühl, einen Forschungsbericht zu lesen.
Die Parallelwelt, in welcher diese Wesen leben, hat die Autorin mit viel Liebe fürs Detail gestaltet. Sie erweckt fantastische Feenreiche vor dem inneren Auge zum Leben. Sei dies mit der genauen Beschreibung der Kleidung, der Gebäude oder der Musik. Sehr gut gefällt mir auch, dass die meisten der vorkommenden Feen alles andere als nett sind. Sie sind heimtückisch, auf ihren eigenen Vorteil bedacht und helfen nie ohne Hintergedanken oder eine Gegenleistung zu verlangen. Es macht einfach unglaublich viel Spass, mit Emily und Wendell immer tiefer in diese verborgenen Reiche vorzudringen.
Tagebuch einer leicht unterkühlten Protagonistin
Die vorliegende Geschichte kommt im Stil eines fiktiven Tagebuchs daher. Diese Art des Schreibens passt zu unserer Hauptfigur Emily. Die einzelnen Einträge präsentieren sich sehr wissenschaftlich, sind eher nüchtern und sachlich gehalten. Emily bemüht sich um Fakten, da ist kein Platz für grosse Gefühlsduselei. Diese Distanziertheit passt zwar einerseits sehr gut zu einer akademischen Forschungsarbeit, erschwert es uns als Leser aber, für die Hauptfigur Sympathien zu entwickeln. Da Emily zudem eine Einzelgängerin ist und sich schwer tut mit zwischenmenschlichen Beziehungen, braucht man zu Beginn der Lektüre etwas, um mit ihr warm zu werden. Das wir mit Wendell Bambleby einen männlichen Charakter haben, der so ganz anders als Emily durchs Leben geht, tut der Geschichte gut, verleiht ihr Leichtigkeit und Witz. Auch die Interaktion der beiden sorgt für manch ironischen und unterhaltsamen Moment.
Fazit:
"Emily Wildes Enzyklopädie der Feen" entführt die Leser in eine unglaublich toll ausgedachte Feenwelt, deren Bewohner so gar nichts mit den niedlichen Fabelwesen à la Disney gemeinsam haben. Als Forscher-Tagebuch gestaltet, erwartet uns ein eher trockener Schreibstil ohne viele Schnörkel. Heather Fawcett ist es trotz dieser "Wissenschaftlichkeit" gelungen, ein Buch zu verfassen, welches einen ganz eigenen Zauber besitzt, der sich mit fortwährender Lektüre immer mehr entfaltet.
Am 26. Juni 2024 erscheint mit "Emily Wildes Atlas der Anderswelten" der zweite Band der Reihe.
Heather Fawcett, Fischer
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