A Breath of Winter (Rabenwinter-Saga I)
- Droemer-Knaur
- Erschienen: November 2023
- 3
Liebe kennt (scheinbar) keine Grenzen
Carina Schnell präsentiert uns mit „A Breath of Winter“ einen Roman, der romantische Fantasy in ein Setting einpackt, das von Aspekten der nordischen Mythologie nur so durchzogen ist. Der Klappentext ködert uns mit einem gefährlich anmutenden männlichen Protagonisten, einem Serienmörder, der es auf Hexen abgesehen hat und einer weiblichen Protagonistin, die sich auf einem Rachefeldzug befindet.
Diese Zutaten gewinnen keinen Innovationspreis, müssen sie aber auch nicht. Der Leserschaft soll das literarische Gesamtgericht schmecken. Wenn man sich nach dem Lesen dann wohlig zurücklehnt, ist die gewählte Mixtur an Zutaten ziemlich nebensächlich.
Damit sind wir genau beim Thema. Das wohlige Zurücklehnen blieb bei mir leider aus. Was genau mir die Suppe versalzen hat, schauen wir uns im Folgenden näher an:
Die Wilde Jagd
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Smilla und Gent. Smilla ist eine Hexe, deren Familie brutal ermordet wurde. Deswegen treibt sie von nun an nur noch der Gedanke an Rache an. Um dem Schlächter ihrer Familie nahe genug zu kommen, um ihm den Gar auszumachen, schließt sie sich der berüchtigtsten Söldnerbande Middangards an: Der Wilden Jagd. Anführer dieser todbringenden Bande ist der äußerst attraktive Gent, der nicht lange überlegen muss, die geheimnisvolle Smilla in seinen Reihen zu dulden.
Es beginnt eine Jagd quer durch das düstere Middangard, um den Hexenschlächter dingfest zu machen. Dabei hüllen sich sowohl Gent als auch Smilla über ihre Vergangenheit in den Mantel der Verschwiegenheit.
Schmetterlinge im Bauch
Smilla und Gent merken ziemlich schnell, dass sie die Augen nicht voneinander lassen können. Anfangs versuchen die beiden noch gegen die aufkeimenden Gefühle anzukämpfen, denn sie haben genug mit sich selbst zu tun. Smilla will ihre wahre Identität vor den Söldnern verbergen und alles daransetzen, den Mörder ihrer Familie zu finden. Gent ist mit der Führung der Wilden voll ausgelastet. Seine Mitglieder liegen ihm am Herzen und er versucht nur in ihrem besten Interesse zu handeln. Außerdem hat der Anführer noch mit seinen ganz eigenen inneren Dämonen zu kämpfen. Da kommt die hübsche Smilla ziemlich ungelegen.
In Laufe der Handlung müssen sich die beiden aber eingestehen, dass ihre Schutzschilde nicht stark genug sind, um den jeweils anderen von sich fern zu halten. Es kommt also wie es kommen musste, und die beiden nähern sich immer weiter an. In diesem Prozess findet der Roman stellenweise seine größte Stärke. In seinen besten Momenten, unter Sternenlicht an einem malerischen Wasserlauf, versinkt man faktisch in den Seiten und merkt das Funkensprühen in den umblätternden Fingerspitzen.
Leider reicht dieser Funkenschlag nicht aus, um das Feuer beim Leser zu entfachen.
Das Salz in der Suppe
Schon der Klappentext gibt uns einen kleinen Vorgeschmack, wen wir hier vorgesetzt bekommen. Smillas Gedanken und die öffentliche Meinung über den Anführer der Wilden Jagd spinnen seine Legende zu einem vollendeten Kunstwerk zusammen. Er ist furchteinflößend, einer der gefährlichsten Krieger Middangards, und ein Virtuose im Monster töten. Im Leser wird also bewusst eine gewisse Erwartungshaltung oder Vorstellung projiziert, die ein klares Bild von Gent zu zeichnen scheint. Leider wird Gent diesem Bild in fast keiner Sequenz dieses Buches gerecht. Gents Reizbarkeit, seine Verschlossenheit und seine Alleingänge erinnern leider mehr an einen trotzigen Teenager als an einen abgeklärten Fürsten der Unterwelt. Natürlich darf auch der gefürchtetste Recke Middangards Schwäche zeigen und Ecken und Kanten haben. Dies soll ja schließlich auch den Reiz der entstehenden Romanze ausmachen. Jedoch entfällt bei einer solch großen und offensichtlichen Diskrepanz zwischen Legende und Wirklichkeit der Spaß am Erforschen der Eigenheiten der Charaktere. Ständig hat man das Gefühl, dass beim Lesen andere Eindrücke entstehen sollen, die mit dem tatsächlich Geschriebenen aber wenig zu tun haben. Natürlich erfährt man zum Ende des Buches mehr über seine Beweggründe, aber bis dahin ist das Kind leider schon in den Brunnen gefallen. Ich möchte an dieser Stelle eine Szene umreißen, um diesen Standpunkt zu verdeutlichen. Gent und seine Truppe, einschließlich Smilla, stehen einem gefährlichen Feind gegenüber. Der Fürst der Unterwelt will sich in den Kampf stürzen und zieht seine Waffe. Da sich Smilla neben ihm befindet, verhaken sich die beiden mit ihren Waffen so unglücklich, dass sie sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht voneinander lösen können. Ob sich dieser erfahrene Haudegen wirklich so ungeschickt anstellen muss? Geschenkt. Wo Kritik an der Nachvollziehbarkeit der Figuren aber auf jeden Fall angebracht scheint, ist als Gent in dieser tödlichen Situation anfängt zu lachen und die körperliche Nähe zu Smilla zu genießen beginnt. Erst als seine Kameraden vom Feind umhergeschleudert werden, kann sich Gent dazu hinreißen lassen, in den Kampf einzugreifen. Liebe und Anziehung schön und gut, aber das lasse in diesen Fällen nicht gelten. Leider gibt es mehrere solcher Momente. Der Leser braucht ein gewisses Level an Nachvollziehbarkeit, um sich mit Leib und Seele in eine Geschichte einsaugen zu lassen. Genau hier finden wir das Salz in der Suppe. Die fehlende Nachvollziehbarkeit der Protagonisten zieht sich wie ein roter Faden bis zum Ende des Buches durch. Da wird aus scheinbar übermächtigen Feinden auf einmal Sparringspartner, geflüsterte Worte in einer Spelunke sind so einschneidend, dass man beginnt unschuldige Menschen zu ermorden, bis hin zu wenig glaubhaften Reaktionen auf schwer verdauliche Wahrheiten, die den Lesenden wahrhaftig schockiert zurücklassen. Letzteres ist erstmal eindeutig positiv hervorzuheben, denn der Autorin gelingt es gekonnt, ein Dilemma heraufzubeschwören, das größer nicht sein könnte. Die Kraft der Liebe und die Intensität des Hassens werden hier auf perfide Art und Weise gegeneinander ausgespielt. Ach wäre es schön, wenn sich die Protagonisten doch dann nur dementsprechend verhalten würden. Aus Spoilergründen möchte ich hier nicht näher ins Detail gehen. Nur so viel sei verraten: Wenn die Zuneigung zueinander bewirkt, die schwersten Schicksalsschläge, die man sich vorstellen kann, mit Leichtigkeit zu verdrängen, und sei es nur für einen kurzen Moment, dann geht leider ein wichtiger Aspekt an Authentizität verloren.
Abschließend ist noch zu sagen, dass die Söldner rund um Smilla und Gent alle ihre eigene Geschichte erhalten, um in das Geschehen eingeflochten zu werden. Leider bleibt die Truppe nichtsdestotrotz etwas blass und es entsteht keine wirkliche Bindung zu ihnen.
Fazit:
Das durchaus spannende Fundament wird durch die immer wieder nicht nachvollziehbaren Verhaltensweisen der Protagonisten ausgehöhlt, sodass es schlussendlich den Lesespaß erheblich mindert. Aller Kritik zum Trotz bekommen die Leser hier jedoch Zutaten vorgesetzt, die es sich zu probieren lohnt. Hinzu kommen ein paar wirklich wundervolle Entscheidungen beim Design des Buches, die das Werk zu einem wahren Genuss für das Auge machen.
Carina Schnell, Droemer-Knaur
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