Love Will Tear Us Apart (The Stranger Times 3)
- Eichborn
- Erschienen: September 2023
- 5
Everlasting Love?
Die neue Neue
Vincent Banecroft, vulgäres Ekelpaket, Prototyp eines Mega-Cholerikers und außerdem (meist angesoffener) Chefredakteur des lokalen Klatschblättchens Stranger Times, hat schwer zu schlucken. Nein, nicht an seinem gigantischen Ego oder dem letzten Schluck aus der Whiskey-Pulle, sondern am Tod seiner Frau. Vielleicht wäre es ein erster Schritt, würde er diesen doch endlich mal akzeptieren. Aber… Fehlanzeige. Charlotte verfolgt Banecroft bis in seine Träume, wo sie ihn um Hilfe bittet und er anschließend schweißgebadet hochschreckt. Keineswegs simple Albträume, denn seit einigen Monaten sucht der Geist von Simon Brush die heiligen Redaktionsräume heim. Jener junge Bursche, der einst liebend gerne ein Teil des Teams geworden wäre, bei eigenmächtigen Ermittlungen jedoch den Tod fand. Auch dies ging nicht spurlos am ansonsten raubeinigen Banecroft vorbei, schlug er Simon doch wortwörtlich immer wieder die Tür vor der Nase zu. Nun ist es seit kurzer Zeit aber so, dass Charlotte durch Simon mit dem gebeutelten Chefredakteur spricht. Und wieder bittet sie ihn um Hilfe. Angeblich stecke sie in großen Schwierigkeiten. Das behielt Banecroft bislang aber lieber für sich, obwohl dem Rest seines überschaubaren Teams durchaus aufgefallen ist, dass seine Laune sich in den letzten Wochen noch mehr in Richtung Keller verabschiedet hat. Ein neuer Tiefpunkt, selbst für einen Vincent Banecroft.
Überschaubar… gutes Stichwort! Das Team der Stranger Times war immer schon klein, denn mehr hätte das Blättchen, welches in einer heruntergekommenen Kirche in Manchester beheimatet ist, sich finanziell auch nicht erlauben können. Kürzlich hatten sie aber noch einen Verlust zu beklagen. Hannah Willis, eigentlich noch frisch im Amt, hatte ihren Posten als stellvertretende Chefredakteurin überraschend und ohne große Worte gekündigt. Dabei lief es eigentlich ganz gut! Turbulent zwar, denn die Stranger-Times-Belegung musste sich mit so manchem Übernatürlichen herumschlagen, aber – im Großen und Ganzen – gut! Jetzt muss aber schleunigst Ersatz für Hannah her. Auch hier schießt Banecroft (erstaunlicherweise mal NICHT mit seiner stets bereitliegenden Donnerbüchse) wieder quer. Kandidaten für Kandidaten setzt er achtkantig vor die Tür. Er will es nicht zugeben, aber Hannah war der Leim, der die unorthodoxe Truppe zusammenhielt. Und sie fehlt an allen Ecken und Enden.
Bewegung kommt in die Suche, als Elizabeth Cavendish die Dritte in dem baufälligen Gebäude auftaucht. Nennen wir sie Betty, denn so stellt sich die rundliche Dame in den Sechzigern auch der Belegschaft vor. Zur großen Verblüffung Banecrofts, die sich im Laufe des „Vorstellungsgesprächs“ erst in Abneigung, dann in blanke Wut hochschaukelt, nimmt Betty die offene Stelle gleich eigenmächtig in Beschlag. Aber nicht etwa, weil sie ein Ego besitzt, mit dem sie selbst Vincent Banecroft zu einem dümmlichen Schuljungen degradiert, sondern weil sie eine Art Freifahrtschein hat. Mrs. Harnforth, die Besitzerin der Zeitung, die über den erstaunlich realen(!) übernatürlichen Wahnsinn berichtet, hat Betty persönlich für den Posten ausgewählt. Na dann mal Prost, Vincent…
Wo ist Hannah?
Eine wichtige Frage bleibt noch: Wo zur Hölle ist die junge Frau abgeblieben, mit der wir doch im ersten Buch langsam aber sicher die Welt des Irrsinns erst Stück für Stück entdeckten? Nicht nur die chaotische Stranger-Times-Redaktion, sondern auch eine Welt, in der Vampire, Geister, Monster und Dämonen nichts Ungewöhnliches scheinen? Nachdem das Erlebte der letzten Wochen sich gesetzt hatte, schien es, dass Hannah Willis einfach nur die Nase voll von irgendwelchen sonderbaren Wesen hatte, die ihr nach dem Leben trachten. Zumindest erscheint dies einigermaßen nachvollziehbar, obwohl Grace, Stella, Reggie, Ox und ja, auch Vincent Banecroft sichtlich enttäuscht über ihren knappen Abgang sind und sich offene Worte gewünscht hätten. Wie es scheint, hat Hannah wieder Kontakt zu ihrem Ex, denn der falsche Fuffziger ist nach einer unschönen Trennung wieder in ihr Leben getreten. Hannah war auf der Hut, wurde sie doch schon einmal bitter von dem Schürzenjäger und Nichtsnutz in Person enttäuscht. Zu ihrer großen Überraschung hat er sich aber reumütig bei ihr entschuldigt. Noch überraschender: er scheint es ernst zu meinen! Tatsächlich hat Karl eine ordentliche Entwicklung durchgemacht. Seit seinem Aufenthalt im Pinter-Institut, einem von einer ehemaligen Hollywood-Diva mit Esoterik-Macke gegründeten Erholungszentrum, ist er ein neuer Mensch. Verbirgt sich hinter dem Institut mehr als nur schicker, exklusiver New-Age-Hokuspokus, für den Normalsterbliche schon einen irren Prüfungsprozess für eine Aufnahme durchlaufen müssen? Hannah ist durchaus gewillt, dies selbst herauszufinden…
Pssst… mal ehrlich, das wäre doch etwas langweilig, wenn wir Hannah nur dabei begleiten würden, wie sie Smoothies schlürft und sich den Darm in alle Himmelsrichtungen durchpusten lässt, oder? Also: die Wahrheit liegt noch etwas tiefer und ist eines Stranger-Times-Artikels durchaus würdig. Aber… das habt Ihr nicht von mir.
EXTRABLATT!!!
Mit dem mittlerweile dritten Buch der Reihe beweist C. K. McDonnell fast schon spielerisch, dass ihm keineswegs die Ideen ausgehen. „Love Will Tear Us Apart“ ist beste Unterhaltung und liegt in der Wertung nur knapp hinter dem grandiosen Auftakt. Nun, da wir die Figuren mittlerweile besser kennen, geht er tiefer auf einzelne Charaktere ein. Jedoch kommt hier niemand zu kurz, denn die „Stranger Times“-Romane sind Ensemble-Stücke, die von sowohl vom Miteinander des Redaktions-Teams leben, als auch von den individuellen Facetten jedes Einzelnen. Dennoch bleibt Raum, neue Figuren einzuführen und sehr gut mit dem Kosmos verschmelzen zu lassen. Kein Handlungsstrang, und von denen gibt es hier erstaunlich viele, wirkt erzwungen oder gar fehl am Platze. Vincent Banecrofts Part lebt von der Tragik und der Zerrissenheit seiner Figur, während Hannahs Abenteuer im Pinter-Institut sogar spannende Thriller-Elemente bereithält. Hier kommt jeder zum Zug (auch schmierige Schreiberling Stanley Roker und Cogs und seine sprechende Bulldogge Zeke sind wieder am Start!) und Leserinnen und Leser dürfen sich wieder auf treffsichere Ping-Pong-Wortgefechte freuen. Ein schwarzhumoriger Schlagabtausch folgt auf den vorherigen, was für das gnadenlos gute Timing des Stand-up-Komikers McDonnell spricht. Insgesamt wird enorm viel Abwechslung geboten. So mutet allein dieses Buch wie die gesamte Staffel einer TV-Serie an. Und zwar einer erstklassig GUTEN!
Fazit:
Ich möchte, dass diese Reihe niemals endet. Oder zumindest erst dann, wenn C. K. McDonnell wirklich die Ideen ausgehen. Davon ist in „Love Will Tear Us Apart“ nicht mal ansatzweise eine Spur vorhanden, und das lässt mich verdammt freudig auf den vierten Band schauen. „Relight My Fire“ erscheint voraussichtlich Ende Juni 2024. YES!!!
C. K. McDonnell, Eichborn
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