Die Nacht der Roboter

  • Goldmann
  • Erschienen: April 1973
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Michael Drewniok
55°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2023

Fataler Weckruf auf dem Museumsplaneten Erde

Weit in der Zukunft hat die Menschheit die Erde hinter sich gelassen. Ein Jahrtausend zuvor tobte im erdnahen Raum ein gewaltiger, weit in den Weltraum hinausgreifender Krieg, der die Ära der „Zweiten Interplanetarischen Konföderation“ beendet hatte. Die Erdoberfläche wurde durch Atombomben zerstört, die Menschen starben oder flohen ins All.

Zurück blieb ein verlassener, zum Teil radioaktiv verseuchter Planet, auf der nur einige zivilisationsflüchtige ‚Siedler‘ ein kärgliches Dasein fristen. Ansonsten gibt es ein Forscherteam, das eines der Forts aus der Vergangenheit untersucht. Der exzentrische Dr. Dross ist zu seinem Ärger vertraglich dazu verpflichtet, die Passagiere jener durch das All kreuzender Luxus-Raumschiffe, die auch die Erde ‚besichtigen‘ wollen, durch die Ruinen zu führen.

Aktuell muss er sich um die verwöhnte Witwe Mrs. Zulkifar, den Ex-Offizier Wardle, die junge Khalia und den unheimlichen, aber freundlichen Mr. Mondmann kümmern. Die Exkursion wird dramatisch unterbrochen, als der flüchtige Danecki nahe der Festung notlandet. Ihm droht eine Blutrache, und sein Verfolger ist ihm hart auf den Fersen. Im Inneren des Forts kommt es nicht nur zum Treffen mit Dross und den Reisenden, sondern auch mit Daneckis Gegner.

Der daraus resultierende Konflikt setzt versehentlich ein uraltes Notprogramm in Gang: Die Festung erwacht, doch das Computerhirn ist weiterhin der „Konföderation“ verpflichtet. Es aktiviert nicht nur alle Systeme, sondern auch die „Schwarze Armee“ - mächtige Kampfroboter, die töten sollen, wen sie auf der Erde finden werden …

Die sich nur oberflächlich weiterdrehende Welt

Der Goldmann-Verlag betonte gern die Qualität seines Science-Fiction-Programms: Nur ‚wertvolle‘, d. h. die Zukunft technisch oder ‚philosophisch‘ thematisierende sowie formal überdurchschnittliche Texte würde man veröffentlichen; eine Aussage, die in der Rückschau höchstens haltbar ist, wenn man sie (locker) auf die ersten 100 Bände beschränkt. In den 1960er Jahren konnte man auf einen wahren Schatz nie übersetzter Klassiker zurückgreifen, nachdem der Zweite Weltkrieg die deutschen Leser lange vom internationalen SF-Markt abgeschnitten hatte.

Also erschienen Meisterwerke von Heinlein, Clarke, Asimov etc. wie am Fließband. Doch irgendwann war erschienen, was seinen Wert bereits unter Beweis gestellt hatte. Die Zahl zeitgenössischer Titel nahm notgedrungen zu - und damit das Risiko, denn deren ‚Wert‘ stand noch nicht fest. Zwar sorgten auch die Neulinge für erfreuliche Überraschungen, aber natürlich mehrten sich gleichzeitig die Blindgänger - und zu diesen zählt der vorgestellte Band.

Dabei liest sich die Prämisse vielversprechend: Die zukünftige Erde ist eine Ruinen- und Museumswelt, auf der eine Gruppe dafür denkbar untauglicher Pechvögel in eine Krise gerät, die ein amoklaufendes Computerprogramm aus finsterer Vergangenheit auslöst. Autor Ball deutet das Wirken einer ebenso glorreichen wie unmenschlichen, an „Star Wars“ erinnernden „Konföderation“ und einen kosmischen Krieg an, der die Geschichte der Menschheit rigoros umgestaltet hat. In der ‚Gegenwart‘ ist dies nur noch eine Erinnerung und höchstens für Wissenschaftler und Touristen interessant.

Aus Opfern werden Gegner (oder Leichen)

Selbstverständlich, weil für diesen Roman unerlässlich, ist die Vergangenheit tief unter der (Erd-) Oberfläche weiterhin tückisch aktiv, denn viel zu gut hat die „Konföderation“ ihr Nervenzentrum geschützt. Zwar leben ihre menschlichen Befehlshaber nicht mehr, doch die Computer und Roboter des Regimes haben ein Jahrtausend ausgeharrt - ‚mental‘ angeschlagen zwar, was für jene unerwarteten Zwischenfälle sorgt, die eine Geschichte wie diese ‚würzen‘, aber so kompromisslustig mordlüstern und damit unterhaltsam wie eh‘ und je.

Die Erde zwischen Gestern und ‚Heute‘ vermag Ball sparsam, aber effektvoll in Szene zu setzen. „Die Nacht der Roboter“ ist kein SF-Epos, sondern erzählt eine Geschichte auf knapp 160 Seiten. Ökonomie in der Darstellung ist deshalb eine Voraussetzung. Autoren wie der eher fleißige als talentierte Brian Neville Ball (1932-2020) mussten sie beherrschten, während ihre Nachfahren aus dem Plot wohl ein mehrtausendseitiges und vielbändiges Garn gesponnen (oder besser: gepresst) hätten. „Die Nacht der Roboter“ trägt jedoch kein Epos und beschränkt sich deshalb auf die andeutungsweise oder besser: plotorientierte Ausgestaltung der Zukunft, denn im Zentrum stehen Ereignisse.

Eine zügig vorangetriebene Handlung allein ist jedoch keine Garantie für gelungene Unterhaltung. Ball torpediert seine Geschichte, indem er sie mit Figuren besetzt, die reine Klischees verkörpern; „Die Nacht der Roboter“ gleicht hier einem klassischen britischen ‚Kuschel-Krimi‘. Der Brigadier Wardle wirkt wie von Agatha Christie erfunden, aber auch die törichte, in der Krise panische Witwe  Zulkifar oder der theatralische Dr. Dross als ‚Wissenschaftler‘ hart an der Grenze zum „mad scientist“ wären dort besser aufgehoben.

Wie überwältigt man eine Übermacht?

Die einzige halbwegs glaubwürdige Figur stellt Danecki dar: ein psychisch zerrissener Charakter, der in einem albtraumhaften Überlebenskampf gefangen, aber gerade deshalb der richtige - und einzige - Kandidat ist, der es mit dem Robot-Gehirn der Festung aufnehmen kann. Darin bestärkt ihn die Liebe zur nur vorgeblich gleichberechtigten Khalia, die in allerlei Lebensgefahren gerät und gerettet werden muss. (Ein echter Bockschuss ist die Vernachlässigung der interessanten Figur Mr. Mondmann: Aus dessen Status als ‚wiederbelebte Leiche‘ schlägt Ball keine dramaturgischen Funken, sondern beschränkt sich auf plumpe Horror-Effekte.)

Das Robot-Hirn der Festung ist quasi schizophren geworden und in separate ‚Persönlichkeiten‘ zerfallen, die sich verbünden oder bekämpfen, wobei sich diese Entscheidungen abrupt ändern können. Der Wahnsinn regiert, was womöglich eine Chance bietet, das verunsicherte Zentral-Hirn durch zusätzlich verwirrenden Input davon abzuhalten, die „Schwarze Armee“ zu entfesseln und anschließend die Festung mit allen Insassen zu vernichten. Solche Situationen kennen wir u. a. aus diversen „Star-Trek“-Episoden; wenn’s gelingt, quillt irgendwann Rauch aus dem überforderten Roboter-Hirn. Leider verfügt Ball nicht über das Talent, die Konfrontation spannend darzustellen. Faktisch besteht nie eine echte Chance, die Festungs-Roboter hereinzulegen; sie sind längst so ‚verrückt‘  geworden, dass sie sich nicht in selbstzerstörerische Verwirrung treiben lassen. Hinzu kommt Balls nicht nachvollziehbare ‚Vermenschlichung‘ der Roboter; so mischt sich ein intrigantes Metallhirn ein, das einst als konföderativer Haremswächter Dienst tat; einer der ‚Einfälle‘, die dem Roman nicht helfen.

Vor allem in der zweiten Hälfte folgen die Ereignisse keiner nachvollziehbaren Struktur mehr. Da die deutsche Ausgabe laut Impressum ungekürzt übersetzt wurde, muss dies wohl dem Verfasser zum Vorwurf gemacht werden. Erratisch springt die Handlung hin und her und manchmal voran. Der aufmerksamkeitsheischende Faden zwischen Story und Leser wird mehrfach zerrissen, und die Auflösung wirkt nach lautem Theaterdonner kümmerlich.

Fazit:

Die interessante Ausgangssituation wird durch karikatureske Figurenzeichnungen und eine Handlung beeinträchtigt, die in der zweiten Romanhälfte durch Brüche und Sprünge irritiert. Die Ereignisse ergeben wenig Sinn, die Auflösung ist nach aller Dramatik enttäuschend unspektakulär: actionbetonte Durchschnitts-SF der angestaubten Art.

Die Nacht der Roboter

Brian N. Ball, Goldmann

Die Nacht der Roboter

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