Ghost Walk - Pfad des Unheils
- Festa
- Erschienen: März 2023
- 0
Halloween-Hilfe für das Ding im Wald
LeHorn’s Hollow ist einer jener Orte, die von der lokalen Bevölkerung gemieden werden. Gelegen im ohnehin von Gegenwart und Fortschritt weitgehend ignorierten York County, US-Staat Pennsylvania, raunt man von seltsamen, bösen Kreaturen, die im uralten, dichten Wald hausen und auf unvorsichtige Pechvögel warten, die sich dorthin verirren.
Zuletzt flackerten diese Gerüchte heftig auf, nachdem 2006 ein Feuer die abgelegene Talsenke heimgesucht hatte. Der Wald will dort nicht nachwachsen, und die Tiere halten sich tunlichst fern. Den Grund muss der ohnehin vom Schicksal gebeutelte Waldschrat Richard Henry erfahren, als ihn die Wilderei eines frühherbstlichen Tages an den verrufenen Ort verschlägt. Dort stößt er auf eine Art Heiligtum aus Steinen, die eine ‚dünne‘ Stelle zwischen den Dimensionen sichern. Henry zerstört das Monument - und öffnet dadurch ein Portal.
Das Universum ist eigentlich ein Multiversum, in dem böse Mächte tücken, die schon vor dem Urknall existierten. Sie suchen stets nach Passagen, die ihnen ermöglichen, eine Welt zu überfallen und zu verheeren. Halloween ist ein Ereignis, an dem sich solche Durchschlüpfe auf die Erde öffnen. In LeHorn’s Hollow wartet Nodens, eine besonders finstere Entität, auf diese Gelegenheit.
Derweil arbeiten unweit von LeHorn’s Hollow Ken Ripple und Terry Klein mit ihrem Team am „Ghost Walk“, einer Touristenattraktion, mit der sie Halloween-Touristen in den Ort locken wollen. Ahnungslos locken sie potenzielle Opfer dorthin, wo sie gierig erwartet werden, um der blutrünstigen Kreatur als Sklaven zu dienen ...
Grauen ohne Schnörkel
Brian Keene ist kein Autor, dessen Werk dazu taugt, die Begriffe „Horror“ und „Raffinesse“ gegenüberzustellen. Zwar dröhnt die Werbung, dass „klassischer und moderner Schrecken“ in „Ghost Walk“ zueinander fänden, doch man sollte dies ignorieren; und zwar auch deshalb, um sich nicht den Spaß an einem Garn zu verderben, das aus grober, aber das Grusel-Herz wärmender Wolle gesponnen wird.
Hier gibt es nur oberflächliche jenes sachte Nahen eines Grauens, das möglichst unbemerkt über seine Opfer kommt, um sich erst später zu identifizieren. Zunächst stolpert Redneck Richard Henry durch den Wald - Keene stellt dabei unsere Geduld mit einer klischeetragischen Biografie auf die Geduld, die für das Geschehen nie von Belang ist - und ‚weckt‘ das Böse, womit sein eigentlicher Job erledigt ist. Schon wenige Seiten später gibt Keene ansatzlos jegliche Zurückhaltung auf und erzählt ausführlich die Geschichte von Nodens, der somit vom Verfasser persönlich als Bösewicht entlarvt wird, statt diese Aufgabe handelnden Figuren zu übertragen.
Zack - Zack - Zack: Es bleiben keine Geheimnisse, wenn Nodens steckbrieflich vorgestellt wird. Wir wissen anschließend, dass wieder einmal das ‚reine Böse‘ über die Menschheit kommen will. Wie so oft wirft dessen Intention Fragen auf, weil sie für ein Wesen solcher Macht recht dürftig wirkt: Nodens will ‚die Welt‘ beherrschen, was sich als Tour-de-force durch übliche Stereotypen darstellt: Zerstörung, Folter, Massenmord etc.; man könnte Nodens jedem Comic-Lachsack-Superschurken à la „Darkseid“ an die Seite stellen. Ein tieferer Sinn verbirgt sich nicht hinter seinem Tun, aber das liegt auch nicht in der Absicht des Autors.
Ein braver Mann wirft sich demütig ins Gefecht
„Ghost Walk“ markiert den ‚offiziellen‘ Beginn der Levi-Stoltzfus-Serie, der Autor Keene weitere Bände folgen ließ, obwohl er mit dieser Figur nicht wirklich erfolgreich gewesen zu sein scheint; nach 2013 folgten nur noch einige Kurzgeschichten. Das wundert wenig, denn Stoltzfus ist eher interessant als identifikationstauglich. Er wird vom Verfasser zu vehement als ebenso typischer wie ungewöhnlicher Streiter gegen das Böse charakterisiert. Wohlmeinende Kritiker lassen sich zusätzlich durch die Verankerung in der Folklore des US-Staates Pennsylvania beeindrucken.
Hinzu kommt die Stoltzfus-Biografie. Levi war einst Mitglied der Amish, einer Glaubensgemeinschaft, die zwar in der Gegenwart lebt, sich aber älteren bzw. zeitlosen Werten verpflichtet fühlt und deshalb konsequent auf die Nutzung der modernen = ‚sündigen‘ Technik verzichtet. Stoltzfus wurde von seiner Gemeinschaft ausgeschlossen, denn er machte sich schuldig, als sich wie sein verstorbener Vater mit jener magischen Welt zu beschäftigen begann, die jenseits der ‚Realität‘ existiert.
Keene ist ein fleißiger Autor, der seine zahlreichen Werke gern miteinander verknüpft: Die Vorgeschichte von LeHorn’s Hollow erzählte er in „The Rutting Season“/„Dark Hollow“ (2006/2008, dt. „Der Satyr“). In „Ghost Walk“ entwirft er seinen Lesern jenen zentralen Mythos, der seinem Grusel-Universum zugrunde liegt. Keene orientiert (und bedient) sich dabei ausgiebig bei Howard Philips Lovecraft (1890-1947), der mit seinen „Cthulhu“-Erzählungen eine kosmische Geschichte entwarf, in der uralte und unendlich mächtige Entitäten seit Äonen hinter den Kulissen der Menschheitsgeschichte die Fäden ziehen, einander bekämpfen und die Menschen höchstens als Sklaven oder Opfer betrachten. In seinem „Labyrinth Universe“ postuliert Keene 13 solcher Kreaturen, die schon vor dem Urknall existierten. Zu ihnen zählt er biblische Gestalten wie Luzifer oder Behemoth, aber auch Cthulhu & Co. sowie die Anführer der grausamen Siqqusim, die Keenes eigenen Beitrag zu dieser Schurkentruppe markieren; er hat sie in mehreren Romanen über die Erde herfallen lassen.
Ein Teufel tut, was ein Teufel tun muss
In „Ghost Walk“ stellt uns Keene bzw. Stoltzfus ein weiteres Mitglied der kosmischen Lumpenbrut vor: Nodens, den wieder Lovecraft als Finsterling einführte. Keene verschafft Nodens eine ‚Biografie‘ - und begeht dabei jenen Fehler, den für Lovecrafts Epigonen typisch ist. Wo Lovecraft sich absichtlich auf Andeutungen beschränkte und damit bewusst rudimentär eine Ur-Macht skizzierte, die das menschliche Verständnis überfordert, glaubt Keene ‚erklären‘ zu müssen.
Dass Nodens dabei sowie im Finale endgültig von einer universellen Kraft zu einem motivkümmerlichen Monster schrumpft, nimmt er entweder in Kauf oder glaubt diese Versimpelung im Griff zu haben. Er liegt falsch, was auf die tatsächliche ‚Qualität‘ dieser Geschichte hinweist: Wo Lovecraft ernsthaft bemüht war, kosmischen Schrecken zu schaffen, will Keene im Rahmen des üblichen Buh!-Horrors für eine Unterhaltung sorgen, die flach sein darf. Der finale Bodycount ist beträchtlich, während der angeblich apokalyptische Nodens mit einem Sack Salz (sic!) und diversen Stoltzfuß-Sprüchen zurück in seine Dimensionsfalte zurückgetrieben wird.
Innerhalb dieses Rahmens kombiniert Keene Entsetzen und (gemäßigten) Splatter. Das sorgt für trashige Horror-Stimmung, wobei der Verfasser sich gern auf Klischees zurückzieht. Dies will er durch Hintergrundgeschichten ausgleichen, mit denen er seine Figuren jedoch weniger charakterisiert als ausstopft; die Mühe lohnt nicht, weil diese Biografien sowohl hölzern als auch überflüssig sind. Dass Keene dennoch die Kurve kriegt und seine Leser überraschen kann, liegt an seiner Entscheidung, den plötzlich gar nicht mehr ‚edlen‘ Stoltzfuß zu rabiaten Methoden greifen zu lassen: Der Zweck heiligt auch im Kampf für Gott die Mittel.
Fazit:
Obwohl sich der Verfasser viel Mühe gibt, dieser Geschichte ein Lovecraft-ähnliches, von Übermächten kontrolliertes Universum zugrunde zu legen, funktioniert sie eher als routiniertes, rasantes Horror-Garn, das auf einschlägige Effekte setzt.
Brian Keene, Festa
Deine Meinung zu »Ghost Walk - Pfad des Unheils«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!