The Darkest Gold (1) - Die Gefangene
- Rowohlt
- Erschienen: Juni 2023
- 6
Gold allein macht nicht glücklich
Schon seit jeher übt Gold auf uns Menschen eine grosse Faszination aus. Es ist krisensicher, enorm wertvoll sowie Gegenstand zahlreicher Sprichwörter, Mythen und Sagen. Eine davon ist die Geschichte um König Midas, welcher alles, was er berührt, in Gold verwandeln kann. Raven Kennedy hat diesen Mythos als Inspiration für ihre fünfteilige "The Darkest Gold"-Reihe aufgegriffen.
"Auch ein goldener Käfig ist immer noch ein Käfig"
Aurens frühe Jahre waren hart und entbehrungsreich. Als Strassenkind kämpfte sie täglich ums nackte Überleben. Eine Perspektive, um diesem Elend zu entfliehen, hatte sie nicht wirklich. Bis Midas in Aurens Leben trat. Er nahm sie zu sich, versprach ihr Schutz und Sicherheit. All das, was Auren bis dahin so schmerzlich vermisste. Selbst als er zum König gekrönt wurde, hielt er sein Wort und gab ihr in seinem goldenen Palast ein neues Zuhause.
Seither lebt Auren sprichwörtlich in einem goldenen Käfig. Denn König Midas hat die Gabe, alles, was er berührt, in Gold zu verwandeln. So erstaunt es nicht, dass in seinem Schloss Böden, Wände, Teller... einfach alles aus purem Gold besteht. Selbst Auren! Diese Besonderheit macht sie zur "Favoritin" von König Midas. Wenngleich dieser Begriff nicht mehr als eine schönere Bezeichnung für "Lieblingshure" ist. Die anderen Frauen, welche Midas Fleischeslust befriedigen, werden schlicht "Sättel" genannt. Nun, schmeichelhaft geht definitiv anders.
Auren erträgt ihr Dasein hinter Gitterstäben und als Lustobjekt erstaunlich ergeben. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass sie unsterblich in Midas verliebt ist. Er erwidert ihre Gefühle schliesslich auch, obwohl er dies nicht immer zeigt. So redet sich zumindest Auren die einseitige Beziehung schön. Als er sie auf dem politischen Parkett für ein paar Soldaten verhökert, muss Auren jedoch schmerzlich erkennen, dass ihr geliebter Midas auch über ganz hässliche Seiten verfügt. Dieser Vorfall stösst in ihr einen Denkprozess an, welcher der jungen Frau aufzeigt, dass Midas nicht der Mann ist, für den sie ihn immer gehalten hat.
Gewöhnungsbedürftiger Start in frauenfeindlicher Umgebung
Raven Kennedy hat mit Orea eine Welt erschaffen, in welcher Frauen keinen sehr hohen Stellenwert geniessen. Dies wird einem schon zu Beginn des Buches klar. So starten wir unsere Geschichte mit einer Orgie in König Midas Palast, wo Frauen wie Reittiere benutzt werden. Im weiteren Verlauf der Handlung werden sie dann passenderweise auch "Sättel" genannt. Solche Szenen, wo Frauen nur der Unterhaltung und Befriedigung von Männern dienen, kommen des Öfteren vor. Es geht derb zur Sache, was auch in der vulgären Sprache zum Ausdruck kommt. Ich muss gestehen, ich war anfangs fast etwas angewidert, wie primitiv hier Frauen behandelt und dargestellt werden.
Die Story wird uns aus der Sicht von Auren erzählt. Ihre sehr naive Art, König Midas alles zu verzeihen und sich schön zu reden, ist nicht immer einfach zu ertragen. Zum Glück ändert sich dies gegen Schluss allmählich. Auren beginnt, Midas Motive zu hinterfragen und merkt, dass ihr bisheriger Lebensstil zwar bequem ist, keinesfalls aber dem entsprich, was sie eigentlich möchte.
Zusätzlich ist sie in dieser von Männern dominierten Welt auf sich alleine gestellt, da die anderen "Sättel" sie verachten und auf ihren Status als königliche Favoritin neidisch sind. Erfreulicherweise lässt sich Auren nicht davon abbringen, sich um die Freundschaft ihrer Leidensgenossinnen zu bemühen. Auch weil sie merkt, dass sie sich nicht nur auf König Midas verlassen darf. Diese Entwicklung von Auren, sich aus ihren festgefahrenen Glaubenssätzen zu lösen und neue Wege zu beschreiten, hat mich als Leserin gefreut, auch wenn sie erst reichlich spät in der Geschichte passiert.
Derbe Sprache in einer düsteren Welt
Wie schon erwähnt ist die von der Autorin verwendete Sprache äusserst derb. Wer mit Kraftausdrücken oder ordinärer Ausdrucksweise seine Mühe hat, wird einige Szenen als zu heftig empfinden. Dazu kommt die Darstellung der Frau, die einfach zu tun hat, was dem Mann gefällt. Sehr düster fällt auch die von Kennedy geschaffene Welt aus. Orea besteht aus sechs Königreichen und präsentiert sich als kaltes, unwirkliches Land, das von Schnee und Sturm beherrscht wird. Neben Midas lernen wir noch zwei weitere Herrscher kennen: König Ravinger und König Fulke. Beide ebenfalls mit äusserst interessanten Talenten ausgestattet. Hier überzeugt mich Kennedy. Eine spannende Grundidee, über die ich gerne noch viel mehr erfahren hätte. Denn was wir im Auftaktband von der Welt und ihren Bewohnern gezeigt bekommen, ist doch noch sehr oberflächlich. Gut vorstellbar aber, dass sie dies in den Folgebänden vertieft. Potenzial hat diese Welt und ihre Figuren nämlich allemal.
Fazit:
Raven Kennedy mischt für ihre Buch-Reihe Dark Fantasy mit Elementen der griechischen Mythologie. Sie schafft so eine düstere Welt, die von Eis und Schnee beherrscht wird, und in der Frauen nicht viel zu lachen haben. Die Sprache ist oft hart, teilweise sogar vulgär. Das zeigt sich vor allem zu Beginn, wo es zu einigen Szenen kommt, in welchen Frauen gnadenlos zum Lustobjekt degradiert werden. Dies muss man aushalten können. Genauso wie den Umstand, dass die Geschichte eigentlich erst zum Schluss richtig Fahrt aufnimmt. Dies dafür so gekonnt, dass ich wohl nicht drum rumkomme, mir die Fortsetzung "Die Verräterin" einzuverleiben.
Raven Kennedy, Rowohlt
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