Shoot 'em in the Head - Eine Film- und Seriengeschichte der Zombies

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  • Erschienen: Februar 2023
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Shoot 'em in the Head - Eine Film- und Seriengeschichte der Zombies
Shoot 'em in the Head - Eine Film- und Seriengeschichte der Zombies
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Michael Drewniok
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2023

Es hält sie nicht in ihren Gräbern

Die Zombies sind in der Gesellschaftshierarchie des Jenseits’ das Prekariat der klassischen Horrorgestalten. Der Vampir gibt sich aristokratisch, der Werwolf ist tragisch, auch Frankensteins Monster erregt Mitleid. Doch wenn sich ‚normale‘ Mitmenschen aus dem Grab ihren Weg zurück auf die Erde bahnen, sorgen sie für Schrecken und Ekel; dies selbst dann, wenn es Familienangehörige oder Freunde sind, die auf diese Weise wieder auftauchen.

Es liegt daran, dass der Mensch den Tod seit jeher fürchtet. Doch schlimmer geht bekanntlich immer, weshalb die Frage nahe liegt, ob denn wirklich Schluss ist, wenn man als Leiche unter der Erde liegt. (Feuerbestattungen garantieren hier angstfreie Gewissheit, weshalb sie im Zombie-Genre ausgeklammert bleiben.) Dass sich die meisten Kulturen dieser Erde ihrer Verstorbenen entledigen, hat hygienische und ästhetische Gründe: Selbst Familienbande schwinden, wenn sich der oder die geliebte Tote in übelriechendes Mus verwandelt.

Kehren sie dennoch zurück, sorgen sie schon deshalb für Entsetzen. Doch es kommt schlimmer: Zombies sind geistlos, aber hungrig, wobei das Fleisch lebender Menschen ganz oben auf ihrem Speiseplan steht. Zudem genügt ein Biss, um einen blutenden Pechvogel selbst in einen Untoten zu verwandeln, der gleich wieder auf Menschenjagd geht. Zu allem Überfluss sind Zombies recht schussfest. Endgültig ausschalten lassen sie sich nur, wenn das Hirn zerstört wird. Das ist im Kampfgetümmel schwer zu schaffen, weil die Untoten generell in der Überzahl sind und dazu neigen, die Erde buchstäblich zu überrennen. (Genial und allerliebst wird dies übrigens in Episode 4, Staffel 3 der Serie „Love, Death & Robots“ unter dem Titel „Die Nacht der winzigen Toten“ in dreieinhalb Minuten auf den Punkt gebracht.)

Die Welt ist schlecht - sie mussten kommen!

Wieso diese einerseits grässlichen und andererseits in ihrem Handeln limitierten Grabgestalten so populär wurden, untersucht und begründet Sassan Niasseri in dem hier vorgestellten Buch. Er legt den Fokus auf den im Kino sowie auf dem heimischen Bildschirm umher torkelnden Untod, obwohl dieser längst in allen bekannten Medien sein Unwesen treibt. Dabei verfügt der Zombie über eine (literarische) Historie, die deutlich weiter zurückreicht als man gemeinhin glaubt, weil die eigentliche ‚Geburt‘ jener ‚lebenden‘ Leichen, so wie wir sie heute (zumindest aus Film und Fernsehen) kennen, mit einem Mann in Verbindung gebracht wird: 1968 drehte George A. Romero (1940-2017) „Night of the Living Dead“ (dt. „Die Nacht der lebenden Toten“). Er definierte den ‚modernen‘ Zombie, was er mit „Dawn of the Dead“ (1978; dt. „Zombie“) und „Day of the Dead“ (1985; dt. „Zombie 2“) ausfeilte und zur Vollendung brachte. Romero drehte bis 2011 drei weitere Zombie-Filme, in denen er dies trotz produktionstechnischer Schwierigkeiten fortsetzte.

Auch für Niasseri ist Romero der Maßstab aller (untoten) Dinge. Er schildert die Entstehungsgeschichten seiner sechs Zombie-Filme und arbeitet ausführlich heraus, weshalb (nicht nur) er sie als wegweisend betrachtet, obwohl es deutlich erfolgreicheren Untot-Horror gibt. Unter der Kapitelüberschrift „Wanderjahre der Zombies“ schildert er das Erscheinen solcher Epigonen in der globalen Filmwelt. Die Qualität des Romero-Horrors wurde dabei selten erreicht, was jedoch den Unterhaltungswert grandioser Trash-Granaten à la „Woodoo - Schreckensinsel der Zombies“ (1979) nicht zwangsläufig schmälert. Zwar pochte der strenge Altmeister auf die Reinheit seiner Lehre vom allegorischen Zombie, doch das nie von Skrupeln eingeschränkte Genre-Kino rückte voller Wonne die scheußlich-vergnüglichen Seiten des Untods ins Zentrum.

Auf dieser Seite der Hölle ist Platz genug für die ‚edlen“ und die einfach nur schrecklichen Zombies. Das Millennium ließ die inzwischen ein wenig in Vergessenheit geratenen Leichen wieder wandeln. Romero wurde (s. o.) wieder aktiv, doch daneben zeigte eine Generation nachgewachsener, von ihm geprägter oder abgeschreckter Filmemacher, was man dem Untod noch abringen konnte. So machte man den Zombies u. a. buchstäblich Beine („Dawn of the Dead“, Version von 2004), was ihre Bedrohlichkeit beträchtlich steigerte, auch wenn die Mitglieder der Romero-Fraktion energisch Widerspruch gegen den frevelhaften Kodexbruch einlegten.

Sie finden jedes Schlupfloch

Doch frischer Wind war (und ist) es, den der Zombie-Horror (nicht nur wegen des schlechten Körpergeruchs) dringend benötigt! Obwohl diverse ‚Vorschriften‘ ausgehebelt oder modifiziert wurden, bleibt der Untod limitiert. Für psychologische Tiefe sorgt der noch lebende Mensch, der auf den Zombie reagieren muss. Dies machte diesen zur idealen Bereicherung des auf Dialogbreite und Konfliktdiskussion geeichten Fernsehens, das sich in den Jahren nach dem Millennium zunehmend von alten Mustern und Formeln befreite. Zum „linearen“ TV gesellte sich der „Stream“, der dem Vorläufer inzwischen den Rang abgelaufen hat. Da hier Unterhaltung nicht blindlings in die Welt, sondern gezielt auf Nachfrage ausgestrahlt wird, sind die Zensurvorschriften milder. Zudem haben sich die Maßstäbe dessen, was als „darstellbare Gewalt“ definiert wird, deutlich verschoben. Jene ‚Erkenntnisse‘, mit denen in den 1980er Jahren selbsternannte „Medienexperten“ den moralischen Untergang einer horrorschauenden Zivilisation heraufbeschworen, werden heute zu Recht als Unfug verlacht.

Deshalb können die „Beißer“ des „Walking-Dead“-Franchises nicht nur widerlicher aussehen als jemals zuvor, sondern auch in tricktechnischer Vollendung wüten. Der Erfolg sorgt für Recht, also vermehren sich die Zombie-Serien ebenso rasch wie ihre ‚realen‘ Vorbilder. Auch außerhalb des „WD“-Franchises sorgen vor allem Streaming-Portale für ihre Präsenz; ein Aspekt, der in diesem Buch ein wenig (zu) kurz kommt bzw. zu punktuell (u. a. „Army of the Dead“; 2021) bleibt. Offenkundig lag eine Gesamtdarstellung der Zombie-Historie nicht in der Absicht des Verfassers, der sich primär auf die Romero-Werke stützt, hier in die Breite geht sowie mehrere Interviews mit Zombiefilm-Veteranen geführt hat.

Natürlich ist interessant, wenn Darsteller über zum Teil Jahrzehnte zurückliegende Erlebnisse berichten. Dem Thema helfen Anekdoten wenig. Den ‚Romero-Faktor‘ und den inhaltlicher Schlingerkurs muss man kritisieren, die breite Informationsbasis eines Autors, der sich nie auf die bloße Nacherzählung von Film- und Serieninhalten stützt, sondern tatsächlich etwas zu sagen hat, dagegen loben. Sicherlich nicht verantwortlich ist Verfasser Niasseri für das unglückliche Layout des Werkes: Zu viel Text und zu viele Fotos müssen sich 200 Seiten teilen. Die Buchstabengröße ist beinahe lupenfällig, die Bilder sind so klein, dass sich kaum Details erkennen lassen.

Fazit:

Kenntnisreich und gespickt nicht nur mit übernommenen, sondern auch selbst recherchierten Fakten informiert diese Darstellung vor allem über den Zombie-Horror à la George A. Romero, während der übrige Untod oft en passant behandelt wird: Deshalb und dennoch sowie auch stilistisch ein lesenswertes Werk, das über dem sonst sinnlos wogenden Meer fannischen Blutmetzel-Jubels steht.

Shoot 'em in the Head - Eine Film- und Seriengeschichte der Zombies

Sassan Niasseri, Schüren

Shoot 'em in the Head - Eine Film- und Seriengeschichte der Zombies

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