Durch Raum und Zeit

  • Pabel
  • Erschienen: Januar 1955
  • 0
Durch Raum und Zeit
Durch Raum und Zeit
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Michael Drewniok
60°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2023

Genialität schützt vor Invasoren nicht

In diesem 21. Jahrhundert erinnert man sich gut an die Schrecken einer Zeit, in der jederzeit ein Atomkrieg ausbrechen konnte. Als Verantwortliche gelten u. a. jene Wissenschaftler, die ohne Gedanken an die zerstörerischen Folgen ihre Erfindungen in die Realität umsetzten. Um solche Abwege zu verhindern, gründete die Regierung den „Wissenschafts-Geheimdienst“, der verdächtige Kandidaten überwacht und notfalls stoppt, bevor erneut die Büchse der Pandora geöffnet wird.

In New York City gehört das Ehepaar Tom und Jaky Steen zu den besten Agenten des „Wissenschafts-Geheimdienstes“. Deshalb hat man sie auf den mysteriösen Professor Klaus angesetzt, der sowohl für seine Genialität als auch für den Unwillen bekannt ist, seine Forschungen kontrollieren zu lassen. Ein erster Versuch Tom Steens, den Professor unauffällig zu befragen, scheitert, da dieser ihn durch Hypnose seinen Auftrag vergessen lässt.

Doch das Verfahren ist nicht perfekt. Mit Jakys Hilfe erinnert sich Tom daran, dass er in Klaus‘ Labor eine Zeitmaschine entdeckt hatte! Tatsächlich ist die Sache komplizierter: Klaus ist auf einer seiner Zeitreisen auf die intelligenten Hirosianer gestoßen. Diese gaukelten ihm eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Menschheit vor, die sie tatsächlich unterjochen wollen.

Die Hirosianer können ihre Gestalt verändern und täuschend echt Menschen nachahmen. Der ahnungslose Klaus hat die Invasoren mit allen notwenigen Informationen über das Alltagsleben der Menschen versorgt. Nur Tom und Jaky Steen könnten die Eroberung verhindern, doch sie werden von den Hirosianern entdeckt und in ihr Universum verschleppt …

Science Fiction der (deutschen) Gründerzeit

Die deutsche Science Fiction fand erst nach dem Zweiten Weltkrieg Anschluss an die internationale Szene. Viele, viele Werke aus dem Ausland warteten auf ihre Übersetzung. Vor allem der angelsächsische Raum stellte ein wahres Schlaraffenland großartiger Phantastik dar!

Allerdings gab es hierzulande nur wenige Menschen, die in einer Ära ohne Internet wirklich Bescheid wussten, also ‚gute‘ von ‚schlechter‘ SF unterscheiden konnten. Die deutsche Science Fiction war und blieb für viele Jahre ein Schattenreich der Leihbücher und Groschenhefte. Dort standen die Produktionskosten und der Kaufpreis über allem. Eine Konkurrenz stellten die Arbeiten einheimischer Autoren dar, die schlecht bezahlt kopierten, was sie für Science Fiction hielten.

So stellen die in dieser Zeit erschienenen SF-Romane vor allem eine Fundgrube mittelmäßiger bis miserabler Phantastik dar. Hinzu kam die Seitennormierung, die es der Verlagsbuchhaltung ermöglichte vorab zu berechnen, wieviel Papier für einen Titel beschafft werden musste. War die ursprüngliche Text ‚zu lang‘, wurde gekürzt, ohne lange zu fackeln.

Ein Epos unter 100 Druckseiten

„Durch Raum und Zeit“ ist ein typischer Vertreter seiner Ära. Er erschien zunächst als Leihbuch und zwei Jahre später (1955) in der Reihe „Utopia Großband“. Diese wird durchaus zu Recht dafür gerühmt, dass hier - wenn auch oft gekürzt - wichtige Titel der SF erstmals übersetzt wurden. Allerdings mischten sich solche Juwelen in ein Programm, das ansonsten Schuttcharakter aufwies. Da die deutschen Fans mehrheitlich weder wussten, was Qualitäts-SF aufmachte, noch eine große Auswahl hatten, konnten die Verlage sie mit günstig eingekaufter Routineware abspeisen.

Herbert James Campbell (1925-1983) war einer jener Autoren, die in den „sweatshops“ der englischen Trivialliteratur schuftete. Die Honorare waren dürftig, sodass möglichst schnell geschrieben wurde, um dies so gut wie möglich auszugleichen. Manche dieser (heute zu Recht vergessenen) ‚Schriftsteller‘ hauten solche Romane binnen weniger Tage in die Tasten ihrer Schreibmaschinen. Für die Entwicklung und Ausarbeitung von Ideen oder eine Korrekturphase blieb keine Zeit. Die Ergebnisse waren dementsprechend, aber die Rechte günstig zu haben, weshalb auch viele „Utopia“-Großbände sich aus dieser Quelle stammten.

Dabei war Campbell - der nicht mit John W. Campbell (1910-1971) verwechselt werden darf, der zu den prägenden Gestalten der Science Fiction gehört („Das Ding aus einer anderen Welt“ ist sein Werk) - kein typischer Schnellschuss-Autor, sondern ein Chemie-Student (und sogar „Mitglied der Königlich Britischen Akademie der Wissenschaften“). Dass Campbells schriftstellerische Karriere sich auf die Jahre 1952-1956 beschränkte, weil es ihm das Studium finanzierte, blieb wohlweislich unerwähnt. Sobald er seinen Doktortitel erhalten hatte, konzentrierte sich Campbell auf seine wissenschaftliche Tätigkeit und ließ die SF hinter sich.

Nicht gänzlich ohne Ideen

Obwohl die Handlung sich auf eines der für die SF lange typischen Invasion-aus-dem-Weltall-Garne beschränkt, bietet „Durch Raum und Zeit“ einige interessante Ansätze. Die zeitgenössische Situation prägt das Geschehen: Campbell hatte den Zweiten Weltkrieg er- und überlebt. Nicht nur er war er der Ansicht, dass die moderne Naturwissenschaft mitverantwortlich für das entfesselte Grauen war. Professor Klaus wird von Campbell als gleichermaßen genialer wie gefühlskalter und naiver Mann geschildert - quasi ein Autist, der einfach nicht damit rechnet, von den Hirosianern hereingelegt zu werden.

Um gefährliche Genies wie Klaus zu stoppen, ruft Campbell den „Wissenschafts-Geheimdienst“ ins Leben; eine an sich absurde Institution, die der Autor durch eine nicht minder kuriose Einrichtung namens „Bürgerrechtsschutz“ konterkariert, der es gesetzlich gestattet ist, dem „Geheimdienst“ ins Handwerk zu pfuschen. Die Steens müssen sich also nicht nur vor Professor Klaus und den Hirosianern, sondern auch vor den ‚Kollegen‘ hüten!

Aus dem Rahmen fällt die gleichberechtigte Zusammenarbeit der Steens. Sie sind ein echtes Team; Tom ist ein deutlich besserer Agent geworden, seit Jaky ihm zur Seite steht. Sie wird auch von Tom als ‚Gehirn‘ des Duos anerkannt, ist aber auch dabei, wenn es an die ‚Front‘ geht, wo sie ebenso entschlossen wie Tom den Abzug betätigt, weil ihnen ein Hirosianer dumm kommt.

Sie sind fremd und deshalb verdächtig!

Die Hirosianer sind keinesfalls raffinierte Invasoren. Dass Klaus sie nicht durchschaut, muss seiner trivialliterarischen Herkunft geschuldet sein. Natürlich sind sie nicht nur bösartig und hinterlistig, sondern auch hässlich - Schurken halt, die ohne Bedauern ausgetilgt werden ‚dürfen‘. Wenn sie die zeitgenössischen Leser mit den „Kommunisten“ aus der Sowjetunion oder China gleichsetzten, auf die man im (noch) Kalten Krieg ein Auge halten musste, war dies ein Bonus, weil es den Katalog der üblen Eigenschaften erweiterte, ohne dass der Verfasser beschreibend tätig werden musste.

Verwegen ist Campbells Version der Astrophysik. Klaus‘ Zeitmaschine öffnet auch den Zugang zu anderen Universen. Der Zeitreisefaktor ist faktisch nebensächlich und wird nur in einigen Nebensätzen thematisiert. Das Multiversum ist ein interessanter Ansatz, auch wenn Campbell ihn nur für SF-Routine und Technobabbel nutzt. (Dazu gehört, dass vor allem Meg, der Anführer der Invasoren, sich stets die Zeit nimmt, die anstehenden Gemeinheiten detailliert zu schildern, weshalb die Steens für Gegenmaßnahmen früh genug im Bilde sind.)

Fazit:

Altmodischer, das Thema nie originell, sondern handlungsbetont vorantreibender SF-Roman, dessen Verfasser nichtsdestotrotz diese Routinen manchmal durch interessante Ideen belebt: naiv, aber lesbar, da außerdem vergleichsweise gut übersetzt.

Durch Raum und Zeit

H. J. Campbell, Pabel

Durch Raum und Zeit

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