Fantasy made in Germany – ein Qualitätssiegel
Die Welt ist nicht das, was wir sehen. ";Fragen sie nicht"; ist ein Satz, den der Alchimist und Kenner der ";Stadt der Schornsteine";, Wittgenstein seiner Schutzbefohlenen Emily Laing immer wieder antwortet, wenn sie Fragen nach dem wer, dem warum, dem wie stellt. Denn tief unter der U-Bahn Londons, aber auch in der Britischen Metropole selbst leben gar seltsame Wesen. Intelligente Ratten, finstere Rattlinge, vernunftbegabte Spinnen, die Herren Wolf und Fuchs, Engel und Dämonen, vergessene Götter und Trickser – Menschen mit magisch anmutenden Fähigkeiten – treffen sich hier, handeln, leben, lieben und hassen hier.
Vorsicht, Engel unterwegs
Erneut ist Emily Laing, eine Waise, das Kind einer wahren Liebe zwischen einem mittellosen, unbedeutenden Künstler und der Erbin eines der beiden bedeutendsten Familienclans der Stadt Kulminationspunkt der bedrohlichen Vorkommnisse. Der gefallene Erzengel Gabriel sucht erneut seine perfiden Pläne für die Übernahme der Weltherrschaft zu verwirklichen. Das besiegt geglaubte Nyx will sich weiterhin an dem Leid der Menschen nähren. So entbrennt der Krieg der Häuser von Neuem, brutaler und gnadenloser als je zuvor. Intelligente Nebel schleichen durch die Gassen der uralten Metropole, bringen Wahnsinn und Tod über die Bewohner.
Feuerdämonen ziehen auf der anderen Seite in die Schlacht, und schon bald ist absehbar, dass es keine Hoffnung auf Frieden, auf ein Überleben gibt. So machen sich unsere Helden auf die Suche nach dem gefallenen Erzengel Lycidas, denn auch Luzifer wird gefangen gehalten.
Prag und der Tempel Salomons
Die Spur führt über die vereiste Hölle, den Limbus nach Prag. Hierhin hat sich der Tempel des Salomon zurückgezogen, hier befindet sich die Bundeslade, die vielleicht die einzige Waffe beherbergt, die Gabriel und seine Black Friars noch aufzuhalten vermag. Doch dann müssen unsere Helden einmal mehr feststellen, dass der Rat, niemanden zu vertrauen gerechtfertigt war. Ausgerechnet ein langjähriger Freund hintergeht Emily und Wittgenstein und Gabriel scheint am Ziel seiner Wünsche angekommen – wenn, ja wenn es nicht den durch wahre Liebe geläuterten Luzifer geben würde, und einen Verräter der seine Liebe über sein eigenes Leben stellt…Selten hatte ich solche Schwierigkeiten die Handlung eines Buches verständlich zusammenzufassen, wie dieses Mal. Christoph Marzi, der mit den ersten beiden Bänden seiner Trilogie schon bewiesen hat, welch ein Reichtum an Phantasie er besitzt schüttet noch einmal ein wahres Füllhorn an Ideen, an phantastischen Orten und faszinierenden, manchmal beängstigenden Wesen über seine Leser aus.
Eine eigene Stimme
Wie kaum ein anderer deutschsprachiger Autor hat er es auch diesmal verstanden uns mit seiner ganz eigenen Handlung in seinen Bann zu ziehen. Atmosphärisch unglaublich dicht fasziniert er uns wieder mit der uralten Metropole, mit seinen Engeln und Göttern bevor er uns – nach London und Paris – diesmal in jüdische Viertel von Prag entführt. Ähnlich wie bei seiner Beschreibung der Stadt der Schornsteine ist seine Darstellung der verwinkelten Gassen, der alten Häuser so plastisch dass man sich förmlich in die alte Kaiserstadt versetzt glaubt. Erneut gelingt es dem Autor bemerkenswert gut, seine Gestalten vielschichtig und interessant zu zeichnen.
Dies gilt in besonderen Masse auch für die negativ besetzten Rollen. Luzifer, der ehemalige Herr der Hölle und seine Gefährtin Lilith, die undurchsichtigen Elfenclans, die intriganten Ratten, und nicht zuletzt der gefallene Erzengel Gabriel, sie alle bieten dem Leser nicht einfach schwarz-weiss Figuren, sondern wissen überzeugend und nachvollziehbar in ihrer jeweiligen Motivation zu agieren. Obwohl Marzi auch diesmal wieder eine Vielzahl von Mythen aufgreift und miteinander verwebt, vom Fall der Engel über Lilith, ägyptische Götter und die Saga vom Golem, bleibt die Handlung nicht nur in sich logisch, sondern auch interessant und packend.
Der Roman strömt ein ganz eigenes Flair aus, ein wenig war ich an ein Märchen erinnert, nur dass der Aufbau wesentlich temporeicher angelegt ist, ein wenig an die Romane Charles Dickens und bietet eine wirklich eigenständige, stilistisch ansprechend gestaltete Handlung. Emily, Wittgenstein, Aurora, sie alle entwickeln sich nachvollziehbar, reifen an den Fährnissen und herben Schicksalsschlägen, die sie einstecken müssen zu wahren Persönlichkeiten.
Interessante Charaktere, eine überraschende, kurzweilige Handlung, faszinierende Settings, da passt einfach alles zusammen und fügt sich zu einem triumphalen Abschluss der Trilogie, die einmal mehr beweist, dass Deutschsprachige Autoren international nicht nur mithalten, nein, dass sie die Phantastik zu neuen, faszinierenden Welten voranbringen können!
Christoph Marzi, Heyne
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