Tinte und Knochen - Die Magische Bibliothek 1
- Heyne
- Erschienen: Mai 2023
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Langatmig, aber Hauptsache ein schöner Buchschnitt
Jess lebt in einer Welt, in der Lesen verboten und streng reglementiert ist. An Bücher kommt man deshalb nicht so leicht, weshalb sich Jess’ Vater dem Bücherschmuggel verschrieben hat und jedem, der es sich leisten kann, das gewünschte Buch liefert. Für das gefährliche Ausliefern der verbotenen Ware ist Jess zuständig, wobei er stets aufpassen muss, nicht den Häschern der Bibliothek von Alexandria in die Hände zu fallen. Als Jess’ Vater ihn beauftragt, in Alexandria am Auswahlverfahren für einen Posten als Bibliothekar teilzunehmen, ist Jess hellauf begeistert: Ihm könnte eine großartige Karriere in der mächtigsten Organisation der Welt bevorstehen. Doch die Haken an der Sache sind die anspruchsvollen Prüfungen an der Akademie der Bibliothek und der Umstand, dass Jess für seinen Vater bei der Organisation spionieren soll. Und was er herausfindet, hätte er wohl niemals für möglich gehalten …
Bücher-Schwarzmarkt und Tintenjunkies
Mit dem Thema Bücher kann sich jeder Autor immer gewiss sein, die Aufmerksamkeit von Leseratten zu erregen. Paart man das Ganze dann noch mit dem Trendgenre „Dark Academia“ kann doch schon fast nichts mehr schiefgehen. Diesem Erfolgsrezept ist auch Rachel Cane gefolgt: eine düstere alternative Welt mit Steampunk, Alchemie, Magie, schönen alten Büchern und einer Bibliothek, die die Welt beherrscht. Gespickt ist das Spektakel mit vielen originellen Einfällen, denn immerhin handelt es sich um eine Welt, in der das Lesen und Bücher eine ganz besondere Rolle einnehmen. So ist es nicht verwunderlich, dass jeder Bewohner ein Blankobuch besitzt, eine ganz besondere Form des Tagebuchs, oder es merkwürdige Leute gibt, die Buchseiten seltener Bücher verspeisen, weil ihnen das einen ganz besonderen Kick gibt.
Ideen allein machen jedoch kein gutes Buch und deshalb tut sich Rachel Canes Reihenauftakt handlungstechnisch ziemlich schwer. Die Details ihres Settings wirken unüberlegt in einen Topf geworfen, ohne dass sich mal jemand Gedanken gemacht hätte, wie das eigentlich alles zusammenpassen soll. Die erste Hälfte des Buches ist man damit beschäftigt, sich von den Figuren zeigen zu lassen, was es alles für tolle Dinge in dieser Welt gibt, nach welchen Regeln gespielt wird und wie die große Bibliothek in Alexandria das Leben in jedem Land beeinflusst. Und trotzdem bleiben größere Zusammenhänge bis zum Schluss unklar, sodass man am Ende mit Widersprüchen und einem großen Fragezeichen im Gesicht zurückgelassen wird. Stecken da tatsächlich noch Logikfehler drin oder wurden manche Dinge einfach nicht gut genug erklärt?
Unausgereiftes Jugendbuch
Anders als in „Tinte und Knochen“ werde ich mal nicht um den heißen Brei herumreden und gleich auf den Punkt kommen: Die Handlung ist ziemlich langweilig. Und das liegt wie so oft an den Figuren. Protagonist Jess wird wie eine Schachfigur durch die Gegend geschoben, erlebt hier mal ein Abenteuer, muss da mal ein Rätsel lösen und dort einen coolen Spruch fallenlassen. Aber worum soll es denn nun eigentlich neben der ganzen aufgesetzten Agenten-Action und dem Casting von Alexandrias neuem Super-Beamten gehen? Das stellt sich erst viel später heraus, aber ganz ehrlich … Wer will sich schon durch 300 Seiten Einerlei arbeiten, bis mal was Spannendes passiert?
Auch die anderen Anwärter an der Akademie bleiben blass und wirken wie mit Schablonen gearbeitet, die man aus einem Harry-Potter-Roman herausgestanzt hat: Es gibt einen Ron, eine Hermine und sogar einen Snape. Es scheint fast, als ob Rachel Cane ihre ganze Fantasie in das Entwickeln der Welt gesteckt und dabei vergessen hätte, dass diese Welt auch bevölkert werden muss – und zwar nicht mit 08/15-Figuren, die man sich schnell mal aus den Fingern saugt.
Fazit:
„Tinte und Knochen“ ist ein Jugendbuch, das sich zu sehr auf den eigenen (zugegeben tollen) Ideen ausruht, sodass die Handlung und die Figuren das Nachsehen haben. Wenn man beim Lesen ständig aufpassen muss, nicht das Interesse zu verlieren, ist das schon ein ziemlich schlechtes Zeichen. Die Reihe besteht übrigens aus insgesamt fünf Teilen – da braucht man ordentlich Durchhaltevermögen.
Rachel Caine, Heyne
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