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Vollendete Tatsachen

In der nahen Zukunft hat sich all der Scheiß bewahrheitet, von dem heute bereits in Weltuntergangsszenarien und düsteren Prophezeiungen gesprochen wird. Artensterben, Naturkatastrophen und ganz, ganz dünnes Eis an allen Ecken und Enden. Selbst unsere Gegenwart verändert sich dramatisch, sodass wir mit dem schockierten Schlucken kaum nachkommen. Denken wir nur an zahlreiche Waldbrände, Überschwemmungen und Erdbeben, die immer häufiger ganze Dörfer, Wälder oder Landstriche dem Erdboden gleichmachen. An normales Wetter ist kaum noch zu denken, schwenkt es doch immer wieder ins eine oder andere Extreme. Unsere Rolle in dem Ganzen macht es da nicht besser, sind wir als Menschheit neben Kriegen, globalen Krisenherden und der Nutzung unseres Planeten als Fußabtreter doch für eine Menge Chaos selbst verantwortlich. Doch scheinbar geht es noch schlimmer…

Wie perfekt ist ZU perfekt?

Miriam Ramsay war vor ihrem Tod die berühmteste Zellbiologin der Welt. Ihr Streben nach Fortschritt und Veränderung kannte keine Grenzen… und endete schließlich in einer Katastrophe. In China, wo Miriam Ramsay forschte, kam es einst zu einer Blattfäule, die die riesigen Reisfelder befiel. Genetisch manipulierte Heuschrecken sollten die Fäule beheben und wurden nach einigen Testphasen auf die Felder losgelassen. Als Koryphäe auf ihrem Gebiet war Miriam Ramsay die Eindämmung jedoch nicht genug. Sie wollte die Nutzpflanzen optimieren. Ein kleiner Schritt für ein eigentlich viel größeres Ziel. Das überambitionierte Projekt schlug aber dramatisch fehl und das Virus mutierte ständig weiter. So weit, dass es andere Pflanzen befiel und die Ernten immer kärglicher ausfielen. Die Lage verschlechterte sich, sodass Chinas Getreidevorrat gänzlich aufgebracht wurde und das Land in eine Hungersnot raste. Der Eingriff in die Natur ließ sogar das Wetter verrücktspielen und letztendlich ließen zweihundert Millionen Menschen ihr Leben. Dieses historische Ereignis sorgte dafür, dass Gen-Manipulationen und entsprechende Experimente verboten wurden. Die Auswirkungen der Katastrophe sind noch immer weltweit präsent, und damit sich ein solches Drama nicht wiederholt, wurde die Gene Protection Agency (GPA) gegründet. Eine noch junge Behörde, die Jagd auf diejenigen macht, die im Untergrund genetische Forschungen anstellen, genmanipulierte Waren aller Art herstellen und verkaufen oder gar menschliche Körper modifizieren. Kein leichter Job, denn der Markt boomt.

Einer dieser Special Agents ist Logan Ramsay. Sein Nachname kommt nicht von einem unglücklichen Zufall, nein, er ist tatsächlich der Sohn der berüchtigten Miriam Ramsay, deren Taten sogar Teil des Schulunterrichts sind. Logan steht aber felsenfest auf der anderen Seite und kann aktuell nach einem heißen Tipp mit seinen GPA-Kollegen ein illegales Labor hochnehmen. Eigentlich eine gelungene Razzia, würde es im Keller des Labors nicht zu einem folgenschweren Unfall kommen. Dort explodieren zwei Eiskugeln, die mit einem Virus infiziert wurden. Und mitten im Splitterhagel steht Logan, den es sogleich von den Beinen reißt.

Als Logan erwacht, ist nichts mehr wie zuvor. Nicht nur, dass die Heilungsphase schleppend und mit heftigen Nachwirkungen verläuft, sein Körper wurde von den Eissplittern infiziert. Das Virus schreibt seinen genetischen Code dauerhaft um. In einem enormen Tempo verschärfen sich all seine Sinne. Er erinnert sich Wort für Wort an jedes Gespräch, das er jemals führte, hat ein fotographisches Gedächtnis und mutiert zu einer wandelnden Bibliothek. Auch körperlich ist er jedem Spitzensportler weit voraus. Er wird zur bestmöglichen Version eines Menschen… allerdings zu einem hohen Preis. Er muss nicht nur um seine Frau und seine Tochter kämpfen, sondern ist Teil eines von langer Hand ausgeklügelten Plans. Sein beschwerlicher Weg konfrontiert ihn zusätzlich mit dem Fluch seiner Familie… und einem möglichen Ende der Menschheit.

Nicht ganz neu…

…ist die Idee, wie es wäre, würde eine Person Zugang zu unbeschränktem Wissen, zu unbeschränkten Fähigkeiten erlangen. Erinnern wir uns nur an „Der Rasenmähermann“, „Transcendence“ oder Luc Bessons „Lucy“. Alle genannten (filmischen) Beispiele eint, dass sie zwar eine kreative Grundidee haben, in der Ausführung jedoch schwammig und ohne tiefere Figurenzeichnung blieben. Der amerikanische Autor Blake Crouch gibt sich durchaus Mühe, seiner Hauptfigur die nötige Tiefe zu verleihen, um uns an den Seiten seines aktuellsten Werkes kleben zu lassen. Das gelingt ihm ziemlich gut, obwohl er sich nicht mit Fachbegriffen aus Gentechnik, Biologie und Chemie zurückhält. Allerdings sind auch Laien auf dem Gebiet (und wer von uns ist das nicht?) gut aufgehoben, da Crouch zu keiner Zeit in die Hard-Sci-Fi-Schiene abdriftet und stets schlüssig erklärt. Auch geraten die Figuren nie in den Hintergrund. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Logan Ramsay erzählt, weshalb wir immer nah am Geschehen bleiben. Plötzliche Wendungen erleben wir hautnah mit, das macht „Upgrade“ zu einem echten Pageturner.

Hollywood-Stoff

Blake Crouch hat sich im Laufe der Jahre zu einer echten Genre-Größe entwickelt. Nicht verwunderlich also, dass man in der Traumfabrik schon auf seine Arbeiten aufmerksam wurde. Seine „Wayward Pines“-Trilogie, bestehend aus „Psychose“, „Wayward“ und „Die letzte Stadt“ (GOLDMANN), brachte es zwischen 2015 und 2016 auf zwei TV-Staffeln, konnte aber gerade in Season 2 nicht mehr überzeugen, was ihr das Aus bescherte. Die Krimi-Serie „Good Behavior“ (2016 – 2017) basiert ebenfalls lose auf Crouchs gleichnamiger Vorlage, die wiederum aus drei Novellen besteht. Das Buch ist allerdings bislang nicht in Deutschland erschienen. Ganz im Gegensatz zu „Dark Matter - Der Zeitenläufer“ (GOLDMANN), ein internationaler Bestseller, der zuerst als Film in Planung war, nun aber als Serie für Apple TV+ in Arbeit ist. Nicht abwegig, dass „Upgrade“ ebenfalls eines Tages der Sprung auf Leinwand oder Bildschirm gelingt. Eine Mini-Serie würde sich dank zahlreicher Twists regelrecht anbieten.

Fazit:

Thriller-Fans sollten sich von spezifischen Fachbegriffen und den Sci-Fi-Elementen nicht abschrecken lassen. „Upgrade“ liefert dank des detaillierten und fast schon filmischen Schreibstils von Blake Crouch Hochspannung pur. Die gründliche Recherche zahlt sich aus, denn die düstere Zukunftsvision erreicht dadurch noch mehr Tiefe und maximiert die beklemmende Atmosphäre.