Im Namen des Ordens - 2. Der magische Foliant
- Lübbe
- Erschienen: Juni 2023
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Das Böse erwacht
Auch in Band 2 entführen uns die Autorinnen Diana Itterheim, Lara Lorenz, Ann-Kathrin Karschnick, Daniela Pusch und Sandra Grauer in das heutige London. Die Fortsetzung setzt nahtlos an die Geschehnisse des 1. Bandes an. Wer das Ende des 1. Teils gelesen hat, weiß, dass uns eine spannende Entwicklung erwarten könnte. Frohen Mutes griff ich also zu diesem Buch, um Sallys, Calebs und Lady Kaitlins Abenteuer voranzutreiben.
Alltag im Orden
Um zu überleben, musste Caleb in Band 1 einen hohen Preis zahlen. Ohne Calebs Wissen und Zustimmung hat Sally es zugelassen, ihn während eines schwarzmagischen Rituals zu einem Nekromanten zu verwandeln. Calebs Leben ändert sich dadurch jedoch erstmal nicht. Er ist Teamleader seiner magischen Eingriffstruppe, die nach dem Tod eines Mitglieds mit Calebs zukünftigen Schwägerin neu besetzt wird. Das schmeckt Caleb so gar nicht, ist er doch auf seine Familie alles andere als gut zu sprechen. Seine Bewältigungsstrategie heißt: Professionalität! Caleb treibt seine Truppe zur Perfektion an, denn nach den Ereignissen des 1. Bandes will er sich unter den Augen der unbeliebten Chefin Victoria keine weiteren Schnitzer erlauben.
Doch mit seiner neu gewonnenen Ruhe und Professionalität ist es schnell dahin, denn es passieren immer häufiger merkwürdige Dinge, sobald er Magie anwendet. Caleb stellt heimlich Nachforschungen an und ist sich irgendwann sicher, er ist ein Nekromant.
In der Zwischenzeit erhält Sally Konkurrenz um die Nachfolge als Bibliothekarin des hermetischen Ordens. Calebs Bruder taucht auf und wird Lady Kaitlin als ihr einzuarbeitender Nachfolger vor die Nase gesetzt. Keine Situation, welche die beiden zu freudigen Luftsprüngen veranlassen würde. Lady Kaitlin beschließt, Sally weiterhin heimlich zu ihrer Nachfolgerin auszubilden.
Neben ihren Aufgaben in der Bibliothek ist Sally fortwährend auf der Suche nach Antworten, um die losen Enden aus dem 1. Band aufzuklären. Dabei gerät sie immer mehr in den Fokus der Verschwörer und muss schlussendlich um ihr Leben fürchten.
Aller guten Dinge sind drei?
Der systematische Aufbau in Band 2 ändert sich nicht im Hinblick auf dessen Vorgänger. Weiterhin erleben wir die Geschichte abwechselnd aus drei Perspektiven. Dabei sticht Calebs Part deutlich hervor. Durch seine Verwandlung zum Nekromanten und die damit einhergehenden Fähigkeiten wird den Abschnitten rund um den jungen Vigilanten eine neue moralische Ebene hinzugefügt. Um Magie anzuwenden, muss sich Caleb nun fremder Lebensenergie bedienen. Eine erschreckende Erkenntnis, da das Anwenden von Magie essenziell ist für sein Leben im Orden. Zu dem ganzen Schlamassel kommt noch erschwerend hinzu, dass sich die Nekromantie so ungemein mächtig anfühlt. Zu diesem inneren Konflikt gesellen sich die äußeren Umstände im Orden, die alles von Caleb abverlangen. Da hilft es kaum, dass Caleb jetzt genau das ist, was er geschworen hat zu bekämpfen. Ein paranormales Wesen. Das Überschneiden und vor allem die Gegensätzlichkeit der neuen tödlichen Fähigkeiten, gepaart mit deren fast unbegrenzten Macht und der moralischen Werte Calebs, sind das Highlight dieses Werkes und fügen der Geschichte eine Menge prickelnder Spannung hinzu.
Sally kämpft sich unterdessen weiterhin durch das Treiben im Orden als Dienstmädchen. Sie versucht zu beweisen, dass Teile des Ordens bei den Morden im Vorgängerband ihre Finger im Spiel hatten. Dabei hat sie insbesondere zwei mächtige Verbündete, Caleb und Lady Kaitlin. Diese vermeintliche Position der Stärke, ist zugleich aber auch Sallys größte Schwäche. Sie vermag es zu keinem Zeitpunkt, ihr Joch, ein Teil des schwächsten Glieds in der Hierarchie des Ordens zu sein, abzulegen. Ständig bedarf es der Hilfe anderer, da es Sally nicht aus eigener Kraft schafft, sich aus den Fängen der Verschwörer des Hermetischen Ordens zu befreien. Keine Frage, Sallys Willensstärke und moralischer Kompass sind positiv hervorzuheben. Sie hat es nicht leicht in den mehr als konservativen Strukturen des Ordens. Doch es muss nicht sein, dass sie sich letztlich immer wieder hinter einem großen, starken und zumeist männlichen Beschützer verstecken muss, der hinter ihr aufräumt. Sallys Entwicklungen hätten ein paar mehr Fähigkeiten gutgetan, die das Bild der hilflosen Dienstmagd voll Ends in den Hintergrund rücken lassen.
Lady Kaitlin ist und bleibt mir ein Rätsel. Sie feilt weiterhin an ihrem Plan, eine neue Gemeinschaft zu gründen, die auf andere Werte setzen soll, als der konservative Hermetische Orden. Die alternde Bibliothekarin strebt einen Orden an, der für Toleranz, Gleichberechtigung und Modernität steht. Hehre und ehrbare Ziele, vor allem im Hinblick auf die Zustände im derzeitigen Londoner Orden. Eigentlich sollten diese fast schon revolutionären Gedanken aus Sicht eines Ordensmitgliedes die Person Lady Kaitlin in einem helleren Licht erstrahlen lassen. Insbesondere sollte sie das Angestrebte auch selbst vertreten. Doch leider durchbricht Lady Kaitlin immer wieder genau die Werte, für die sie nun seit Jahrzenten heimlich kämpft. Bringt man ihr das falsche Teeservice, kann es passieren, dass ein Dienstmädchen ordentlich die Leviten gelesen bekommt.
Ablehnung der Todesstrafe? Fehlanzeige! Wen Lady Kaitlin für ein Monster hält, der verdient die Hinrichtung durch den Orden. Diese und weitere Wiedersprüche begleiten die Bibliothekarin auf Schritt und Tritt. Solche Unstimmigkeiten sind es, die den Leser stirnrunzelnd zurücklassen.
Fazit:
Die Charakterzeichnungen in Band 2 haben ein klares Gefälle. Glücklicherweise reißt Calebs nekromantisches Dilemma das Ruder herum und es wird lesenswerte Urban Fantasy geboten. Wer Freude an Band 1 gefunden hat, findet in diesem Roman eine würdige Fortsetzung.
Robin G. Hunter, Lübbe
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