Schwingen im Mondlicht

Engel leben im Himmel, sind gütig und barmherzig und mit ihren Flügeln sowie Heiligenschein eine äusserst aparte Erscheinung. Der Teufel hingegen haust in der garstigen Hölle, ist ein hässliches Untier mit Hörnern und Pferdefuss... Das Gut und Böse, Himmel und Hölle nicht so einfach in Schubladen zu stecken sind, zeigt uns Madeleine Puljic in ihrem neuen Roman.

Happy Birthday Allison!

Geburtstag zu haben ist eine tolle Sache. Es gibt Geschenke, Glückwünsche von allen Seiten und eine Party mit Freunden. Kunststudentin Allison freut sich bereits riesig auf ihren "Ehrentag". Doch es kommt anders als geplant, denn ihre Mutter hat die Party kurzerhand abgesagt. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, hagelt es von ihr anstelle von Präsenten nur Vorwürfe. Allison muss sich anhören, wie egoistisch und undankbar sie ist, was für eine Last sie für ihre Mutter bedeutet. Anstatt ihren Ärger hinunterzuschlucken, wie sie es sonst immer tut, beschliesst Allison abzuhauen und ihren leiblichen Vater zu suchen.

Nach ihrer überstürzten Abreise kommt Allison in Greenport an, wo sie versucht, ihren Vater ausfindig zu machen. Das ist jedoch nicht so einfach, ausser einem Foto hat sie kaum Anhaltspunkte, wo sie mit ihrer Suche beginnen soll. Immerhin hat sie jobtechnisch Glück und findet in einem Coffee-Shop eine Anstellung, um sich finanziell über Wasser zu halten. Ihr Wunsch nach einem neuen Leben birgt aber noch weitere Überraschungen für Allison. In ihr schlummerte bislang der Engelskeim, der nun erwacht ist und ihr jede Nacht weisse Flügel auf dem Rücken beschert. Sie ist darüber geschockt und versucht, ihre Schwingen schnellstmöglich loszuwerden. Das es dafür zu spät ist und sie längst auf dem Radar von Himmel und Hölle aufgetaucht ist, davon hat Allison keine Ahnung. Für welche Seite wird sie sich entscheiden?

Welchem Team schließt du dich an?

Wird der Engelskeim in einer Person erweckt, kämpfen Himmel und Hölle mit ihren Abgesandten darum, sie für ihre Seite zu gewinnen. Dabei wird vor nichts Halt gemacht. Diese schmerzhafte Erfahrung muss auch Allison machen. Als sie Caleb kennenlernt ist sie zuerst vorsichtig, da er wie der typische "Herzensbrecher" daherkommt. Doch nach und nach öffnet sie sich ihm. Allison erzählt Caleb von ihren Ängsten, Selbstzweifeln und sogar ihren Suizidgedanken. Sie offenbart ihm ihre seelischen wie auch körperlichen Narben und fühlt sich zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich verstanden, da er ein ganz ähnliches Schicksal teilt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn Caleb hat sich nicht grundlos genau zu dem Zeitpunkt in Allisons Leben geschlichen, als ihr Engelskeim erwacht ist...

Sensible Themen in fantastischen Welten

Mit Allison haben wir eine Protagonistin, die es nicht leicht im Leben hat. Die Beziehung zu ihrer Mutter ist praktisch inexistent, sie erfährt viel Ablehnung und Unverständnis. Mit ihren Ängsten und Selbstzweifeln wird sie allein gelassen und sieht als einziges Ventil für ihren Leidensdruck die Selbstverletzung. Sogar mit dem Thema Suizid hat sie sich schon befasst. Gleichzeitig hat sie aber einem starken Willen und ein Kämpferherz. Als Figur hat sie mich berührt und ich konnte sehr gut mit ihr mitfühlen. Vor allem tat sie mir auch richtig leid, weil sie so eine schrecklich unsympathische Mutter hat! Gerne hätte ich dieser guten Frau mal ordentlich meine Meinung gegeigt!

Caleb, unsere männliche Hauptfigur, musste in seinem Leben ähnliches durchmachen wie Allison. Trotz seiner anfänglich nicht ganz ehrlichen Absichten ihr gegenüber, mag man den Kerl trotzdem, weil er das Herz einfach am richtigen Fleck hat.

Die Geschichte liest sich leicht und locker, da Madeleine Puljic einfach weiss, wie man selbst schwierige, sensible Themen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit flüssig aufs Papier bringen kann. Zudem entwirft sie ganz eigene Versionen von Himmel und Hölle. Beide weisen zwar Elemente auf, die in meiner persönlichen Vorstellung ebenfalls vorkommen. Und doch bringt die Autorin eigene, originelle Ansätze um etwas neues und Frisches zu schaffen.

Fazit:

"Schwingen im Mondlicht" beginnt mit einer Triggerwarnung, da im Buch viele sensible Themen zur Sprache kommen. Puljic verpackt diese gekonnt in einer Urban Fantasy Geschichte. Diese überzeugt mit einer starken Protagonistin, die trotz aller Widrigkeiten zum Schluss ihren eigenen Weg geht und zeigt, dass es mehr gibt als Himmel und Hölle, Gut und Böse.