Vampyria - Der Hof der Stürme (Die Vampyria-Saga 3)

Der bislang letzte Teil der "Vampyria"-Reihe reiht sich nahtlos hinter seine Vorgänger ein. Jeanne Froidelac alias Diane de Gastefriche stiftet weiterhin ihr Dasein als Rebellin am Königshof von Versailles. Ihrem Ziel, den König der Finsternis, Luis XIV., zu töten, ist sie dabei noch keinen Deut nähergekommen. Im Gegenteil, als die französische Marine vor dem nordamerikanischen Kontinent vernichtend geschlagen wird, entsendet ihr Souverän sie in den fernen Westen, um den gefürchteten Piraten mit dem Titel „Fahler Phöbus“ zu ehelichen. Der Fahle Phöbus stellt die französische Vormachtstellung im Atlantik vor Probleme, und der König der Finsternis möchte den Piraten mit der Heirat besänftigen, um ihn schlussendlich als seinen Untertan in Empfang zu nehmen.

Der vampirische Widerstand sieht in der Entsendung Jeannes die Chance, den mysteriösen Piratenkapitän auf die Seiten der Rebellion zu ziehen. So kommt es, dass Jeanne in fremde Gefilde aufbricht, mit dem Ziel, einen starken Verbündeten für den Widerstand zu rekrutieren. Viel mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, denn wie bereits in den Vorgängern, machen die Charakterzeichnungen in Victor Dixens vampirischem 19. Jahrhundert einen Großteil der Stärken dieses Romans aus. Mit dem Fahlen Phöbus ist dem Autor wieder eine spannende Figur gelungen, die es selbstständig zu entdecken gilt.

Gleiche Mission, neuer Ort

Die Grundidee des 3. Bandes ist nicht wirklich neu. Statt nach Paris und zur Wunderdame, wird Jeanne nun in den Atlantik zum Fahlen Phöbus entsendet. Auch diesmal geleiten sie mehrere Reiter des Königs zum Ziel und sie trifft im Laufe der Handlung sogar auf einen alten Bekannten aus ihrem Pariser Abenteuer. Daraufhin schlüpft eine gern gesehene Liaison aus ihrem Kokon und entfaltet flatternd ihre Schmetterlingsflügel. Unter anderem sind es diese Momente, in denen die spannend skizzierten Protagonisten in den Vordergrund treten und das Buch erstrahlen lassen.

Nun wurden genug Gemeinsamkeiten kredenzt, und der Autor entführt uns auf eine wahrlich abwechslungsreiche Odyssey durch die Weiten des Ozeans. Das rasante Tempo der ersten Bände bringt Dixen auch in diesem Buch wieder auf die Strecke (oder sollte ich sagen „zur See“?) und stößt somit jedwedes Aufkommen an Langeweile gekonnt über die Planken. Ungeachtet dessen wird man beim mittlerweile 3. Teil der Reihe das Gefühl nicht los, dass der Geschichte ein wenig die Puste ausgeht. Obwohl der Unterhaltungsfaktor überwiegend konstant hoch bleibt, fehlt es dem roten Faden der Geschichte ein Stück weit an der nötigen Zielorientierung. Das spiegelt sich auch in gewissen Maßen in der Charakterzeichnung Jeannes wider. Unsere Heldin ist eine überaus mutige Person, die eine Leidensfähigkeit an den Tag legt, die es zu bewundern gilt. Im Gegensatz zu den anderen toll designten Figuren beschleicht einen bei Jeanne jedoch durchgehend das Gefühl, als fehle unserer Heldin ein gewisses Puzzleteil, um eine glaubwürdige Bedrohung für die blutrünstigen Vampire darzustellen, und somit zurecht den Fokus der Geschichte in sich zu vereinen. Das ist deswegen besonders schade, weil es schließlich eben besagte Jeanne ist, aus deren alleiniger Perspektive wir dieses Abenteuer erleben. Erst gegen Ende des 3. Bandes flutet Dixen das Geheimnis um die wahre Natur Jeannes mit genug Sonnenlicht, um aus den Puzzlestücken ein vollständiges Bild zu zaubern. Diese Enthüllung passt perfekt in die von Dixen gezeichnete Welt, kommt aber zu spät daher. Ich wage zu behaupten, dem Leser ist der Enthusiasmus der Geschichte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Stück weit verloren gegangen. Betrachtet man das Finale dieses Werkes, wird unbestritten gute Unterhaltung geboten. Gleichwohl erwünscht man sich mehr von seiner Heldin, die ein wenig zu einer Passagierin verkommt und das Ruder der Handlung an das Schicksal übergibt.

Eine sprachliche Glanzleistung

Sprachlich macht Victor Dixen so schnell keiner was vor. Seine lebendige und bildhafte Sprache passt wie die gelockte Perücke zur Aristokratie in die von ihm geschaffene Version des 19. Jahrhunderts. Gekonnt regt er die Vorstellungskraft seiner Leserschaft an, geleitet uns schwungvoll durch sein Werk und zaubert den Lesenden eine wirklich gelungene Nahbarkeit auf das Papier. In diesem Roman steckt wiederholt sehr viel Liebe zum Detail. Dem Autor gelingt das Meisterstück, seine Version der Geschichtsschreibung mit einer formidablen Lebendigkeit vor dem inneren Auge der Leserschaft entstehen zu lassen. Touché!

Fazit:

Der Hof der Stürme ist ein sprachgewaltiger Roman der Fantasyliteratur, der Vieles richtig macht. Insbesondere die überwiegend hervorragend gezeichneten Charaktere sorgen für ein abwechslungsreiches Leseabenteuer. Leider hat man jedoch in der Gesamtbetrachtung der erschienenen Werke das Gefühl, dass dem aktuellsten Buch auf seinem steinigen Weg zur Vernichtung der Blutsauger etwas die Puste ausgeht. Außerdem wird dem Roman die Kehrseite des durchgehend hohen Erzähltempos zum Verhängnis – die Gewohnheit. Die Lesenden gieren trotz hoher Geschwindigkeit nach Nervenkitzel und übersehen dabei, dass das ganze Buch ein einziges Spektakel ist.