Vampyria - Der Hof der Finsternis (Die Vampyria-Saga 1)
- Blanvalet
- Erschienen: Juni 2023
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Mit Vollgas durch die finstere Nacht
Wer sich noch an den Geschichtsunterricht aus der Schule erinnert, dem wird Ludwig XIV. alias Sonnenkönig mit Sicherheit ein Begriff sein. Bei all den Assoziationen, die einem womöglich durch die Hirnwindungen schießen, ist die Vorstellung, Ludwig XIV. sei ein unsterblicher Vampir gewesen, doch ziemlich abgedroschen. Grund genug für den zweimaligen Gewinner des „Grand Prix de I`lmaginaire“, Victor Dixen, dieses Szenario zum Leben zu erwecken (urteilt selbst, liebe Leser, ob diese Redewendung für Untote passend gewählt ist). Man muss die phantastische Literatur einfach liebhaben, weil sie uns immer wieder mit diesen tollen Ideen verwöhnt.
Wie Victor Dixen seine Version des Sonnenkönigs gelungen ist, schauen wir uns im Folgenden näher an.
Die Saat der Rache
Ludwig XIV. hat vor knapp 300 Jahren den Schlüssel zum ewigen Leben entdeckt und regiert seitdem unangefochten aus Versailles über weite Teile der Erde.
Die Bevölkerung ist hingegen dazu verdammt, ihre Oberen mit Blut zu versorgen. Wer dem Adel angehört und hoch in der Gunst des absolutistischen Herrschers steht, hat die Möglichkeit, in den Kreis der Vampire aufgenommen zu werden.
In diesem Frankreich, in dem die Zeit stillzustehen scheint, denn wozu ist Fortschritt gut, wenn das Blut der bemitleidenswerten Bevölkerung so gut wie alle Probleme zu lösen scheint, lebt die junge Jeanne Froidelac mit ihrer Familie auf dem Land, fernab von Versailles und dem trubeligen Paris. Doch auch hier sind die Auswirkungen des untoten Regimes unweigerlich zu spüren.
Als eines Tages die Inquisition in Jeannes Dorf kommt, verändert sich ihr Leben schlagartig.
Eingehüllt in den Mantel der Rache, erlangt Jeanne die Möglichkeit, sich mit anderen Mitstreitern um den Platz als Reiterin des Königs zu bemühen. Die Reiter sind eine Art sterbliche Leibgarde, in deren Reihen jedes Jahr zwei neue Rekruten aufgenommen werden.
In der Ausbildungsstätte der Reiter trifft Jeanne auf Freund und Feind. Sie muss alles von sich abverlangen, um ihr angestrebtes Ziel zu erreichen- Rache am Herrschaftszirkel Magna Vampyrias.
En garde!
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive Jeanne Froidelacs. Sie ist eine willensstarke Protagonistin, die sich immer wieder anpassen muss, um ihre Ziele zu erreichen. Der Leser versucht sich gerade ein erstes Bild von Jeanne zu machen, da geht das ganze Schlamassel auch schon richtig los. Wem der eher behutsame Aufbau von Romanen à la Nevernight-Chroniken, um im Kontext der Rache zu bleiben, liegt, der wird mit diesem Werk eventuell seine Schwierigkeiten haben. Dixen lässt uns von einem Ereignis zum nächsten rasen und dem Leser bleibt wenig Zeit, um durchzuatmen. Ich möchte an dieser Stelle wirklich nicht falsch verstanden werden. Hierbei handelt es sich keinesfalls um eine Kritik. Ein langsames Eingewöhnen oder eine Achterbahnfahrt sind nicht per se besser oder schlechter. Das entscheidende Kriterium ist hierbei die Umsetzung und diese ist dem Autor bei der Verwirklichung seines wilden Ritts durch das vampirverseuchte Frankreich, bis auf wenige Ausnahmen, wirklich gut gelungen.
Eine fehlende Nahbarkeit wird trotz Spektakelfeuerwerk gekonnt umschifft. Jeannes Schicksal weckt unser Mitgefühl und wir können den Wunsch nach Rache hautnah mitempfinden.
Eine klassische Spannungskurve lässt sich in diesem Werk nicht verzeichnen. Es ist vielmehr so, dass durch das zügige Tempo der Ereignisse eine konstant hohe Grundspannung vorhanden ist, die wie beim Fechten immer wieder zustößt und jedes Aufkommen von Langeweile im Keim erstickt.
Jeanne ist eine Protagonistin mit einem gradlinigen Aufbau. Sie will Rache und verschreibt sich diesem Ziel mit allem, was sie hat. Das geht zuweilen soweit, dass sie sich in ihrem Drang nach Rache zu verlieren scheint. Ihr Handeln und ihre Gedanken schlittern auf das Schicksal einer Märtyrerin zu und sie verspielt hierdurch den ein oder anderen Sympathiepunkt. Der Schlussakt bringt jedoch wieder etwas Licht ins Dunkel und besänftigt die Leserschaft.
Gut Ding will Weile haben
Obwohl der Roman in seiner Struktur grundsätzlich gut gelungen ist, beißt sich die Katze beim Erzähltempo in den Schwanz (zumindest in die Schwanzspitze). Was auf der einen Seite für viel Spannung und Suchtfaktor sorgt, führt auf der anderen Seite zu einem Abhandenkommen der wirklichkeitsnahen Erzählweise. Klar, wir haben es hier mit einem Fantasyroman zu tun, was bedeutet, dass die Realität von allen Seiten ausgehöhlt wird, und das aus gutem Grund.
Aber bei all dem darf dem Leser ein gewisses Gefühl von Nachvollziehbarkeit nicht abhandenkommen. Als unsere Protagonistin nach Versailles kommt und in den Wettstreit mit den anderen Anwärtern auf den Posten als Reiterin des Königs tritt, schafft sie es in kürzester Zeit, in unterschiedlichsten Disziplinen ihre Mitstreiter hinter sich zu lassen. Aufgrund Ihrer Herkunft und ihrem bisherigen Leben ist dies nicht unbedingt nachvollziehbar und wirkt in der Kürze der Zeit wie ein Steinchen im Getriebe.
Im Laufe der Handlung entwickelt sich zwischen Jeanne und einem ihrer Mitstreiter eine Romanze, der es etwas an Inhalt fehlt. Zu schnell kommen die beiden an einen Punkt der Zugehörigkeit und Intimität. Es scheint fast so, als hätten die Beiden ein paar Schritte übersprungen. Hier hätten ein wenig mehr Liebe zum Detail und eine etwas gemächlichere Entwicklung gutgetan.
Tolle Szenerie
Die größte Stärke dieses Werkes ist das historische Setting, eingebettet in ein phantastisches Szenario. Sämtliche Elemente greifen stimmig ineinander und die Umsetzung der vielen abgewandelten historischen Details bereiten Freude. Außerdem gelingt es dem Autor gekonnt, interessante und neuartige Elemente im Rahmen seines untoten Europas einzustreuen. Wen blutsaugende Rosen oder andere Spielereien derlei Art faszinieren, der ist am Hof der Finsternis genau richtig aufgehoben.
Fazit:
Victor Dixen paart ein schnelles Erzähltempo mit einem interessanten Setting. Vampirliebhaber kommen mit diesem Werk voll auf ihre Kosten. Nehmt das Buch zur Hand, macht es euch bequem und genießt diesen wilden Ritt durch Ludwigs blutsaugendes Frankreich.
Victor Dixen, Blanvalet
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