Bloodless - Grab des Verderbens (Special Agent Pendergast 20)
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Dezember 2021
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Blutleere Leichen & schwüle Südstaaten-Dekadenz
Statt sich eine verdiente Pause gönnen zu können, wird das FBI-Team Aloysius Pendergast und Armstrong Coldmoon - verstärkt durch Pendergast-‚Mündel‘ Constance Green - an einen neuen = mysteriösen Tatort gerufen: In der US-Südstaaten-Metropole Savannah sind mehrere Leichen aufgetaucht, denen das Blut bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt wurde!
Die örtliche Politik und hier vor allem der mächtige, skrupellose Senator Drayton schätzt solche ‚Publicity‘ kurz vor der Wiederwahl nicht. Die Bürger fürchten sich und fordern Aufklärung. Den Druck gibt Drayton umgehend an die lokale Polizei und an das FBI weiter. In Pendergast findet er allerdings seinen Meister; der vom Seltsamen faszinierte Special Agent lenkt die Ermittlung auf seine eigene, die Dienstvorschriften großzügig interpretierende Weise.
Die Presse munkelt von einem riesigen ‚Vampir‘, der sein Unwesen treibt. Solche Kunde lockt Barclay Betts nach Savannah. Er moderiert eine beliebte TV-Serie über Spuk und Fabelwesen und ist nun störend dort präsent, wo die Polizei und Pendergast nach Spuren suchen. Ebenfalls vor Ort ist Betts‘ erbitterter Gegner, der Autor Francis Wellstone, der die Vampir-Story ebenfalls für sich nutzen will.
Während die Ermittlung nur langsam vorankommt, schlägt der ‚Vampir‘ erneut zu. Überlebende Zeugen schildern Attacken aus der Luft. Selbst Pendergast benötigt eine Weile, bis er eine bizarre Wahrheit enthüllt, die auf einem weiteren Mysterium des Jahres 1971 basiert …
Neue Runde für alte Bekannte
Schon immer balancierte das Autoren-Duo Douglas Preston & Lincoln Child auf dem schmalen Grat zwischen Realität und dem Übernatürlichen, wenn Special Agent Pendergast die Bühne betritt - so muss man seine (theatralisch) überlegene Präsenz inzwischen beschreiben, denn Pendergast ist ein Mittler zwischen den Welten, seit er in „Relic - Museum der Angst“ einst erstmals ermittelte und dabei auf ein waschechtes Monster stieß.
„Bloodloss“ ist Band 20 einer Serie, die einerseits ein dauerhafter Erfolg geworden ist, sich andererseits aber totgelaufen bzw. einem Muster unterworfen hat, das die Autoren nicht selten gar zu schematisch bedienen. Den eingangs aufgewühlten Geheimnissen folgt eine schlichte Auflösung, der sich ein leichenreiches Action-Getümmel anschließt. Hinzu kommen Nebenhandlungen, die vor allem Buchseiten produzieren, während sie dem eigentlichen Plot keine relevanten Ergänzungen bringen.
Auch „Bloodline“ ist nicht frei von unnützem Beiwerk. So ist der Prolog ein Blender, da Preston & Child einen zum modernen Mythos gereiften, nie geklärten Kriminalfall nur aufgreifen, um ihn auszubeinen: Die ausführlich wiedererzählte Mär einer legendären Flugzeugentführung hat keinerlei Bezug zur Primär-Geschichte, der sie plump vorgeflanscht wird. Reiner Selbstzweck bleiben auch die Grabenkämpfe zwischen diversen ‚Geisterjägern‘; die aufwändig eingeführten und miteinander streitenden Möchtegern-Journalisten sind eventuell Witzfiguren, mit denen Preston & Child die Flut faktenreiner Dumm-Dokus im Internet karikieren wollen. Sie werden irgendwann vom Monster erwischt und verschwinden folgenlos aus dem Geschehen.
Jenseits der Grenzen des Universums
Ungeachtet solcher Strohdresch-Einschübe bereitet „Bloodline“ deutlich mehr Vergnügen als viele frühere Serienbände. Dies liegt an der Entscheidung, die übernatürlichen Aspekte der Story final nicht halbgar zu rationalisieren, sondern konsequent in der Phantastik zu verankern. Wie beispielsweise Stephen King öffnen Lincoln & Child der Science-Fiction und dem Horror buchstäblich eine Pforte. Sie führt in eine andere Welt und kann von beiden Seiten durchschritten werden, was für die Dramaturgie dieses Garns von elementarer Bedeutung ist.
Ohne in Details zu gehen = Spoiler zu produzieren sei angedeutet, dass Pendergast dieses Mal erfährt, dass wir nicht in einem Universum, sondern einem Multiversum leben. Es beinhaltet unendlich viele Alternativwelten; auch ‚unsere‘ Erde existiert x-fach und kann dem ‚Original‘ ähneln, sich aber auch lebensgefährlich davon unterscheiden. Preston & Child nutzen beide Varianten, wodurch sich ein Mystery-Thriller erst in ein SF-Abenteuer und schließlich in eine Horror-Spektakel verwandelt.
Dass die Autoren dieses Mal auf die nebulöse Verwischung übernatürlichen Wirkens verzichten, sondern die Verschränkung offen einsetzen, sorgt für eine Handlungsstringenz, die der Pendergast-Serie abhandengekommen zu sein schien. Hier lesen wir eine Geschichte, in der die Gesetze von Raum und Zeit ignoriert werden - dies nie genial, aber so einfallsreich und zügig, dass es erfreulich unterhaltsam funktioniert. Selbst für die nutzlos durch viele Bände mitgeschleppte Constance Green findet sich dieses Mal eine Anwesenheitsberechtigung!
Fazit:
Band 20 der Serie um Special Agent Pendergast ‚erklärt‘ die Seltsamkeiten der Handlung nicht als Täuschung oder Trick, sondern bettet sie konsequent in ein Konzept ein, das Science-Fiction und Horror nicht leugnet, sondern einfallsreich nutzt, um ein nie originelles, aber rasantes und spannendes Abenteuer-Garn zu spinnen.
Lincoln Child, Douglas Preston, Droemer-Knaur
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