Rainbow Mars
- Bastei-Lübbe
- Erschienen: Januar 2001
- 1
Ein Krieg der Welten durch viele Zeiten
Die Erde im Jahre 3054 – ein endlich geeinter Planet ohne Grenzen, aber leider auch ohne Ökosphäre. Mehr als zehn Jahrhunderte ungebrochenen Raubbaus und endloser Umweltverschmutzung ließen die grünen (Alb-)Träume des späten 20. Jahrhunderts in Erfüllung gehen: Praktisch jede Tier- und Pflanzenart wurde ausgerottet. Aber der Mensch als solcher ist findig. Wenn er dann noch in den ehemaligen USA geboren wurde, favorisiert er möglichst bequeme und gleichzeitig sportliche Lösungen, die ihn außerdem der lästigen Pflicht entheben, zukünftig womöglich achtsamer mit einer aufgefrischten Fauna & Flora umzugehen!
Denn inzwischen wurde die Zeitmaschine erfunden! Da ist es möglich, das Ausgestorbene kurzerhand aus der Vergangenheit zu holen und in der Zukunft neu anzusiedeln. Genauso befiehlt es Waldemar X., der geistig zwar leicht unterbelichtete, aber mit guten politischen Instinkten ausgestattete Generalsekretär der Vereinten Nationen, die inzwischen das Sagen auf der Erde haben. In der Realität ist das ";Abfischen” der Vergangenheit allerdings mit zahlreichen schwer kalkulierbaren Risiken behaftet. Das ";Institut für Zeitforschung” unter Direktor Ra Chen und vor allem Hanville Svetz, seines Zeichens Zeitreisender, müssen mit vielen unvorhersehbaren Zwischenfällen fertig werden.
Wirklich kritisch wird es für das Institut jedoch, als die UNO es dem ";Amt für Himmelsdomänen” angliedert. Willy Gorky, der neue Leiter, muss möglichst rasch Erfolge vorweisen, sonst droht der neue Generalsekretär den Zeitforschern die Mittel zu streichen. Gemeinsam mit Ra Chen, Hanville Svetz und Miya Thorsven, Svetz’ neuer Kollegin und bald Gefährtin, heckt Gorky einen abenteuerlichen Plan aus: Der neue Generalsekretär ist ein großer Freund der Weltraumfahrt. Was wäre, wenn man die Vergangenheit nach entsprechenden Attraktionen absucht? Auf dem Mars gibt es Spuren einer untergegangenen Zivilisation – und genau dorthin machen sich Svetz und Thorsven auf den Weg!
Der Sprung gelingt, aber wie eigentlich immer bei den Svetzschen Zeitreisen geht etwas schrecklich schief. Die Reisenden geraten in einen Krieg gleich fünf marsianischer Intelligenzvölker, von denen jedes die ";Gäste"; gern auf ihre Seite ziehen oder umbringen möchte…
Zuviel des Guten und des Durcheinanders
";Rainbow Mars” ist ein Werk des bienenfleißigen Larry Niven, das sowohl in den USA als auch sonst auf zwiespältige Kritik gestoßen ist. Dabei würde sich die Unsicherheit darüber, wie man dieses seltsame Buch beurteilen muss, vermutlich legen, wenn man a) berücksichtigt, dass ";Rainbow Mars” einen neuen Roman und einige ältere Kurzgeschichten sammelt, die b) tunlichst vor besagtem Roman gelesen werden sollten, weil sie grundsätzliche Informationen liefern, ohne die dieser schwer oder gar nicht verständlich ist. Wieso dies vom Verlag nicht berücksichtigt wurde, bleibt unklar; es hat sich dort wohl niemand wirklich die Mühe gemacht, den Roman/Story-Hybriden eines näheren Blickes zu würdigen… (Schon die US-Ausgabe vergraulte übrigens auf diese Weise unnötig Leser.)
Der gemeinsame Nenner von ";Rainbow Mars” ist das ";Institut für Zeitforschung” und sein pittoreskes Personal, allen voran Hanville Svetz, der – wenn er denn ein Held ist – als höchst unfreiwilliger Vertreter seiner Gattung bezeichnet werden muss. Er ist eigentlich ein recht durchschnittlicher Zeitgenosse, der meist schlecht als recht, aber immerhin einfallsreich einem ungewöhnlichen Job nachgeht. Das tut er freilich in einer Welt, die einem Tollhaus gleicht. Auf der Erde des 31. Jahrhunderts geht es in der Regel so wüst zu, dass sich Svetz’ Einsätze und vor allem seine Eskapaden vor dem Hintergrund einer ganz sicher nicht den Roddenberryschen Vorgaben stetigen Fortschritts bei Überwindung aller sozialen und kulturellen Probleme gehorchenden Zukunftswelt perfekt in das groteske Gesamtbild fügen.
Leider ist die bloße Entschlossenheit, humorvoll oder auch nur witzig zu sein, keine Garantie, dieses Ziel auch zu erreichen. Nivens ";Tongue-in-Cheek";-Science Fiction soll möglichst dick aufzutragen, um die Handlung bewusst ad absurdum zu führen. Dies funktioniert in der Kurzgeschichte, welche die ideale Form darstellt, einen Gag auszuspielen. ";Rainbow Mars”, der Roman, zerfällt dagegen in eine Nummernrevue komischer Episoden, die nie zu einer Einheit finden wollen und die eigentliche Handlung – die es durchaus gibt – unter sich begraben.
Nichts ist so tot wie aufgewärmte Flower-Power
Es ist die Krux aufgewärmter Erfolge der Vergangenheit, dass sie eine Zeit zu beleben und eine Atmosphäre heraufzubeschwören versuchen, die längst verschwunden ist. Erinnert sei nachdrücklich an die Entstehungszeit – 1969 bis 1971 – der Svetz-Stories. Nicht ohne Grund wirken sie recht psychedelisch, sind sie doch zur Hochzeit der Flower-Power-Bewegung entstanden. Larry Niven, Jahrgang 1938, war vielleicht schon ein bisschen alt, aber noch jung genug, sich ein wenig vom Geist jener Tage mitreißen zu lassen. Kritisch wird es, wenn er dies volle drei Jahrzehnte später erneut versucht – und nun gleich über stolze 350 Seiten! Dummerweise verfügen die Leser von Heute über keine Zeitmaschine. Statt dessen haben sie Jahrzehnte des Fernsehens und des Internets erheblich schlauer – und zynischer werden lassen: Mit den harmlosen Scherzchen von ";Rainbow Mars” lassen sie sich nicht mehr hinterm Handy hervorlocken!
Dabei böte die SF-Handlung von ";Rainbow Mars” im Grunde zur Klage wenig Anlass. Zeitreise-Geschichten liest man immer gern, der Rote Planet hat eigentlich immer Konjunktur, und Larry ";Ringwelt” Niven ist wahrlich kein Anfänger! ";Rainbow Mars” ist daher kein wirklich schlechter Roman. So weit es möglich ist, die Story hinter dem Zwang originell sein zu wollen noch zu erkennen, darf man ruhig ein wenig trauern um ein Abenteuer, das hätte sein können. In den alten Kurzgeschichten klafft die Schere zwischen Anspruch und Umsetzung dagegen nicht annähernd so weit auseinander wie im neuen Roman!
";Sobald eine Geschichte bereit ist, erzählt zu werden, schreibe ich sie”, gibt Larry Niven im (seltsam konfusen) Nachwort zu ";Rainbow Mars” bekannt. Die Frage, wieso er ausgerechnet auf die zwar populären, aber deutlich von der Zeit eingeholten Svetz-Stories zurückgriff und damit dreißig Jahre wartete, kann er trotzdem nicht zufriedenstellend beantworten. Vielleicht reizte ihn die Herausforderung, aber unterm Strich hat er nur recht eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass auch ein Profi kein Blut aus einem Stein pressen kann…
So bleibt in erster Linie die Freude, die alten Svetz-Storys wiederzusehen. ";Der Flug des Pferdes” (Heyne Science Fiction 06/3817), der sie zum ersten Mal in deutscher Sprache präsentierte, erschien hierzulande 1981 und dürfte der jüngeren SF-Leserschaft unbekannt sein. Da ist eine Neuausgabe durchaus eine schöne Chance, verloren geglaubtes SF-Gold neu zu entdecken – und als solches sowie als Zeugnis für ein Scheitern auf hohem Niveau sollte man ";Rainbow Mars” vor allem betrachten!
Larry Niven, Bastei-Lübbe
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