Quint und die Eisritter
- Sauerländer
- Erschienen: Januar 2006
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Neue Krise im Klippenland
Paul Stewart und Chris Riddell sind ausgesprochen produktiv: Seit 2002 sind in Deutschland allein acht Bände der Klippenland-Chroniken erschienen, von zahlreichen anderen Kinder- und Jugendbüchern ganz zu schweigen. Während Stewart die farbigen und fantasievollen Geschichten rund um Sanktaphrax und Unterstadt ersinnt, kreiert Riddell die ebenso wunderliche Bilderwelt dazu. Jetzt hat das erfolgreiche Autor/Illustrator-Duo mit ";Quint und die Eisritter"; den zweiten Roman aus dem Zyklus um Twigs Vater und Rooks Großvater Quint in Deutschland veröffentlicht. Bedenken, dass den Klippenwelt-Vätern der Stoff für gute Geschichten ausgehen könnte, räumt das neue Buch problemlos aus.
Zum Einstieg: Die Klippenland-Chroniken sind in drei nicht chronologisch veröffentlichte Zyklen eingeteilt, die die Abenteuer von Quint, Twig und Rook im Klippenland erzählen. Als angehende Himmelspiraten kämpfen sie sie zwischen Dunkelwald, der Nebelkante und den freien Tälern einen dauernden Kampf gegen Harpyien, Koboldarmeen und den hinterhältigen Schleimschmeichler. Ihre Schiffe sind durch die Verwendung von Flugsteinen flugfähig, dem Material, auf dem auch die Akademikerstadt Sanktaphrax errichtet wurde. Eine dicke Eisenkette, die in Unterstadt im Erdboden verankert ist, hindert den Flugfelsen am Davonfliegen.
Nachdem Quint in ";Sturm über Sanktaphrax"; bei seinem letzten Abenteuer versehentlich den gefährlichen Schleimschmeichler aus dem Kernfelsen befreit, hat der Oberste Akademiker Linius Pallitax den Jungen unter seine Fittiche genommen. So besitzt er nicht nur die allerbesten Chancen, in die Ritterakademie aufgenommen zu werden, sondern ist auf diese Weise auch Pallitax' Tochter Maris nahe.
Sanktaphrax in eisigen Klauen
Als der Oberste Akademiker zu Beginn der ";Eisritter";-Geschichte stirbt, ist Quints Zukunft unsicher: Da er nicht in Sanktphrax geboren wurde, kann er ohne Mentor nicht in der Ritterschule aufgenommen werden. Womöglich bleibt ihm nicht anderes übrig, als wie sein Vater Windschakal ein Himmelspirat zu werden. Die Nachfolgeregelung an der Spitze der Akademien beseitigt diese Ungewissheit, denn der Professor des Lichts, der gemeinsam mit dem Professor der Dunkelheit fortan die Amtsgeschäfte von Sanktaphrax führen wird, fördert den Jungen nun. Doch die Saat der Zwietracht ist gesät, als der Professor der Dunkelheit seinerseits einen Jungen aufnimmt, der bislang als Scherenschleifer in Unterstadt sein Dasein gefristet hat: Vilnix Pompolnius macht mit seinen Intrigen nicht nur bald Quint das Leben schwer, er wird auch noch für Twig zu einem großen Problem werden, wie Klippenland-Fans wissen.
Doch zuvor muss sich Quint durch den Akademie-Lehrplan arbeiten. Er lernt, selbstgebaute Luftschiff-Modelle zum fliegen zu bringen, wie man Hungerlunger, die Reittiere der Akademieritter, aufzieht sowie trainiert, und muss sich den ganzen Formelapparat der Wetter- und Wolkenwissenschaften aneignen.
Während Quints Studien erfolgreich voranschreiten, legt sich allerdings ein Schatten über Sanktaphrax' Existenzaussichten: Ein ungewöhnlich kalter und langer Winter kühlt den Flugfelsen so stark ab, dass er immer leichter und somit flugfreudiger reagiert. Die absehbare Folge wäre, dass er sich von der Ankerkette losreißt und mit Sanktaphrax ins Ungewisse davonfliegt. Hier hilft nur Sturmphrax, jene sagenhafte und kostbare Substanz, die die Blitze eines Muttersturmes produzieren. Mit Hilfe des begehrten Elementes kann die Stadt auf dem Flugfelsen ausreichend beschwert werden, um nicht abzudriften.
Als gelbe und saure Wolken am Himmel aufziehen, ist der Rektor der Windakademie Hax Vostillix im Gegensatz zu vielen anderen überzeugt, dass sich ein Muttersturm nähert. Dennoch greift die Gemeinschaft nach diesem einzigen Rettungsstrohhalm und schickt einen Akademieritter nach dem anderen auf die gefährliche Suche nach Sturmphrax. Vergeblich, wie sich herausstellt, denn keiner von ihnen kehrt zurück. Hax Vostillix weiß die Zeit des ängstlichen Harrens allerdings für seine perfiden Ziele zu nutzen, indem er eine Hetzkampagne gegen die verstoßenen Erdwissenschaftler startet, die bei den verunsicherten Bewohnern von Sanktaphrax auf fruchtbaren Boden fällt. Eine Atmosphäre des Misstrauens macht sich breit, als Andersdenkende verfolgt und unliebsame Akademie-Rektoren denunziert und verbannt werden. Ein Umsturz scheint bevorzustehen.
Kritik an Wissenschaft und Politik
Zum Schleimschmeichler, noch einmal! Paul Stewart und Chris Riddell haben mit den Klippenland-Chroniken die farbenprächtige Saga einer Welt mit unwiderstehlicher Sogwirkung geschaffen. Wer mag, kann alle Romane als einfallsreiche Fantasy für Teenager lesen und sich prima unterhalten. Von Band zu Band wird der Plot jedoch komplexer und liefert neben den ungewöhnlichen Abenteuern der Himmelspiraten-Dynastie auch gedanklich tiefer gehende Anregungen für aufmerksame Leser.
Während in den ersten drei Bänden, die den Twig-Zyklus umfassen, das Klippenland mit seiner Geographie und seinen Bewohnern in erster Linie Hintergrund für die Entwicklung von Twigs Charakter ist, kann der ersten Quint-Story ";Fluch über Sanktphrax"; eine kritische Haltung gegenüber einer Wissenschaft, die Leben erschaffen oder verändern will, nicht abgesprochen werden. In dieser Folge entkommt der von Akademie-Wissenschaftlern künstlich ins Leben gerufene fürchterliche Schleimschmeichler seinem Verlies und bedroht fortan die Bewohner des Klippenlandes.
Natürlich versetzen Stewart und Riddell ihre Fans mit ";Quint und die Eisritter"; erneut nach Sanktaphrax mit seinen barocken Bauten und alchemistischen Gesellschaften. Doch was sie älteren Lesern zusätzlich anbieten, ist eine für klippenländische Verhältnisse ungeschminkte Darstellung von politischem Extremismus und Machtstreben. Die Hexenjagd auf Erdwissenschaftler und ihre vermeintlichen Sympathisanten erinnert sehr deutlich an bekannte Schwarz-Weiß-Demagogien: Bist Du nicht unser Freund, dann kannst Du nur unser Feind sein.
Zwar gibt es in unserer Realwelt keine Hungerlunger und Flugsteine, aber politische Intrigen und rücksichtsloses Machtstreben sind leider Teile von ihr. Wie Quint mit dieser Korruption seines Lebens umgeht und dabei die Mysterien des Klippenlandes erforscht, ergibt ein fesselndes Buch, das Groß und Klein gleichermaßen begeistert.
Paul Stewart, Sauerländer
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