Das Hexenhaus in Arkheim – H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens 29

  • Blitz
  • Erschienen: November 2022
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Das Hexenhaus in Arkheim – H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens 29
Das Hexenhaus in Arkheim – H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens 29
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Michael Drewniok
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2024

Die Lust zu wissen und die schlimmen Folgen

16 phantastische Kurzgeschichten, die sich inhaltlich und formal direkt auf H. P. Lovecraft beziehen oder von ihm gewählte Themen mit stets düsteren Untertönen variieren:

- Anstatt einer Einleitung: Devils Point (2022), S. 7-18: Der begeisterte Lovecraft-Fan hält an der neuenglischen Atlantikküste nach Belegen für übernatürliches Wirken Ausschau - und seine energische Suche wird ‚belohnt‘.

- Das Hexenhaus in Arkheim (2013), S. 19-38: Die neuenglische Hexenstadt Arkham hat Wurzeln im noch älteren deutschen Arkheim, wo der Reisende nach Belegen für uraltes Grauens sucht - und fündig wird.

- Blasse Gesichter (2011), S. 39-53: Am Ziel seiner langen Fahrt in das ferne, unheimliche Land enthüllt sich ihm das Geheimnis des Schreckens, das deren Bewohner zeichnet.

- Das Buch der Tausend Geschichten (2014), S. 54-64: Für seinen Besitz ist er sogar bereit zu morden, doch erst die Lektüre entfesselt einen in den Seiten nicht wirklich gefesselten Horror.

- Die geheimen Worte (2022), S. 65-74: Sie konnte sich stets auf ihren privaten Schutzzauber verlassen, doch im Irrgarten des heimgesuchten Schlosses stellt Friederike fest, dass es damit vorbei ist.

- Der Knabe am Brunnen (2017), S. 75-87: Sie liebt eine Steinfigur mehr als ihr Leben, was ihr im Tod eine bizarre Belohnung beschert.

- Eine ländliche Episode (2022), S. 88-96: Klara und Bertha lassen sich von der freundlichen, alten Frau einlullen, bis die Tür des hübschen Landhäuschens sich hinter ihnen schließt.

- Mädchenträume (2022), S. 97-101: Der schöne Garten und die nette Eigentümerin lassen die junge Frau ihre Vorsicht vergessen; welche Folgen dies haben könnte, lässt die Geschichte offen.

- Das Fest des Prinzen Fortuno (2017), S. 102-111: Der eitle Prinz will seine Hochzeit als eine unvergessliche Feierlichkeit gestalten. Seine heimliche Furcht, das Fest könnte missglücken, bewahrheitet sich auf unheimliche Weise.

- Träume im dunklen Gewölbe (2022), S. 112-116: Die Nacht ist die Heimat der beiden einsamen Geister, die nicht zueinanderfinden können.

- Das verrufene Haus (2022). S. 117-120: Er wartet sehnsüchtig, aber vergeblich auf das Erscheinen des Gespenstes.

- Der rote Garten (2022), S. 121-126: Der abenteuerlustige Prinz erlebt eine aufregende Nacht dort, wo er am nächsten Morgen schaudernd auf einen Friedhof erwacht.

- Keine Maßnahmen erforderlich (2020), S. 127-141: Auf dem fernen Planeten bricht der menschliche Kolonist aus seinem freudlosen, düsteren Leben aus, was sogleich die Aufmerksamkeit des Regimes erregt.

- In den Sümpfen (2022), S. 142-157: Der besessene Forscher folgt den Spuren eines geächteten Historikers dorthin, wo sich dessen wirren Andeutungen als grausige Realität erweisen.

- Der Arrandak-Horror I (2022), S. 158-175: Das moderne Teleskop wurde auf verfluchtem Grund erbaut, weshalb es einen kosmischen Schatten abbilden kann, der auf seine irdischen Beobachter aufmerksam wird.

- Der Arrandak-Horror II (2022), S. 176-190: Jahre später stellt ein Astronom fest, dass sich das Grauen aus dem All um die Ruinen des Teleskops niedergelassen hat und dort des Nachts sein Unwesen treibt.

Kurzes Leben mit langem Atem

Howard Philips Lovecraft (1890-1937) war ein Schriftsteller, der weder alt wurde noch erfolgreich war. Zu seinen Lebzeiten blieb er ein Geheimtipp für die Leser phantastischer Literatur - und ein Vorbild für zahlreiche Autoren, die manchmal noch verschrobener waren als er, ihn aber überlebten und sein Werk fortsetzten. Lovecrafts Idee eines „kosmischen Grauens“, das dieses Universum seit dem Urknall heimsucht und formt (und womöglich früher existierte), mündete im „Cthulhu“-Mythos, der diese naturwissenschaftlich bzw. vom Menschen ohnehin nicht wirklich fassbare Realität mit entsprechenden Kreaturen bzw. Entitäten bevölkert.

Diese ‚Götter‘ sind unsterblich, existieren jenseits der Naturgesetze und führen seit Äonen Krieg miteinander. Die Erde ist ein Schauplatz auf diesem Schlachtfeld, was den meisten Menschen - ihr Seelenfrieden dankt es ihnen - unbekannt bleibt. Allerdings haben immer wieder Sucher, Forscher und Mystiker Zipfel dieser ‚vertuschten‘ Historie gelüftet und ihr Wissen schriftlich festgehalten. Dafür wurden sie verfolgt, vertrieben und getötet, wofür vor allem, aber nicht nur die auf der Erde aktiven Schergen besagter Entitäten sorgten, um die Menschheit ahnungslos zu halten: Das kosmische Grauen bedient sich der Menschen, hält sie jedoch in ständiger Abhängigkeit. Lovecraft schilderte immer wieder, wie moderne Zeitgenossen den Umtrieben der „Alten“ auf die Spur kommen. Stets mündet ihre Suche in Besessenheit, Wahnsinn und/oder Tod.

Erst viele Jahre nach seinem Tod wurde Lovecrafts Bedeutung für die moderne Phantastik erkannt. Er war einer der ersten Autoren, die den klassischen Horror mit naturwissenschaftlich geprägter Science Fiction verschmolzen. (Man kann ihn zweifellos als Wegbereiter einschlägigen Schreckens à la „Alien“ bezeichnen.) Viele Lovecraft-Werke wurden inzwischen verfilmt, aber dies ist nur eine Facette seines Nachlebens. Unzählige Epigonen greifen Lovecraft-Motive auf, variieren den Mythos, bauen ihn aus oder spielen mit ihm. Seit jene Copyright-Frist, die solches Tun lange einschränkte, abgelaufen ist, ergießt sich buchstäblich eine Flut einschlägiger Romane und Storys über mehr oder weniger erfreute Leser.

Die Qual der Wahl

Auch hierzulande ist Lovecraft so inspirierend, dass ganze Reihen mit epigonischen Werken erscheinen. Peter Stohls „Das Hexenhaus in Arkheim“ ist bereits Band 29 der vom Blitz-Verlag herausgegebenen „Lovecrafts Schriften des Grauens“. (Die Reihe wird weiter fortgesetzt.) Der Verfasser outet sich auf seiner Website als Lovecraft-Fan jener Schule, deren Autoren sich formal und inhaltlich eng an das Vorbild halten, was durchaus gelingt („Das Buch der Tausend Geschichten“, „In den Sümpfen“, „Der Arrandak-Horror I“ u. „II“). Stohl geht auch eigene Wege, was Storys wie „Die geheimen Worte“, „Der Knabe am Brunnen“, „Mädchenträume“ und „Das verrufene Haus“ belegen. Mit „Keine Maßnahmen erforderlich“ oder „Träume im dunklen Gewölbe“ löst sich Stohl weiter von Lovecraft und zeigt ein eigenes Profil.

Das Grauen jenseits des Cthulhu-Mythos’ wurzelt oft in Europa. Diese Geschichte der USA begann erst nach 1600, der nordamerikanische Kontinent wurde von Kolonisten besiedelt. Sie nahmen nicht nur ihre Sitten, sondern auch ihre Sünden mit über den Atlantik. Stohl verdeutlicht dies in „Das Hexenhaus in Arkheim“ an, wobei diese Story auf den Lovecraft-Klassiker „The Dreams in the Witch House“ (1933; dt. „Träume im Hexenhaus“) zurückgeht. Überhaupt finden sich immer wieder Hinweise auf Lovecraft, Stohl erinnert aber auch an andere Autoren, die wiederum Lovecraft beeinflussten. Zu ihnen zählt natürlich Edgar Allan Poe (1809-1849), dessen Story „The Masque of the Red Death“ (1842; dt. „Die Maske des roten Todes“) in „Das Fest des Prinzen Fortuno“ widerleuchtet, während „In den Sümpfen“ den von Lovecraft geschätzten Schriftsteller Clark Ashton Smith (1893-1961) anklingen lässt.

Autor Stohl weist darauf hin, dass die hier gesammelten Geschichten einschlägigen Erzählungen des frühen 20. Jahrhunderts nachempfunden sind. Anachronismen in Inhalt und Stil sind also Absicht. In einem Punkt hält sich der Verfasser ein wenig zu sklavisch an Lovecraft, den nicht nur die zeitgenössischen Kritiker dafür rügten, dem langsam enthüllten Schrecken einen aufklärenden Finalauftritt zu versagen. Oft blieb das Ende offen, weil ein Lovecraft-‚Held‘ im Angesicht des unverhüllten Grauens das Bewusstsein verlor, ihm buchstäblich die Worte fehlten oder er wahnsinnig wurde. Für Lovecraft war dies ein Stilmittel, das ihm gestattete, die menschlich unfassbare Dimension des „kosmischen Horrors“ zumindest anzudeuten.

Dies als Schluss- und Höhepunkt einzusetzen, ist ein riskanter Balanceakt, der selbst Lovecraft ins Stolpern brachte. Auch Stohl bleibt oft dort (zu) nebulös, wo das Schüren einer unheimlichen Atmosphäre allein eine Erzählung nicht über die Runden bringen kann („Das Hexenhaus in Arkheim“, „Blasse Gesichter“), der vermeintliche Schrecken einfach nicht zünden will („Mädchenträume“, „Das verrufene Haus“) oder der Plot gar zu bekannt ist („Die geheimen Worte“, „Der Knabe am Brunnen“).

Fazit:

16 meist (facetten-) kurze Erzählungen kreisen um jenen ‚realen‘, aber in seiner Fremdheit schwer fassbaren Schrecken, den der Schriftsteller H. P. Lovecraft zu entfesseln wusste. Manchmal glückt es, manchmal nicht, und manchmal werden die Grenzen der Vorlage (= Schablone) durchbrochen: lesenswert.

Das Hexenhaus in Arkheim – H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens 29

Peter Stohl, Blitz

Das Hexenhaus in Arkheim – H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens 29

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